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13.08.11 / Kraftmeierei am Seligersee / Putin streichelt nationale Seele – Thementest für den Wahlkampf

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-11 vom 13. August 2011

Kraftmeierei am Seligersee
Putin streichelt nationale Seele – Thementest für den Wahlkampf

Die russischen Wahlen zur Duma am 4. Dezember rücken näher, und der russische Premierminister Wladimir Putin gerät innenpolitisch unter Druck. Putin ist Vorsitzender der Kreml-Partei „Einiges Russland“ –wenn auch ohne deren Mitglied zu sein – und diese verliert in den Umfragen rapide an Zustimmung. Das muss auch Russlands ehemaligen Präsidenten beunruhigen, dessen Ambitionen auf das Amt des Staatsoberhauptes unverkennbar sind, obgleich Putin offiziell noch nicht entschieden hat, ob er im kommenden Frühjahr noch einmal antreten will.

Dann sind Präsidentschaftswahlen und Amtsinhaber Dmitrij Medwedjew, der ganz offenbar Geschmack an der Macht gefunden hat, ist nicht gewillt, für seinen Ziehvater einfach das Feld zu räumen. Beide trennen unterschiedliche staats- und gesellschaftspolitische Vorstellungen: Der vergleichsweise liberale Medwedjew prangert die Zustände im Lande an, beschwört allenthalben die Notwendigkeit tiefgreifender Reformen und möchte das Riesenreich innerlich erneuern – wenigstens er­weckt er diesen Eindruck – und spricht damit die „Westler“ unter der russischen Intelligenzija an. Zudem hat er einen besseren Draht zum politischen Westen. Als erster ausländischer Staatsmann gratulierte er dem US-Präsidenten, der am Donnerstag vergangener Woche seinen fünfzigsten Geburtstag feierte.

Putin richtet sich an konservative, national gesinnte Bürger und steht in der Tradition der allrussischen Slawophilen. Seine politischen Rezepte wie seine Stilmittel sind äußere Stärke und verbale Kraftmeierei: Unvergessen die Bilder, die Putin mit nacktem Oberkörper beim Angeln in der Wildnis zeigen, den sonnenbrillenverspiegelten Blick in die Ferne gerichtet.

Mit seinen Äußerungen auf einem Ferienlager kremltreuer Jugendlicher hat Putin seinem Image als starker Mann wieder alle Ehre gemacht. Den Zusammenschluss der Russischen Föderation mit der unabhängigen Republik Belarus und die Rückkehr zu einer Einheit nach Sowjet-Vorbild nannte der Premier „möglich und sehr wünschenswert“. Immerhin konzedierte er bei dem Treffen mit der Kaderreserve am Seligersee rund 400 Kilometer nordwestlich von Mos­kau, ein solcher Schritt hänge „gänzlich vom Willen des weißrussischen Volkes ab“. Putin, der sich bei dem Versuch ablichten ließ, eine Bratpfanne mit bloßen Händen zusammenzudrücken, schloss auch einen möglichen Anschluss der von Georgien abtrünnigen Region Südossetien nicht aus und warf den USA „Finanzparasitentum“ vor. Die Herzen von Patrioten und Sowjetnostalgikern dürfte es gewärmt haben.

Der Osteuropaexperte Eberhard Schneider vom EU-Russia Centre in Brüssel vermutet den Wahlkampf hinter Putins Worten – und ein Manöver gegen Medwedjew. Putins „Ziel ist, dass bei der Staatsdumawahl am 4. Dezember ‚Einiges Russland‘ so viele Stimmen bekommt, dass die Abgeordneten in der Duma die Zweidrittelmehrheit haben“, so der Russlandkenner. Damit könnten sie die Verfassung ändern und ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten einleiten. Aus Minsk kam hingegen postwendend ein „Njet“. Ein Sprecher des Außenministeriums der früheren Sowjetrepublik verwies auf die Position von Staatschef Alexander Lukaschenko, dem die Unabhängigkeit Weißrussland als „heilige Sache“ gelte. Vertreter der ohnehin national eingestellten Opposition verwahrten sich ebenso gegen russische Vereinnahmungsversuche.    Christian Rudolf


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