29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
13.08.11 / Der Staat ist nicht dein Freund / Warum Sparer und verschuldete Regierungen entgegengesetzte Interessen verfolgen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-11 vom 13. August 2011

Der Staat ist nicht dein Freund
Warum Sparer und verschuldete Regierungen entgegengesetzte Interessen verfolgen

Den großen Auftritt von Kanzlerin Angela Merkel und ihrem damaligen sozialdemokratischen Finanzminister Peer Steinbrück im Herbst 2008 hat niemand vergessen: Die Bundesregierung stehe für die Sparguthaben aller Deutschen in voller Höhe ein, niemand müsse sich davor ängstigen, sein Geld zu verlieren.

Der Auftritt hatte Erfolg: Der befürchtete Ansturm auf die Banken blieb aus. Wären die Deutschen tatsächlich losgerannt, um ihre Konten abzuräumen, wäre das Bankensystem über Nacht kollabiert.

Dabei war das Versprechen ein gigantischer Bluff: Anfang 2011 gab Steinbrück zu, dass er bis heute nicht wisse, auf welcher rechtlichen Grundlage die Kanzlerin und er 2008 eigentlich gehandelt hätten. Und die finanziellen Mittel, sämtliche Sparguthaben der Deutschen zu erstatten, hatte Berlin weder damals noch sonst irgendwann. Dennoch blieb die Botschaft hängen: Die Regierung stellt sich schützend vor die Bürger, die Opfer skruppelloser „Spekulanten“ zu werden drohten.

Nun ist die Verunsicherung von 2008 zurückgekehrt, Beobachter sprechen bereits von „Panik“. Und wieder präsentieren sich die Regierungen als Beschützer der kleinen Leute, der Sparer zumal. Doch heute, nach drei Jahren, in denen eine ganze Palette rechtskräftiger Verträge im und zum Euro-Raum von der Politik verletzt und fundamentale Versprechen gebrochen wurden, fände ein neuerliches Versprechen à la 2008 wohl kaum noch die gleiche warme Aufnahme im Volk wie seinerzeit.

Das gewachsene Misstrauen wird beflügelt durch eine grundlegende Frage: Stimmt es überhaupt, dass verschuldete Staaten und sparende Bürger wirklich in einem Boot sitzen, dass sie die gleichen Interessen verfolgen?

Einerseits schon: Beide haben ein Interesse an einer gut laufenden Wirtschaft. Der Staat, weil er dann mehr Steuern einnehmen kann und die Altschulden im Verhältnis zu einem wachsenden Bruttoinlandsprodukt an Gewicht verlieren (Schuldenquote gemessen am Bruttoinlandsprodukt). Die Bürger, weil eine gute Konjunktur mehr Arbeit und höhere Löhne in Aussicht stellt.

Hier endet aber auch schon die Übereinstimmung. Tief in den roten Zahlen, muss dem Staat daran gelegen sein, seine Last zu verringern. Ab einer bestimmten Schuldenhöhe ist es jedoch kaum mehr möglich, diese Last allein durch Einnahmeerhöhungen oder Ausgabenkürzungen abzubauen. In dieser Dimension sind nahezu alle westlichen Länder gelandet.

Hier kann es dem Staat nur noch darum gehen, den realen Wert seiner Schulden zu reduzieren. Dies geschieht durch Geldentwertung. Dabei ist nicht allein die nackte Inflationsrate entscheidend, sondern das Verhältnis von Inflationsrate und Zinsniveau, der sogenannte „Realzins“. Ist die Inflationsrate höher als der Zins, den der Staat für seine Schulden zahlen muss, schrumpft der reale Wert der Schulden mit der Zeit ganz von selbst.

Erstmals seit 50 Jahren, so gaben die Statistiker jetzt bekannt, wurde in Deutschland dieser Zustand erreicht: Berlin zahlt für seine auf zehn Jahre laufenden Schuldpapiere weniger als die Inflationsrate.

Was für den verschuldeten Staat jedoch Entlastung bedeutet, heißt für den sparenden Bürger schleichende Enteignung. Der Begriff des Sparers ist dabei weit zu fassen: Es geht um Inhaber gewöhnlicher Sparkonten ebenso wie die von Lebensversicherungen oder Bausparverträgen, von Betriebs- und Riesterrenten. Überall spüren die Bürger, wie ihre Erträge auf real nahezu null und bald vielleicht sogar darunter fallen.

Einst hatten sie in solchen Lagen einen mächtigen Schutzherrn, der sich der schleichenden Enteignung durch den Schuldenstaat entgegenstellte: die Bundesbank. Im Falle von Inflation setzte sie die Zinsen herauf. Das hatte zweierlei zur Folge: Die Leute legten ihr Geld wegen lukrativer Renditen vermehrt zurück, was die Währung stabilisierte und die Inflation wieder dämpfte. Und solange die Inflation anhielt, konnte sie den Sparern nichts anhaben, weil der Zins immer höher war als die Inflation, womit der wahre Wert ihres Guthabens erhalten blieb.

Die Bundesbank war allein der Aufrechterhaltung der Geldwertstabilität verpflichtet, mit den Folgen seines Finanzgebahrens muss­te der Staat allein klarkommen. So kümmerte es die Bundesbank nicht, als sie Anfang der 80er-Jahre die ohnehin gewaltigen Finanzprobleme der untergehenden SPD/FDP-Koalition noch dadurch verschärfte, dass sie den Leitzinssatz kräftig nach oben setzte: Die Inflation war in Folge des zweiten Ölpreisschocks 1980 in die Höhe geschnellt, die Menschen flüchteten (wie heute) massenhaft weg vom Papiergeld ins Gold. Um die Stabilität des Geldes und der Guthaben der Deutschen zu sichern, tat die Bundesbank daher das, was nötig war: Zinsen kräftig rauf.

Ganz anders heute: Der EZB-Leitzinssatz ist (auch aus Rück­sicht auf die schwächelnden Randländer des Euro) viel zu niedrig für die Inflation in Deutschland. Zudem gefährdet die EZB die Geldwertstabilität noch dadurch, dass sie Anleihen von Schuldenstaaten zu Dumpingzinsen aufkauft, also weit weniger Zinsen für die Anleihen verlangt, als es laut Markt eigentlich angezeigt wäre. Damit schöpft die EZB Geld aus dem Nichts ohne entsprechenden realen Gegenwert – ein sicherer Antreiber von Inflation.

EZB-Präsident Jean-Claude Trichet versucht dem Publikum derweil weiszumachen, dass er die Interessen beider Seiten gleichermaßen vertritt: Er helfe den Staaten bei der Bewältigung ihrer Schuldenmisere und halte dennoch den Euro im Interesse der Sparer „hart wie die Mark“. Er tritt damit auf wie ein Anwalt, der schwört, die Interessen zweier streitender Parteien vor Gericht gleichzeitig zu vertreten.

In so einer Konstellation ist eine der Parteien notwendigerweise die Betrogene. In einem Rechtsstaat wird dies daher als „Parteiverrat“ verurteilt und streng bestraft. Angesichts der Euro-Schuldenkrise aber sollen die Bürger dies für verantwortliches Handeln zu ihrem eigenen Besten halten.

Trichet behauptet tatsächlich nach wie vor, dass die direkte Subventionierung von Schuldenstaaten durch „Gelddrucken“ (nach Griechenland, Portugal und Irland kommen ab sofort auch die Schwergewichte Italien und Spanien in diesen Genuss) keine negativen Auswirkungen auf die Werthaltigkeit von Sparergeld entfaltet. Kaum zu glauben, dass der Franzose das ernst meint. Doch wie sagte der Chef der Euro-Gruppe, der luxemburgische Ministerpräsident Jean-Claude Juncker: „Wenn es ernst wird, müssen wir eben lügen.“             Hans Heckel


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren