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23.07.11 / Die Fischerkähne / Im Urlaub am Lago Maggiore – schlagartig ist das Trauma wieder da

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-11 vom 23. Juli 2011

Die Fischerkähne
Im Urlaub am Lago Maggiore – schlagartig ist das Trauma wieder da

Ich hatte mir einen lange gehegten Wunsch erfüllt. Ich war an den Lago Maggiore gefahren. Nun saß ich an dessen Ufer auf einer Bank und blickte zufrieden auf das Wasser. Unbekannte Blütendüfte umgaben mich. Ich atmete tief und mein Herz tat sich auf, wie die springenden Knospen rundum, die sich noch nicht voll geöffnet hatten. Es war wie diese bereit, alles Lichte, Helle aufzunehmen, das sich hier bot. Schon das sachte Plätschern der Uferwellen in unmittelbarer Nähe wirkte wie eine besänftigende Melodie auf mein Gemüt.

Ich ließ die Ruhe des Morgens auf mich wirken. Die Stille hier hatte etwas Beruhigendes und zugleich Befreiendes. Sie verdrängte alle Alltagslasten, die mich herbegleitet hatten, in diese von Blumen und Blüten überquellende Frühlingswelt. Die Uferpromenade lock­te dann mit prächtigen Anlagen, breit und gepflegt, und mit malerischen Palmen zum Weitergehen.

Mehr und mehr geriet ich in den Bann dessen, was mich umgab. So sehr, dass ich gar nicht bemerkte, wie weit ich schon gegangen war. Erst die Lust auf einen Cappuccino ließ mich von der Uferpromenade abbiegen und ein Café aufsuchen. Anschließend suchte ich ruhige Straßen und Gässchen zum Weiterschlendern auf, wo ich wieder und wieder entzückt stehen blieb. Über Zäune und Mauern wälzte sich hier und da in verschwenderischer Fülle blütenschäumendes Geranke unterschiedlicher Farben.

Die malerisch anmutenden Cameliensträucher neben und hinter den Zäunen machten neugierig auf die Gärten, zu denen sie gehörten. Es waren Gärten so apart in Bewuchs und Art und teilweise voll Geheimnis, jedenfalls für diejenigen, die sie nicht betreten konnten. Voll verwachsener Ecken und Winkel. Als ich mich an all dem sattgesehen hatte, zog es mich wieder an den See. Die Fächerpalmen schienen mir zuzuwinken.

Ich setzte mich auf eine der buntumblühten Bänke der Uferpromenade und schaute wieder auf das Wasser. Dort zogen jetzt einige Fischerkähne ihre Bahn, die durch eine Eigenart auffielen: Sie waren mit mehreren Bügeln überspannt und von Planen überdeckt. Das schien mir seltsam; denn so eine Art Regen- oder Sonnenschutz hatte ich an Booten noch nirgends gesehen. Doch meine Verwunderung hielt nicht lange an. Fast schlagartig bedrängten mich Gedanken, die alte, schmerzliche Erinnerungen wachriefen; denn die Planvorrichtungen auf den Fischerbooten ließen mich an die Fluchtwagen denken, von denen viele ähnlich bügelüberspannt gewesen waren und Planen gehabt hatten. Auch der, auf dem ich gesessen hatte, als wir die Heimat verlassen muss­ten.

Lange verweilte ich jetzt, wie so oft, und immer wieder in Gedanken auf der Straße, auf der ich damals mit dem Treck entlang gezogen war. Es dauerte längere Zeit, bis ich wieder in diese von Blumen und Blüten und Düften überquellende Welt zurückfand. In den Zauber am Lago Maggiore. Hannelore Patzelt-Hennig


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