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23.07.11 / Stasi bedrängte Opfer / Ehemalige Peiniger kamen ungeschoren da

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-11 vom 23. Juli 2011

Stasi bedrängte Opfer
Ehemalige Peiniger kamen ungeschoren davon

(N)o­stalgie-Shows mit Erinnerungen an die vermeintlich guten Seiten der DDR waren eine Zeitlang so populär, dass sie im abendlichen Unterhaltungsprogramm der Fernsehanstalten ausgestrahlt wurden. Einspruch gegen den verklärenden oder auch humoristisch gefärbten Rückblick ist dennoch vonnöten, vor allem erhoben ihn die Opfer der SED-Diktatur. Sie fühlen sich dadurch verhöhnt, was wohl nicht der Fall wäre, wenn ihre ehemaligen Peiniger nicht gro-ßenteils ungeschoren davon gekommen wären. Zwar erlebten die enttarnten Genossen von

Erich Mielkes Ministerium für Staatssicherheit einen Status-Verlust, doch viele unter Verdacht Stehende bekleiden hohe Ämter. Etliche sitzen für die Partei „Die Linke“ in den Länderparlamenten und im Bundestag. Immerhin, die Aufklärung über dieses dunkle Kapitel deutscher Geschichte wird weiter vorangetrieben. Diesem Zweck dient auch ein Sammelband mit dem Titel „Der lange Arm der Stasi – Folter, Psychoterror, DDR-Nostalgie, Persönliche Zeugnisse.“. Die sechs Selbstzeugnisse ehemaliger Stasi-Verfolgter stammen aus der Zeit von 1955 bis 1979 und sind dazu geeignet, auch alle diejenigen, die die DDR nicht mehr aus eigener Anschauung kennen, zu erschüttern. Ein Herausgeber wird nicht genannt. Die Autoren und Autorinnen sind sämtlich publizistisch tätig, die meisten haben über ihr Schicksal bereits veröffentlicht.

Weiterhin müssen einige mit anwaltlichen Verfügungen und Drohungen der von ihnen bezichtigten Täter, Apparatschiks und IM-Spitzel rechnen. Dies begann bereits 1990. Damals kehrte sich der Spieß prompt wieder um, als die Machenschaften der Stasi von ihren ehemaligen Opfern publik gemacht wurden: Diese wurden von ihren früheren Peinigern aufs Neue bedrängt und eingeschüchtert. Bis heute leiden sie an psychosomatischen Störungen wie Depressionen und Albträumen. Empörung überlagert den Bericht von Ellen Thiemann, betitelt „Psychoterror, Folter, Wanzen“. 1972 hatte sie gemeinsam mit ihrem Mann Klaus die Flucht geplant, wurde ausspioniert und kam dreieinhalb Jahre ins berüchtigte Frauengefängnis Hoheneck. Chaim Noll, geboren 1954 in Berlin, betitelte seinen Beitrag „die ‚Neue Klasse‘“, womit die herrschende Schicht in den Ländern des Sozialismus gemeint ist, und er zitiert eingangs Milova Djilas: „Ihre Macht war größer als die irgendeiner früheren Klasse in der Geschichte, und entsprechend größer waren ihr Klassendünkel und ihre Klassenvorurteile.“ Noll verweigerte 1980 den Militärdienst in der DDR-Armee und wurde in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. 1983 reiste er mit seiner Familie nach West-Berlin aus. Der jüdische Schriftsteller  lebt seit 1995 in Israel in der Wüste Negev. Wie alle Autoren warnt auch er vor einer zunehmend verharmlosenden Wahrnehmung der DDR.      Dagmar Jestrzemski

Chaim Noll und andere: „Der lange Arm der Stasi – Folter, Psychoterror, DDR-Nostalgie, Persönliche Zeugnisse“, MM-Verlag, geb., 224 Seiten, 18 Euro


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