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23.07.11 / Keine weiße Weste / Libyen: Brandstiftungen und Plünderungen durch Rebellenmilizen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-11 vom 23. Juli 2011

Keine weiße Weste
Libyen: Brandstiftungen und Plünderungen durch Rebellenmilizen

Es könnte eine große Überraschung geben, wenn Gaddafi weg ist und wir herausfinden, mit wem wir uns eingelassen haben.“ Paul Sullivan, Politikwissenschaftler und Libyen-Kenner an der Washingtoner Georgetown Universität, ist skeptisch gegenüber den Rebellen, die den libyschen Diktator stürzen wollen. Deren Nationaler Übergangsrat mit Sitz im östlich gelegenen Bengasi ist mittlerweile von zwei Dutzend Staaten anerkannt. Frankreich war mit der Legitimierung vorgeprescht – Deutsch­land zog nach langem Überlegen erst vor Kurzem nach.

Ende Juni hatte Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) während eines Treffens mit Rebellenchef Mahmud Dschibril unterstrichen, man stehe „an der Seite der demokratischen Kräfte in Libyen“. Doch ob es in der brutalisierten und von traditionellen Stammesstrukturen geprägten Gesellschaft Demokraten gibt, ist  fraglich.

Der Premier der provisorischen Gegenregierung, Dschibril, seit 23. Februar Anführer der Gaddafi-Gegner, hat in den USA studiert und gelehrt. Der westlich orientierte Wirtschaftswissenschaftler war 2007 mit Reformabsichten in den Dienst des libyschen „Revolutionsführers“ getreten. Im dunken Anzug und weinroter Krawatte reist er seit Wochen durch die Staatenwelt und wirkt gediegen und gewinnend bei der Suche nach Unterstützung in einem Bürgerkrieg, dessen Ende nicht abzusehen ist.

Nun kratzt die Menschen­rechts­­organisation Human Rights Watch (HRW) am sauberen Demokraten-Image der Rebellen. Der Besuch einer Delegation der libyschen Aufständischen in Brüssel vergangene Woche war von Vorwürfen zu Brandschat-zungen und rück­sichtsloser Gewalt gegen Zivilisten überschattet. Im Einzelnen sollen die Dschibril-Leute bei ihrem Vormarsch auf Tripolis in vier eroberten Städten im Nafusa-Gebirge südlich der Hauptstadt Krankenhäuser angezündet und geplündert sowie Geschäfte und Wohnungen ausgeraubt haben.

Zudem kritisierten die Menschenrechtler, dass Nicht-Kombattanten geschlagen worden seien, die mutmaßlich Gaddafis Regierungstruppen unterstützen. Ihre Kollegen vor Ort hätten im Juni und Juli einige Übergriffe selbst beobachtet und Zivilisten wie Kämpfer in den betroffenen Gebieten als Zeugen befragt.

Der Vize-Direktor der HRW-Abteilung Mittlerer Osten und Nordafrika, der Amerikaner Joe Stork, forderte die Oppositionsführer auf, alle Misshandlungen durch Rebellen zu stoppen und die Täter zu bestrafen. Es sei die Pflicht der Rebellen, Zivilisten und ihr Eigentum zu schützen.

Dschibril wies in Brüssel die jüngsten Anschuldigungen zwar zurück, räumte jedoch „einige Vorfälle“ und Menschenrechtsverletzungen ein, die unabweisbar in den ersten Wochen des  seit fünf Monaten andauernden Aufstands gegen Gaddafi begangen wurden. „In befreiten Zonen“ sei dergleichen aber „nicht mehr der Fall“, rechtfertigte er.

Ein ungenannter Oberst der Rebellenmilizen hatte gegenüber Human Rights Watch Übergriffe zugegeben, allerdings ohne Angaben zur Zahl der Geschädigten und der Art der Verbrechen zu machen. Truppenbefehle seien missachtet worden. Er verwies darauf, dass die Soldaten in seiner Einheit dafür bestraft worden seien.            Christian Rudolf


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