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06.08.11 / Eldorado für Entdecker / Das Schloss Gusow mit seinem Museum der Brandenburg-preußischen Geschichte

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-11 vom 06. August 2011

Eldorado für Entdecker
Das Schloss Gusow mit seinem Museum der Brandenburg-preußischen Geschichte

Preußens Innenpolitik setzte auf einen starken Landadel, der seine Herrenhäuser oftmals in architektonische Kostbarkeiten verwandelte. Mit der „Wende“ begann deren Renaissance sowie die Suche nach neuen Besitzern und neuen Nutzungen. Zu den Schlössern, bei denen die Suche erfolgreich verlief, zählt Gusow. Seit 1992 gehört das Objekt einem Berliner Architekten, der sich in das Abenteuer Schlossbesitzer stürzte und dabei für eine ganz persönliche Note sorgt.

In einer wohl einmaligen Mixtur führt das „Museum der Brandenburg-preußischen Geschichte“ im Erdgeschoss von der Urzeit bis zur „Wende“. Dazwischen, im wahrsten Sinne des Wortes, verfolgen Zinnfiguren-Dioramen Preußens Geschichte bis zu Albrecht dem Bären, ab 1157 erster Markgraf von Brandenburg, zurück. Die Sammelleidenschaft des Hausherrn treibt dabei, so scheint es, kuriose Blüten. „Im Zusammenwirken mit den Zinnfirgurendioramen sind für jede Darstellung Originalexponate ausgestellt. Damit ist das Museum das einzige, welches die gesamte Brandenburgisch-preußische Geschichte auf diese Art darstellt“, ist auf einem Faltblatt zu lesen. Dadurch erhält das Sammelsurium, das sich zwischen Dingen des alltäglichen Lebens, Möbeln und Historie bewegt und dabei kaum ein Sammlungsgebiet auszulassen scheint, aus Ausstellersicht seinen Sinn. Der Besucher allerdings weiß gar nicht, wohin überall er seine Blicke lenken soll. Das Prädikat „einzigartig“ kann sich das Museum in jedem Fall auf die Fahnen schreiben: ein Dorado für Neugierige und Entdecker!

Preußens Gloria begann auf Gusow mit Generalfeldmarschall Georg Freiherr von Derfflinger, der nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges die Tochter des Hauses heiratete und das Schloss kaufte. An den damaligen Hausherrn, der mit seinem Sieg 1675 in Fehrbellin Preußens Herrscher zum Großen Kurfürsten machte, erinnert ein ganzer Raum im Inneren des Hauses, genauso wie das üppige Epitaph in der kleinen wiedererrichteten Dorfkirche.

Auf Gusow erfährt man, dass Derfflinger durch Heirat, Schenkung und Kauf bis zu seinem Tod erheblichen Besitz erworben hatte, neben den märkischen Gütern Gusow, Platkow, Wulkow und Hermersdorf unter anderem auch Land jenseits der Oder und in Ostpreußen. Und weiter, dass er als rechte Hand des Kurfürsten Kommandeur aller Festungen, Kriegsrat und Diplomat war sowie Großes beim Aufbau der brandenburgischen Armee leistete, die in seiner Zeit ihr erstes stehendes Heer erhielt. Auch wird Derfflinger die Erfindung des geschlitzten Reitermantels zugeschrieben und damit die des Fracks.

Um Derfflinger, der wohl ein echter Haudegen gewesen war, ranken sich so manche Geschichten. Nicht zuletzt erzählt man sich, dass zu DDR-Zeiten seine Gebeine an einem Baum aufgehängt worden seien und die Kinder mit seinem Schädel Fußball gespielt hätten. Möglich ist es schon. Derfflinger war in Gusow verstorben und hatte in der Familiengruft in der von ihm ausgebauten Dorfkirche seine letzte Ruhe gefunden. Heute blickt man bei dem Grab nur noch in ein leeres Loch.

„In Gusow, einem der alten Wendendörfer, erinnert alles an den alten Derfflinger“, beschrieb bereits Theodor Fontane das kleine Dorf am Rand des Oderbruchs und der Seelower Höhen. Und in seinen „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ widmet er dem Schloss und dessen früheren Besitzern sogar ein eigenes Kapitel. Den von ihm erwähnten „Tanzenden Faun“ kann man sogar wieder im Museum betrachten, so man ihn findet. Der Ort ist heute noch stolz auf den Dichter und ehrt ihn mit einer Stele unweit des Schlosses. Spielen doch bereits Teile seines ersten Romans „Vor dem Sturm“ auf Schloss Gusow.

Äußerlich hat Schloss Gusow Derfflingers Zeit weit hinter sich gelassen. Seit seinem letzten Umbau um 1870 besticht es als malerische Dreiflügelanlage im englischen Burgen- und Landhausstil. Aus der offenen Tür wehen sanfte Pianoklänge in den Innenhof. Jeden dritten Sonntag von Mai bis Oktober verwöhnt Manfred Lindenberg zwischen 14 und 17 Uhr die Besucher mit Kaffeehausmusik. Im weißen Dinnerjacket sitzt er an dem schwarzen Flügel im Gartensaal und lässt populär gebliebene Schlager erklingen. Davor biegt sich das Kuchenbüffet unter selbstgebackenen Köstlichkeiten. Serviert wird bei schönem Wetter auf der Terrasse, die einen Blick in den Park erlaubt, wo schon König Friedrich I. 1710 gejagt hat. Ein Geweih gleichen Datums im Schloss Wusterhausen soll dies bezeugen.

Genauso bunt und üppig wie die Exponate, welche die zehn Säle des Museums füllen, ist das Nutzungsangebot, mit dem Schloss Gusow um Besucher wirbt. Da findet man etwa Wochenendveranstaltungen mit Vorträgen und Rundfahrten zum Thema Preußen, Schlösser und Schriftsteller im Oderland sowie Gärten und Parks, kann sich mit Kunst, Literatur und kulinarischen Genüssen die Zeit vertreiben, „leibhaftige“ Soldaten in alten Uniformen betrachten und selber an einem historischen Ball teilnehmen, Schlosskonzerte genießen und selbstverständlich im Schlosshotel übernachten, feiern und sich trauen lassen.

Das Abenteuer Schloss Gusow setzt sich munter fort. Schließlich kann es auf bald 600 Jahre abwechslungsreiche Geschichte zurückblicken. 1336 wurde erstmals ein „Festes Haus“ am heutigen Standort erwähnt. 1648 erwarb Derfflinger die Besitzung und ließ ein Herrenhaus errichten, von dessen Aussehen es jedoch keine Überlieferungen gibt. Knapp 80 Jahre später gelangte es 1724 an Heinrich Karl von der Marwitz und wurde unter seinen Nachkommen zu einer der schönsten Barockanlagen Brandenburgs; später ließen andere es klassizistisch und dann neugotisch überformen. In der Zeit von 1943 bis 1992 schließlich hat das Schloss mehr als 30 verschiedene Nutzungen über sich ergehen lassen müssen. Man kann davon ausgehen, dass den Betreibern auch in Zukunft die Ideen nicht ausgehen und Gusow alle ihm gestellten Aufgaben weiterhin treu erfüllen wird. Helga Schnehagen


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