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23.07.11 / »Lernte weinend zu lächeln« / Vor 100 Jahren wurde die Bildhauerin und Lyrikerin Ursula Enseleit geboren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-11 vom 23. Juli 2011

»Lernte weinend zu lächeln«
Vor 100 Jahren wurde die Bildhauerin und Lyrikerin Ursula Enseleit geboren

Sie hat sich auch im Alter ihren mädchenhaften ­Charme­ bewahren können. Wie glänzten ihre Augen, wenn sie von ihrer Arbeit berichtete, von ihrer Heimat Ostpreußen erzählte! Und kaum einer konnte sich ihrer Begeisterung entziehen, mit der sie neue Projekte plante. Immer war sie auf der Suche nach dem Menschen gewesen, nach dem Gegenüber, das mitleidet und mitfühlt. Dem Leid, aber auch der Freude wollte sie mit ihrem Werk eine Form geben, erinnern an Vergessenes, Verdrängtes, ohne Vorwürfe, ohne Anklage: „Arbeitend lernte ich. Lernte weinend zu lächeln.“

Ursula Enseleit, die Bildhauerin, die Graphikerin, die Dichterin, starb am 8. August 1997 im Alter von 86 Jahren in Mainz. Geboren wurde sie als Ursula Riel am

25. Juli 1911 in Wenzken, Kreis Angerburg. Im alten Schulhaus von Kutten wuchs sie auf; dort empfing sie erste Eindrücke: „Ich tauchte in früher Kindheit in die Sprache des Schöpfers und seiner unversehrten Schöpfung. Und früh begann es, in mir zu dichten ...“ Doch bis dahin war es noch ein weiter Weg. Ihr Mann, wie ihr Vater Lehrer, fiel im Zweiten Weltkrieg. Ursula unterrichtete an seiner Schule im Kreis Goldap weiter und besuchte nach der Vertreibung das Pädagogische Institut in Magdeburg.

1950 gelangte sie nach Westdeutschland, wo sie sich einen lang gehegten Wunsch erfüllen konnte. Sie studierte an der Landeskunstschule Mainz und fand dort in Emy Roeder eine hervorragende Lehrerin und gleichgesinnte Seele. Erste Zeichnungen und Gedichte entstanden, Studienreisen führten sie durch Deutschland und ins Ausland, erweiterten ihren Gesichtskreis. Bald wurde ihr vielseitiges Schaffen auch mit Preisen gewürdigt – sie erhielt den Förderpreis für Plastik des Landes Rheinland-Pfalz, 1966 und 1980 den Angerburger Literaturpreis des Patenkreises Rotenburg (Wümme) für ihre Gedichtbände „Ungerupft“ und „Das flammende Herz“, 1978 von der Landsmannschaft Ostpreußen den Kulturpreis für Bildende Kunst.

Eine Dichterin in Wort und Bild hat man Ursula Enseleit einmal genannt. Sie war eine Künstlerin, sparsam mit ihren Ausdrucksmitteln, aber dafür beim Betrachter, beim Leser umso wirkungsvoller in die Tiefe dringend. Es gelang ihr stets, das Wesentliche mit nur wenigen Strichen, nur wenigen Worten zu umreißen. Sie „verpfändet jedesmal ihr Leben. Ihr Verhältnis zur Kunst ist ihre ganze Existenz. Man darf sie als begnadet bezeichnen, ohne damit antiquiert zu wirken; man darf von Verinnerlichung reden und nicht das Sentimentale meinen“, hat Franz Heinz einmal über Ursula Enseleit und ihre Kunst gesagt. Eine Kunst, die aus der Sehnsucht heraus entstanden ist, von der Enseleit selbst einmal sagte: „Und ich bitte meine Sehnsucht, dass sie ohne Klagen sei.“ Sie lauschte in die Stille, drang in die Tiefe der Dinge vor, sah Sonderbares, wo andere nur Banales entdecken konnten – eine Orangenschale etwa, die sich im Spiel des Lichts zu wundersamen Gebilden formte. „Will ich die Welt verändern? Darüber hatte ich bisher noch nicht nachgedacht. Ich denke, die Kunst hat etwas mit mir vor. Sie will mich auf ihre unersättliche Art am Leben erhalten, obwohl sie von mir nimmt. Ich habe den Eindruck, sie liebt mich, so wie ich sie liebe. Sie lässt mich mich bewältigen.“ Nachdenkliche Worte einer Frau, die den Dingen auf den Grund gehen wollte – im Leben wie in ihrer Kunst.

In ihren Porträts vermochte sie die Seele ihres Gegenübers einzufangen, etwa bei der Büste des pommerschen Schauspielers Klaus Granzow. In der Empfangshalle des Rathauses Bad Mergentheim findet sich eine besonders eigenwillige Bronzeskulptur der ostpreußischen Künstlerin, das „Quattuorvirat“. Die vier Köpfe der Ostdeutschen Georg Forster, Andreas Schlüter, Bogumil Goltz und Arthur Schopenhauer ruhen auf einem Unterbau, der eine knorrige Stumpfweide der Weichselniederung symbolisiert; eine eindrucksvolle Verbindung von Landschaft, von Heimat und Geist. „Mythische Heimatbekenntnisse“ nannte denn auch der Kunstkenner Ernst Schremmer die Werke der Ostpreußin. Sie selbst sah ihre Kunst als „Wagnis auf Gott hin. Gott selbst zeugt und bezeugt durch sie.“         SiS


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