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30.07.11 / Cranz: Bauwüste statt Kurort / Jämmerliche Zustände zur Hauptreisezeit im beliebten Ostseebad − Bausünden zerstören das Stadtbild

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-11 vom 30. Juli 2011

Cranz: Bauwüste statt Kurort
Jämmerliche Zustände zur Hauptreisezeit im beliebten Ostseebad − Bausünden zerstören das Stadtbild

Cranz war einst ein mondänes und beliebtes Seebad. Auch bei den Russen war es nach dem Zweiten Weltkrieg als Kurort beliebt. Fehlplanungen und Spekulationen gieriger Investoren haben das Antlitz der Stadt zerstört. 20 Jahre nach der politischen „Wende“ ist der Ort − ausgerechnet in der Hauptsaison − eine einzige Baustelle.

Jahrhundertelang war Cranz eines der beliebtesten ostpreußischen Seebäder. Seine Nähe zu Königsberg und seine langen Sandstrände ließen es attraktiver erscheinen als das weiter entfernt gelegene Rauschen.

Auch heute strömen bei gutem Wetter Zehntausende nach Cranz, doch in diesem Sommer werden Erholungssuchende eine Enttäuschung erleben. Schon im dritten Jahr wird die Promenade aufwändig umgebaut. Ein erster kurzer Bauabschnitt wurde zwar bereits im vergangenen Jahr abgeschlossen, aber in diesem Sommer wurde hier der Zugang zum Meer schon wieder gesperrt. Das Ostseeufer ist eine einzige Riesenbaustelle, auf der Lastwagen mit Baumaterial bugsieren, hinter den Bauzäunen ist der Lärm von Baggern zu hören.

Die Promenade wird verbreitert. Der hierdurch „verschwundene“ Teil des Sandstrands wird teilweise dadurch ersetzt, dass der noch vorhandene Abschnitt aufgeschüttet wird. Beim zentralen Teil der Promenade ist der Sandstreifen bereits ganz verschwunden. Sonnenanbeter aalen sich hier auf den aus dem Wasser herausragenden Findlingen.

Auf halber Länge der Promenade soll eine Anlegestelle entstehen. Vor dem Krieg hatte es eine solche bereits gegeben, deren Überreste allerdings in den 50er Jahren verschwunden sind.

In diesem Sommer sind die Zugänge zum Meer beschränkt, weil die Bauarbeiten, die Anfang 2012 abgeschlossen sein sollen, auf Hochtouren laufen. Die einzige Möglichkeit, an den Strand zu gelangen, besteht am Stadtrand in Richtung Kurische Nehrung. Einige geschäftstüchtige Cranzer haben hier Bretterbuden aufgebaut, in denen Cafés oder Imbissstuben untergebracht sind. Allerdings haben sie es versäumt, Müllbehälter aufzustellen. Badegäste lassen Essensreste und Müll einfach am Strand fallen. Berge von Plastikverpackungen und verfaulende Speisereste sind die Folge.

Das Zentrum von Cranz befindet sich in einem traurigen Zustand. Die Stadt wächst beständig, neue Wohnblocks entstehen. Wenn diese einmal bewohnt sind, wird sich auch die Infrastruktur des Kurorts verändern. Zurzeit ist das gesamte Zentrum von den in Russland typischen blau-weißen Bauzäunen abgeschottet. Es scheint so, als ob sie nicht nur Baustellen sichern, sondern auch verstecken sollen, was hinter den Zäunen vor sich geht. Einige Gebäude, die von den Sowjets noch als Sanatorien genutzt wurden, stehen seit Anfang der 90er Jahre leer und verfallen allmählich. Die Besitzer der meist über 100 Jahre alten Häuser haben häufig gewechselt, sich aber offensichtlich hinsichtlich des Renovierungsbedarfs überschätzt.

Eines der bekanntesten Beispiele für eine dem Verfall überlassene Immobilie ist das Restaurant „Priboj“, einst der ganze Stolz der Sowjets. Seit beinahe 15 Jahren steht das Gebäude leer, und das trotz seiner exponierten Lage unmittelbar am Strand. Bei zahlreichen anderen Bauvorhaben wird zunächst zügig mit dem Bau begonnen, aber noch vor der Fertigstellung werden die Arbeiten eingestellt. Die Bauruinen zerstören das Stadtbild und auch den Kurort-Charakter. Den Bauvorhaben scheint überhaupt kein Konzept oder Städtebauprinzip zugrunde zu liegen Da, wo man versucht, an die deutsche Bäderarchitektur anzuknüpfen, geht die Ausführung häufig daneben. Im Zentrum wurde eine Uhr mit falscher Beschriftung aufgestellt: „Kranz“ statt „Cranz“.

Es ist völlig unverständlich, dass eine Stadt mit solch einem großen Potenzial als Wohlfühloase und Touristenattraktion, die überdies auf eine reiche Geschichte zu­rück­blicken kann, sich innerhalb von nur zwei Jahrzehnten in eine derartige Bauwüste verwandeln konnte. Auf der Suche nach einem ruhigeren Ort zur Erholung versuchen viele bereits ihr Glück auf der Kurischen Nehrung. An der Einfahrt zum Nationalpark bilden sich kilometerlange Schlangen.                     Jurij Tschernyschew


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