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30.07.11 / Erster Superstar der Musik / Ausstellung »Lisztomanie«: Weimar feiert den 200. Geburtstag von Franz Liszt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-11 vom 30. Juli 2011

Erster Superstar der Musik
Ausstellung »Lisztomanie«: Weimar feiert den 200. Geburtstag von Franz Liszt

Lange bevor die „Beatles“ junge Mädchen zum Kreischen brachten, sorgte Franz Liszt mit virtuosem Klavierspiel dafür, dass die Damenwelt die Contenance verlor.

Schon als Elfjähriger gab der in Westungarn nahe der Grenze zu Österreich geborene Wunderknabe öffentliche Konzerte. Auf Tourneen, die ihn von Lissabon bis St. Petersburg und Istanbul führten, lag ihm das Publikum zu Füßen. Nach einem Leben in Saus und Braus suchte er Besinnung und ließ sich 1848 im beschaulichen Residenzstädtchen Weimar nieder.

Weimar und Thüringen danken es Franz Liszt (1811−1886) mit einer großen Landesausstellung anlässlich seines 200. Geburtstages. Im Stadtschloss erklingen bei Führungen Klaviere von Graf, Erard und anderen berühmten Instrumentenbauern, wie sie auch Liszt bespielt hat. Wegen Altersschwäche stumm bleibt das Prunkstück der Präsentation: Liszts Hammerflügel des Herstellers Boisselot und Söhne, auf dem er in Weimar viele seiner bedeutendsten Werke komponierte.

Der zweite Teil der Schau wird im Schiller-Museum gezeigt. Aufgeboten sind über 350 Exponate: kostbare Autografe und rare Erstdrucke seiner Kompositionen, Konzertprogramme und Briefe, Tabaksbeutel, Brille und andere Stücke aus Liszts Besitz. Hinzu treten zeitgenössische Gemälde, die den Meister in jungen und mittleren Jahren zeigen, sowie Fotografien des alten Liszt. Beginnend mit seinen Lehrjahren in Wien und Paris folgt der Ausstellungsrundgang den Lebensstationen von Liszt bis zum Tod in Bayreuth 1886 während der von seiner Tochter Cosima betreuten Wagner-Festspiele.

Liszt war der erste Pianist, der ein ganzes Konzert allein bestritt, teils vor über 3000 Zuhörern. Am Klavier ersetzte er ein vielköpfiges Orchester. Mit seinem virtuosen Spiel löste er eine wahre „Lisztomanie“ aus, wie der Pariser Ohrenzeuge Heinrich Heine urteilte. Während seiner 30 Gastspiele, die er 1841/42 in Berlin gab, erreichte die Begeisterung ihren absoluten Höhepunkt. Der preußische König sah sich veranlasst, ihm den Orden „Pour le Mérite“ für Wissenschaften und Künste zu verleihen. Aber Erfolg zieht auch Spott nach sich: Berliner Karikaturen zeigen Damen, die vor dem Maestro niederknien und ihn anbeten. Eine soll sogar den Rest aus Liszts Teetasse in ihr Parfümfläschchen gekippt haben.

Auch die Männer waren tief beeindruckt, wie der Chronist und Diplomat Karl Varnhagen von Ense bekannte: „Wir hatten ganz nah Plätze, und sahen den geistvollen, feinen, schönen Mann ganz genau. Zuletzt spielte er einen chromatischen Galopp, den ich nicht aushalten konnte; er hatte meine Pulse in seiner Gewalt, und sein Spiel beschleunigte sich so, dass ich schwindlig wurde.“ Dieses Stück war einer von Liszts größten Konzert-Hits. Der Audioguide der Ausstellung liefert einige Takte aus dem „Grand Galop Chromatique“.

Das Modell des Bonner Beethoven­denkmals weist darauf hin, dass Liszt mit Einnahmen aus seinen Konzertreisen die Realisierung dieses seinem großen Idol gewidmeten Projekts maßgeblich gefördert hat. Für die Feierlichkeiten zur Einweihung des Denkmals 1845 komponierte er eigens eine Festkantate. Das Originalmanuskript ist ausgestellt, ein Ausschnitt ist zu hören: das Andante religioso.

In Kiew lernte Liszt die verheiratete Fürstin Carolyne zu Sayn-Wittgenstein kennen. Sie wurde seine Lebensgefährtin. Bald nachdem sich die Fürstin mit ihrer Tochter 1848 in der Weimarer Altenburg niedergelassen hatte, gesellte sich Liszt zu ihnen. Als Großherzog-licher Hofkapellmeister erhob er Weimar zu einem europaweit beachteten Zentrum der modernen Musik. Unter Liszts Leitung wurde Wagners „Lohengrin“ uraufgeführt, worauf die Abschrift der Aufführungspartitur (1851) hinweist.

Weimar erlebte unter Liszts Ägide sein „Silbernes Zeitalter“. Dabei knüpfte der Klaviervirtuose gezielt an dessen glanzvollste Zeit an − die goldene Ära der klassischen Dichter Goethe, Schiller und Herder. Die Enthüllungen ihrer Denkmäler und ihre Jahrestage begleitete er mit der Aufführung seiner Kompositionen. Aufgeschlagen ist etwa die Partitur von Liszts Tasso-Thema (1849), zu der er durch Goethes Schauspiel „Torquato Tasso“ angeregt wurde. Aus der Überarbeitung des Stücks ging fünf Jahre später die Sinfonische Dichtung „Tasso“ hervor. Mit seinen Sinfonischen Dichtungen erfand Liszt eine neue Kunstgattung, in der die als Inspirationsquelle dienenden Stoffe der Weltliteratur oder Werke der Bildenden Kunst gleichsam in Musik aufgehen.

Um sich der Erneuerung der Kirchenmusik zu widmen, zog Liszt 1861 nach Rom. Dort erhielt er mit 54 Jahren die ersten vier niederen Weihen − und trat fortan im langen Abbé-Gewand auf. Ab 1869 nahm er sein altes Nomadenleben wieder auf und pendelte zwischen Rom, Budapest und Weimar. Dort bezog er in den Sommermonaten das Obergeschoss der ehemaligen Hofgärtnerei und gab talentierten Nachwuchspianisten kostenlosen Unterricht. Bereits kurz nach seinem Tod wurde dieses so genannte „Liszt-Haus“ museal hergerichtet. Der Musiksalon des Meisters ist heute noch beinahe so, wie er ihn einst verlassen hat. Veit-Mario Thiede

Bis 31. Oktober im Schlossmuseum, Burgplatz 4, und im Schiller-Museum, Schillerstraße 12, Weimar. Di.−So. 10−18 Uhr. Liszt-Haus, Marienstraße 17, Di.−So. 10−18 Uhr. Altenburg, Jenaer Straße 3, Di.-So. 13-15 Uhr. Informationen: Telefon (03643) 545400, Internet: www.klassik-stiftung.de/liszt. Katalog: Buchhandlung-Verlag Walther König, 29 Euro.


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