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13.08.11 / Chaos an deutschen Unis / Computergestützte Studienplatzvergabe ist gescheitert − Doppelter Bewerberansturm in diesem Jahr

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-11 vom 13. August 2011

Chaos an deutschen Unis
Computergestützte Studienplatzvergabe ist gescheitert − Doppelter Bewerberansturm in diesem Jahr

Für das Wintersemester 2011/2012 wollten die deutschen Universitäten die Vergabe der Studienplätze neu regeln. Weil das in Staatsbesitz befindliche IT-Unternehmen Hochschul-Informations-System GmbH (HIS) es nicht schaffte, die Schnittstellen der meist veralteten Software der Hochschulen an das neue System anzupassen, wird das zwölf Millionen Euro teure Prestigeobjekt des Bildungsministeriums um ein Jahr verschoben.

Wegen der Aussetzung von Wehrpflicht und Zivildienst wird in diesem Jahr der Bewerberansturm auf die deutschen Hochschulen laut Bildungsministerium um über 60000 zusätzliche Bewerber steigen. Eine zentrale Studienplatzvergabe sollte diesen Ansturm bewältigen helfen. „Hochschulstart.de“ heißt das Online-Portal, bei dem sich Abiturienten anmelden können, wenn sie einen Studienplatz suchen. Theoretisch jedenfalls. Denn nur wenn sie eines der „harten“ Numerus-Clausus-Fächer Medizin, Pharmazie, Tiermedizin oder Zahnmedizin studieren wollen, werden sie auf der Startseite durch ein Anmeldeprocedere gelotst. Sie können ihre Bewerbung an bis zu zwölf Universitäten gleichzeitig abschicken und ihren Wunschort an die oberste Stelle setzen. Erhalten Sie eine Zusage, verfallen automatisch alle anderen Bewerbungen. Allerdings können sie auch bei elektronischer Bewerbung nicht sichergehen, auch tatsächlich zum Semesterbeginn einen Studienplatz zu erhalten. Wer gar beabsichtigt, ein Lehramtsstudium oder ein Bachelor- oder Masterexamen anzustreben, wird erst einmal vertröstet. In einer Pressemitteilung heißt es, es seien „jedoch Probleme und Verzögerungen in Teilprojekten aufgetreten, die dazu geführt haben, dass ... eine rechtzeitige und stabile Anbindung der Hochschulen für das Wintersemester 2011/2012 nicht mehr als realisierbar angesehen wird“. Zunächst bleibt also alles beim Alten. Gut die Hälfte der 11000 Studiengänge in Deutschland ist zulassungsbeschränkt. In den einzelnen Bundesländern gelten abweichende NC-Werte, Zulassungskriterien und Fristenregelungen. Um ihre Chancen auf einen Studienplatz zu erhöhen, bewerben sich die Abiturienten, die sich für lokal zulassungsbeschränkte Fächer interessieren, bei mehreren Hochschulen direkt. Die wenigsten sagen ab, wenn sie woanders einen Studienplatz erhalten.

Für Abiturienten ist es ein Glücks­spiel mit ungewissem Ausgang und die Universitäten haben bis Semesterbeginn keine Klarheit über die tatsächliche Auslastung. Aufgrund der chaotischen Vergabe von Studienplätzen bleiben so jährlich trotz hohen Andrangs tausende Studienplätze unbesetzt. Die Universitäten führen untereinander keinen Abgleich durch. Die Folgen einer solchen Bildungspolitik zeigen sich bereits. Deutsche Studienabgänger treten im Vergleich zu anderen europäischen Ländern zu spät ins Berufsleben ein, die Wirtschaft beklagt einen zunehmenden Fachkräftemangel und zu wenig Hochschulabsolventen auf dem Arbeitsmarkt insgesamt.

Wenn Studienbewerber bis in die erste Vorlesungswoche hinein auf ihre Zusage warten müssen, ist es wegen der Anwesenheitspflicht oft zu spät, das Semester erfolgreich zu beenden. Wer es sich nicht leisten kann zu warten und sich bereits einen Job zur Überbrückung gesucht hat, wird wertvolle Zeit verlieren, die den Studienabschluss länger hinausschiebt.

Mit der elektronischen Studienvergabe sollten diese Porbleme beseitigt werden. Die eigens als Nachfolgerin der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) gegründete Stiftung für Hochschulzulassung (SfH) hat die Einführung um ein Jahr verschoben. Was war geschehen? „Hochschulstart“ wurde von der Telekom-Tochter T-Systems entwickelt, deren System in Testläufen einwandfrei funktioniert hat. Für die Anbindung der Software der Hochschulen ist die Bund und Ländern eigene Firma Hochschul-Informations-System GmbH (HIS) zuständig. Die in Hannover ansässige HIS steht im Ruf, den Anschluss an das Informationszeitalter verpasst zu haben. Seit 30 Jahren versorgt sie Hochschulen mit Verwaltungssoftware. Abstürze und Pannen sollen an der Tagesordnung sein.

Für die SfH und Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) ist das Versagen des Systems ein Debakel. Das Prestigeobjekt hat bereits 15 Millionen Euro Steuergelder verschlungen. Für zusätzliche Entwicklungskosten hat die HIS noch einmal zwei Millionen Euro beantragt. IBM und das Hamburger Software-Unternehmen „Datenlotsen“ hatten Angebote für die Anbindung der Uni-Software abgegeben. Doch die Privaten waren den Verantwortlichen zu teuer. Die Zeche für das Scheitern der Reform werden die Länder zahlen müssen, denn der Bund wird sich nach Auslaufen der Anschubfinanzierung aus dem Projekt zurückziehen. Nachdem die Stiftung die Vergabe der Bachelorstudiengänge aus ihrem System genommen hat, sind mehrere Bundesländer bereits aus dem Verfahren ausgestiegen. Es ist fraglich, ob das System überhaupt noch eine Chance hat.

Die Hauptleidtragenden dieses Totalversagens von Hochschulleitungen und Politik bleiben allerdings die Studenten: Sie werden sich weiter in überfüllten Hörsälen und Seminaren tummeln müssen, weil sie die Chance auf einen Studienplatz andernorts verpasst haben.       Manuela Rosenthal-Kappi


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