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23.07.11 / Bio-Kraftstoff bald vor dem Aus? / EU-Studien belegen, dass der aus Pflanzen gewonnene Sprit mehr schadet als nutzt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-11 vom 23. Juli 2011

Bio-Kraftstoff bald vor dem Aus?
EU-Studien belegen, dass der aus Pflanzen gewonnene Sprit mehr schadet als nutzt

Bio-Treibstoffe gefährden die EU-Klimaziele. Zu diesem Resultat kommen Analysen, die von der EU-Kommission in Auftrag gegeben wurden.

An einem Mangel an wissenschaftlichen Studien zum Thema Kraftstoffherstellung aus Pflanzen kann es nicht gelegen haben, dass man in Brüssel nochmals eigene Untersuchungen in Auftrag gegeben hat. Wissenschaftler und Umweltschützer beschäftigen sich seit Jahren mit der Treibstoffherstellung aus nachwachsenden Rohstoffen. Inzwischen liegen unzählige Studien vor. Weitgehend herrschen Zweifel an einem Nutzen der Bio-Kraftstoffherstellung vor. Im Jahr 2010 kam das Londoner Institut für europäische Umweltpolitik (IEEP) beispielsweise zu dem Schluss, dass der Biosprit schädlicher für das Klima sei als die fossilen Energien, die ersetzt werden sollen. Der „Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen“ (WGBU) kam bereits im Jahr 2008 zu einem ähnlichen Ergebnis. Seine damalige Empfehlung: den Anteil der Bio-Kraftstoffe auf Null zurückfahren und jegliche staatliche Förderung einstellen.

Auch die Untersuchungen, die von der EU-Kommission in Auftrag gegeben wurden, scheinen den schon seit längerer Zeit in der Kritik stehenden Bio-Kraftstoffen kein besseres Zeugnis auszustellen. Bisher hat die Kommission die Freigabe der entsprechenden Dokumente jedoch abgelehnt. Allerdings hat die Nachrichten­agentur „Reuters“ nach eigenen Angaben Einblick in vier der EU-Studien nehmen können. Für die neun Milliarden schwere Bio-Diesel-Industrie in Europa könnten demnächst schwere Zeiten anbrechen, sollten aus den gewonnenen Erkenntnissen die Konsequenzen gezogen werden. In den Unterlagen selbst ist von „signifikanten Auswirkungen auf die existierende EU-Bio-Diesel-Industrie“ die Rede. Demnach scheint auch der EU-Kommission schwarz auf weiß bescheinigt worden zu sein, dass die Biokraftstoffe deutlich weniger klimafreundlich sind als bisher behauptet: Ein großer Teil der vermeintlichen Vorteile wird durch die indirekten negativen Effekte, etwa die Abholzung von Waldflächen, wieder aufgehoben. Sogar mit der einmaligen indirekten Freisetzung von zirka 1000 Megatonnen Kohlendioxid infolge der Bio-Sprit-Produktion ist zu rechnen. Dies würde der doppelten Menge entsprechen, die jährlich Deutschland zugerechnet wird. Offizielle Vorgabe der EU ist es, dass im Jahr 2020 zehn Prozent der Treibstoffe aus erneuerbaren Quellen – in Europa zu 80 Prozent Bio-Diesel – produziert werden. Um dieses Ziel zu erreichen, wäre weltweit die Umwandlung von bis zu 69000 Quadratkilometern Wald, Weiden und Feuchtgebieten in Ackerland notwendig, so die Berechnungen des Londoner Instituts für europäische Umweltpolitik.

Bereits jetzt hat der Boom bei Bio-Kraftstoffen zur Abholzung von Regenwäldern in unvorstellbaren Ausmaßen geführt. Auch auf den schon bisher genutzten landwirtschaftlichen Flächen tritt der Anbau von Pflanzen für die Diesel- und Äthanolherstellung immer stärker in Konkurrenz zur Nahrungsproduktion. Die USA, größter Maisproduzent der Erde, verbrauchen mittlerweile mehr Mais zur Spritherstellung als für Tierfutter. Einen möglichen Ausweg aus diesem Dilemma erhofft man sich von einer neuen Generation von Bio-Kraftstoffen, die zur Energiegewinnung beispielsweise auf Holzreste oder Algen setzen. Eines dieser, mit vielen Vorschusslorbeeren bedachten, Vorhaben wird seit 2008 im sächsischen Freiberg errichtet. Dort will das Unternehmen „Choren“ Holzabfälle zunächst zu Gas und dieses dann zu Diesel umwandeln. Als vor drei Jahren der Startschuss für das Projekt gegeben wurde, war nicht nur Kanzlerin Angela Merkel zuversichtlich – die Autobauer VW und Daimler beteiligten sich an dem Projekt ebenso wie der Ölmulti Shell. Mit von der Partie waren auch Privatanleger, der Bund, das Land Sachsen und die EU. Inzwischen hat sich Ernüchterung eingestellt: Noch immer ist kein einziger Liter Bio-Diesel der Anlage auf den Markt gelangt. Vor wenigen Tagen musste für das Projekt sogar Insolvenz angemeldet werden. Zahlreiche Rück­schläge und technische Probleme haben die Geduld der Investoren auf eine harte Probe gestellt. Als noch größeres Manko als die technische Umsetzung hat sich der gestiegene Preis für Holzabfälle erwiesen. Die Zunahme von Holzpellet-Heizungen hat den Ausgangsstoff für die Dieselherstellung massiv verteuert. Nach Angaben der „Financial Times Deutschland“ wird inzwischen mit einem Preis von drei Euro pro Liter gerechnet, sollte die Anlage in der Zukunft doch noch in Betrieb gehen. Ein Preis, welcher dem Bio-Diesel inzwischen den Namen „Kaviar unter den Kraftstoffen“ eingebracht hat. Norman Hanert


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