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30.07.11 / Freunde bis zur Wahl / Medwedew gilt als politisches Leichtgewicht − Wirtschaft punktet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-11 vom 30. Juli 2011

Freunde bis zur Wahl
Medwedew gilt als politisches Leichtgewicht − Wirtschaft punktet

Nach außen demonstrierten Angela Merkel und Dmitrij Medwedew bei den deutsch-russischen Regierungskonsulationen in Garbsen bei Hannover weitestgehend Einvernehmen. Zwar müsse auch gestritten werden, wo es nötig sei, so Medwedew, denn nicht bei allen Themen liegen Deutschland und Russland auf einer Linie. Ob hinter verschlossenen Türen tatsächlich gestritten wurde, darüber kann nur spekuliert werden. Die Frage, ob sich die deutsch-russischen Beziehungen vor dem Hintergrund verschlechtert haben, dass Premierminister Wladimir Putin der Berliner „Quadriga-Preis“ ( seit 2003 jährlich verliehen an Personen, die „durch ihr Engagement ein Zeichen für Aufbruch, Erneuerung und Pioniergeist” gesetzt haben), zunächst verliehen werden sollte, dies dann aber von den Verleihern zurückgenommen wurde, ist mit nein zu beantworten. Medwedew kommentierte den Vorfall zwar als „deutsche Kopfschmerzen“, nutzte die Sache dann jedoch, um Kritik an Putins Regierungsstil zu üben, ohne dessen Namen fallen zu lassen. Bei dem Treffen standen unter anderem die Themen Migrationsprobleme in beiden Staaten, der amerikanische Raketenabwehrschirm im Osten Europas, die Beziehungen zwischen Russland und Nato, die Situation in Libyen und Syrien sowie das iranische Atomprogramm auf der Tagesordnung. Wichtiger war für Dmitrij Medwedew die Frage der Visafreiheit. Seit Beginn seiner Amtszeit setzt er sich für eine Liberalisierung ein, stieß bislang jedoch stets auf Ablehnung seitens der EU. Merkel machte deutlich, dass Deutschland und nicht die EU in der Frage gebremst habe und stellte eine stufenweise Abschaffung der Visumpflicht in Aussicht. Sie machte allerdings klar, dass kein Anlass zur Eile besteht. Deutschland arbeite an einem Frühwarnsystem, um Kriminellen oder Terroristen die Einreise verweigern zu können. Mit der endgültigen Visabefreiung ist erst in fünf bis acht Jahren zu rechnen. Russland hofft nun, dass unter dem Vorsitz Polens im Europarat mehr Bewegung in die Frage kommt.

Erfolgreicher waren aus russischer Sicht die Verhandlungen über Energielieferungen. Der Chef des Gazprom-Direktorenrats und stellvertretender Vorsitzender des  Wirtschaftsforums „Petersburger Dialog“, Viktor Zubkow, konnte im Gegensatz zu Medwedew Erfolge verbuchen. Die Bundesregierung hat gegen einen Einstieg von Gazprom beim deutschen Energiekonzern RWE keine Einwände. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und die russische Staatsbank VEB haben einen Fonds mit einem Volumen von einer Milliarde Euro für den Aufbau kleiner und mittlerer Unternehmen in Russland eingerichtet. Einer von Putin vorgeschlagenen dritten Röhre für die Nord-Stream-Pipeline erteilte Merkel jedoch eine Absage. Sie verwies auf den Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland.

Wenn Medwedew oder Putin öffentlich auftreten, steht immer die Frage im Raum, wer 2012 Präsident wird. Während der Westen in Medwedew den sympathischen Vertreter Russlands sieht, gilt er zu Hause als jemand, dessen Aussagen man nicht ganz ernst nimmt. Schuld daran sei die ungeklärte Vorwahlsituation, sagen Beobachter. Die Frage lautet also: Wie werden die deutsch-russischen Beziehungen aussehen, wenn Putin im kommenden Jahr wieder Präsident wird? In Deutschland steht Merkels erneute Kandidatur 2013 an. Zurzeit sinken ihre Umfragewerte. Es ist also offen, wer mit wem verhandeln wird. M. Rosenthal-Kappi


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