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30.07.11 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel / Chancen und Möglichkeiten / Wem Anders Behring Breivik ganz neue Perspektiven eröffnet hat, wie virtuos sie genutzt werden, und wieso jetzt die »Mitte« fällig ist

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-11 vom 30. Juli 2011

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Chancen und Möglichkeiten / Wem Anders Behring Breivik ganz neue Perspektiven eröffnet hat, wie virtuos sie genutzt werden, und wieso jetzt die »Mitte« fällig ist

Eigentlich sollte die Welt vereint sein in Schrecken und Abscheu vor der Tat des Anders Behring Breivik. Ja, eigentlich, aber für dieses „Eigentlich“ ist die Situation viel zu günstig, um mal ordentlich aufzuräumen mit dem politischen Gegner. Die „Taz“ hat die Gelegenheit erkannt und lässt ihrer Befriedigung in erfrischender Offenheit freien Lauf: „In dieser Zumutung liegt eine Chance für Aufklärung ... Angesichts dieser Katastrophe kristallisiert sich die Möglichkeit heraus, sich endlich von der bedrohlich mittig gewordenen Islamophobie zu distanzieren.“

Die Worte klingeln so laut in den Ohren wie ein Vierstrahl-Jet, der in zwei Metern Entfernung an einem vorbeidonnert: Viele Wörter schwirrten uns durch den Kopf nach dem Massenmord. Wörter wie Schrecken, Entsetzen, Trauer, Fassungslosigkeit zählten alle dazu. „Chance“ und „Möglichkeit“ hingegen waren nicht dabei, bis uns die „Taz“ das Tor zu dieser überraschend optimistischen Deutung der Ereignisse aufstieß. Es kommt halt immer darauf an, was man draus macht. Und wozu man imstande ist.

Breivik hat ein gigantisches Arsenal an Denunziationsmöglichkeiten hinterlassen, aus dem interessierte Kreise herausschleppen, was sie irgend tragen können. Die Internetseite der „Tagesschau“ („tagesschau.de“) setzt den Massenmörder ohne Umschweife auf den Schoß eines bekannten deutschen Politikers und Buchautoren. Dort erklärt man uns die „bekannte Argumentation von Breivik und anderen ,Islam-Kritikern‘, die nicht weniger als die Abschaffung Deutschlands (Sarrazin) oder Europas (Breivik) prophezeien“. Der Ex-SPD-Senator Thilo Sarrazin und der Massenmörder Breivik als Brüder im Geiste. Wie gesagt: Es kommt darauf an, was man draus macht. Da ist es nur konsequent, dass der „Tagesschau“-Autor gleich auch noch Rechtsradikale und die „bürgerlichen Kreise“ in Deutschland miteinander verrührt.

Und die beiden Medien waren bei weitem nicht allein: Auf der Internetplattform „Turkishpress“ werden neben Sarrazin auch der Niederländer Geert Wilders, der Autor Henryk M. Broder und die „Euterclique“ in die Breivik-Bande aufgenommen. Mit „Euterclique“ bezeichnet „Turkishpress“-Autor Ercan Tekin deutsche Frauen türkischer Herkunft wie Seyran Ates, Necla Kelek oder Güner Balci, die gelegentlich ein Haar in der multikulturellen Suppe finden und nicht alles goutieren, was in gewissen Milieus für Frauenpflichten gehalten wird.

Ein anderer Fachmann macht auf „tagesschau.de“ den Sack zu und schlägt einen riesigen Bogen von Breivik zu allen „Rechtspopulisten“ von der dänischen Volkspartei über die Schwedendemokraten, die Wahren Finnen, die Wilders-Leute, die FPÖ und die Schweizerische Volkspartei bis zur Tea-Party-Bewegung in den USA. Selbst die kleinen deutschen Gruppen „Pro Deutschland“ und „Die Freiheit“ kriegen ihren Breivik ab.

Als Experten ihrer Kunst lassen sich die Breivik-Schmeißer natürlich nicht von den störenden Einwürfen der Wissenschaft vom Kurs abbringen. Psychologen streichen heraus, dass der Norweger ein schwer gestörter Psychopath sei, der politische Thesen nur zusammengeklaubt habe, um seiner reinen Mordlust ein „legitimierendes“ Feigenblatt zu verschaffen. Das mag zwar wahr sein, aber dann wäre die Sache propagandistisch ja völlig unbrauchbar. und das wäre dann doch wirklich zu schade.

Zumal man aus der Geschichte weiß, wie gut solche Kampagnen funktionieren. Spektakuläre Attentate lassen sich herrlich nutzen zum Großreinemachen, weil nach solchen Greueltaten nur die aller Kaltblütigsten den Schneid haben, überhaupt an ausgefeilte Kampagnen zu denken. Alle anderen sitzen bleich und erschrocken in der Ecke und müssen erst einmal mit einem Sturzbach quälender Gefühle klarkommen. Daher sind sie ziemlich schutz- und ratlos und suchen händeringend nach Erklärungen für das Unbegreifliche. Das ist die Stunde der Diplomdenunzianten, um mit voller Wucht und Raffinesse loszulegen.

Obwohl – Raffinesse? Das wäre denn doch zu viel des Lobes. Eher gähnt einen die Plattheit derer an, die sich sicher sind, dass ihnen demnächst ohnehin keiner mehr zu widersprechen wagt. Und die es deshalb auch nicht stört, dass sie sich mit ihrem fadenscheinigen Gerede intellektuell lächerlich machen.

Schon ein kurzer Seitenblick legt ein Ausmaß an verlogener Oberflächlichkeit frei, das schon wieder Respekt einflößt: Dieselben, die hier wie losgelassen alles mit jedem verknüpfen, legen sogar bei international vernetzten und von Millionen Anhängern als Märtyrer umjubelten islamistischen Massenmördern erheblichen Wert darauf, dass es sich durchweg um „Einzelfälle“ handele, die in keinerlei Zusammenhang mit irgendwas stünden. Berufen sich die Terroristen auf den Dschihad, dann haben sie ihn eben missverstanden. Haben die Täter frühislamische Kampfschriften, die dazu aufrufen, Andersgläubige zu töten, so gedeutet, dass man Andersgläubige töten soll, dann haben sie die Schriften „fehlinterpretiert“. Der Psychopath Breivik hingegen hat alles absolut richtig verstanden und korrekt weitergesponnen, was Sarrazin, Broder und andere geschrieben haben. 

Moment mal: Und diesen Quatsch sollen die Leute glauben? Nein, nein, natürlich nicht.    Um die Wahrheit zu sagen: In der Praxis kommt es gar nicht darauf an, dass die Leute den Unsinn wirklich fressen. Man muss die Lüge nur laut genug hinausschreien, so laut, dass keiner mehr zu widersprechen wagt. Und dann wiederholt man sie so oft, bis sie sich ganz von selbst in „Wahrheit“ verwandelt hat. Wie wunderbar das funktioniert, ist mannigfach historisch belegt. Denken Sie an das völlig zu Unrecht lausige Ansehen der Wandalen – die ewig stinkende Frucht gekonnter römischer Kriegspropaganda.

Wer sich trotz des Geschreis zum Widerspruch aufrafft, den erklären wir heute zum „Rechtspopulisten“. Da man einer Necla Kelek oder einem deutsch-jüdischen Autor wie Henryk M. Broder schlecht Nähe zu Neonazis nachsagen kann, ist „Rechtspopulist“ zum neuen Schimpfwort Nummer eins avanciert. Seine Schwammigkeit macht es so ergiebig. „Rechts­populismus“ warf FDP-Generalsekretär Christian Lindner sogar einem knappen Drittel seiner eigenen Parteitagsdelegierten diesen Mai an den Kopf, weil sie sich Euro-skeptisch zeigten. Damit ist die Igitt-Zone mitten in die Mitte des politischen Spektrums vorgerückt. Die „Taz“-Tirade über die „bedrohliche Mittigkeit“ der Islamismuskritik deutet ebenso in diese Richtung wie die allerneueste Verortung der „bürgerlichen Kreise“ in der direkten Nachbarschaft der Rechtsradikalen.

Die norwegischen Behörden wollen den Breivik jetzt erst mal acht Wochen in Isolation halten. Glücklicherweise ist er kein  Linksterrorist, sonst hätten sich unsere Straßen bald mit Demonstranten gefüllt, die gegen die „Isolationsfolter durch das protofaschistische Osloer Regime“ aufbegehren. Dabei ist Isolation die beste Maßnahme. So kann sich der Kerl nicht länger in seiner „Berühmtheit“ suhlen, von der er ohnehin schon viel zu viel mitbekommen hat. Man stelle sich vor, welch satanische Freude ihn überkäme, wenn er mit ansehen könnte, welche Kampagnenwoge seine Schandtat im größten Land der EU ausgelöst hat?

Richtigen Neonazis ist die „dekadente Demokratie“ mit ihrer weichlichen Toleranz, ihrem Respekt vor dem Andersdenkenden und seinen Rechten abgrundtief zuwider. Sollte Breivik mit denen sympathisieren, dann kann er, was Deutschland angeht, einen großen Sieg verbuchen. Bei der Kriminalisierung eines immer größer werdenden Teils des politischen Spektrums  sind wir einen beträchtlichen Schritt vorangekommen.

Wie sagte doch gleich der Philosoph Baruch Spinoza schon im Jahre 1670: Die Tyrannei beginne dort, wo Meinungen zum Verbrechen erklärt würden.


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