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13.08.11 / Warum Friedrich wirklich »der Große« war / Zum 225. Todestag des bedeutendsten preußischen Herrschers

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-11 vom 13. August 2011

Warum Friedrich wirklich »der Große« war
Zum 225. Todestag des bedeutendsten preußischen Herrschers

Er war der „König der kleinen Leute“, und auch deshalb war er wahrhaftig „der Große“: Fried­rich II., der bedeutendste Herrscher Preußens und darüber hinaus einer der ganz Großen der deutschen, europäischen und Welt-Geschichte.

Als der 28-jährige Kronprinz Friedrich 1740, nach dem Tode seines Vaters Friedrich Wilhelm I. zu Berlin den Thron bestieg, war das Königreich Preußen gerade einmal vier Jahrzehnte jung. Es galt als aufstrebend, aber längst noch nicht angekommen im Konzert der europäischen Großmächte. Und die Chancen, an diesem aus preußischer Sicht bedauerlichen Zustand alsbald etwas zu ändern, standen schlecht. Der junge Monarch schien eher den schönen Künsten denn der Kunst des Regierens zugetan; man traute ihm nicht zu, das Land entscheidend nach vorn bringen zu können. Zumal sich rund um das territorial zerstückelte Brandenburg-Preußen machtbewusste absolutistische Herrschaftssysteme etabliert hatten, die mit aller – notfalls auch militärischer – Gewalt die eigenen nationalen Interessen durchzusetzen trachteten.

Wie sollte sich in solchem politischem Umfeld ein junger Mann behaupten, der offenkundig unter den Folgen allzu strenger Erziehung litt, in vom Vater erzwungener kinderloser Formal-Ehe lebte, ordentlich Flöte spielen und komponieren konnte, mit allerlei Künstlern korrespondierte und politisch allenfalls durch eine Schrift auf sich aufmerksam gemacht hatte, die dem damaligen Zeitgeist weltfremd bis revolutionär erschien, von den weitaus meisten seiner nunmehrigen Untertanen aber gar nicht wahrgenommen wurde, da sie weder des Lesens noch der französischen Sprache mächtig waren.

Erst viel später wurde erkannt, dass genau hier der Schlüssel zum überaus erfolgreichen Lebenswerk Friedrichs zu finden ist. Die strenge, auch vor psychischer und physischer Gewalt nicht zurückschreckende väterliche Erziehung hatte die Persönlichkeit des Kronprinzen eben nicht gebrochen, sondern gestärkt – ein psychologisch höchst interessantes Phänomen (siehe unten).

Und das ausgeprägte, so breit gefächerte künstlerische Talent Friedrichs war eben keine Marotte eines vor dem „Ernst des Lebens“ Flüchtenden, sondern das geistig-intellektuelle Fundament: Nicht obwohl, sondern weil Fried­rich ein großartiger Musiker, Dichter und Denker war, konnte er auch als Politiker „der Große“ werden.

In seiner Schrift „Antimacchiavell“, einer Art Tugendkatalog eines Idealmonarchen im Sinne der Aufklärung, hatte Friedrich 1739 das Bild des Herrschers als „erster Diener des Staates“ gezeichnet. Im Jahr darauf, unmittelbar nach der Thronbesteigung am 31. Mai 1740, begann er zügig, dieses Prinzip umzusetzen. Schon am 3. Juni beauftragte er seinen Justizminister mit der teilweisen Abschaffung der Folter, der dann 1754 die vollständige Abschaffung folgte. Ebenfalls im ersten Monat seiner Regentschaft verfügte er mit dem legendären Satz „Jeder soll nach seiner Façon selig werden“ die Religionsfreiheit. Ein erster Schritt in Richtung Pressefreiheit war seine Verfügung vom 30. Juni 1740: „Gazetten, wenn sie interessant sein sollen, dürfen nicht genieret werden.“

Preußische Tugenden hingegen wurden vom jungen König nicht per Dekret verfügt, sondern vorgelebt. Sparsamkeit und Bescheidenheit fingen bei ihm selber an. So verzichtete er, wie zuvor auch sein Vater, auf eine förmliche Krönung samt ausschweifender Feierlichkeiten und ließ stattdessen aus den königlichen Magazinen Korn an Bedürftige verteilen.

Kriege führte er nicht – wie antipreußische Umerzieher später behaupteten – aus Aggressivität und Eroberungsgier, sondern nur, wenn er glaubte, nur so das Land und die ihm anvertrauten Menschen vor äußeren Bedrohungen schützen zu können. 30 Jahre nach dem „Antimacchiavell“ schrieb er in seinem zweiten politischen Testament: „Wer bewirkt, dass dort, wo bisher ein Halm wuchs, nunmehr zwei Halme wachsen, der hat für sein Volk mehr getan als ein Feldherr, der eine Schlacht gewann.“ In diesem Satz offenbart sich ein weiterer Wesenszug, der Friedrich zum „Großen“ machte. Glaubwürdig vermittelte er seinem Volk: Dieser König kümmert sich persönlich um uns, um unsere Sorgen und Nöte.

Friedrich war ein für die damalige Zeit, die weder Flugzeuge noch Autos oder Eisenbahn kannte, außerordentlich reisefreudiger Monarch. Aber das waren keine Luxusreisen, sondern höchst strapaziöse Erkundungen des eigenen Herrschaftsbereiches. Wo immer in Preußen hart gearbeitet wurde, musste jederzeit damit gerechnet werden, dass unvermittelt Seine Majestät auftaucht, um nach dem Rechten zu sehen, wozu auch die berechtigten Ansprüche der arbeitenden Menschen gehörten. Er verschanzte sich nicht hinter einer anonymen Ministerialbürokratie, sondern informierte sich selber vor Ort über die Arbeitsbedingungen in Webereien, Eisenhütten, Glasbläsereien, Ziegeleien oder landwirtschaftlichen Betrieben. Bauern überraschte er mit detaillierten Anweisungen, wie am effektivsten Kartoffeln anzubauen sein. Die Trockenlegung des Oderbruchs, eine seiner vielen großen Lebensleistungen, gestaltete er aktiv mit.

Manchmal freilich verwickelte sein Bestreben, sich zu Gunsten seiner Untertanen auch in die alltäglichsten Dinge einzumischen, ihn auch in Widersprüche. So lag ihm einerseits die Unabhängigkeit der Justiz am Herzen, andererseits griff er kraft Amtes in laufende Gerichtsverfahren ein, wenn er das Gefühl hatte, da geschehe einem Bürger Unrecht. Dass er gelegentlich – auch in spektakulären Fällen – kräftig danebengriff und am Ende die vom König gerüffelten Richter diejenigen waren, denen Unrecht geschah, ändert nichts am Bild dieses großen Monarchen. Im Gegenteil: Friedrich sah sich selber keineswegs als unfehlbar, war sich stets seiner Schwächen und Fehler bewusst. In einem Brief an seine Schwester Amalie bekannte er: „Ich demütige mich schweigend vor diesem anbetungswürdigen Wesen, indem ich meine Unwissenheit über seine Wege bekenne, die mir zu enthüllen Seiner Weisheit nicht gefallen hat.“ Der ewig in Demut vor Gott und in pflichtbewusstem Dienst an Volk und Vaterland nach dem rechten Weg Suchende – das ist Friedrichs wahre Größe.

In unserer Geschichte gibt es nur ganz wenige, die den Beinamen „der Große“ führten – und auch verdienten. Vor zwölf Jahrhunderten war es Karl der Große, der „Vater Europas“, der große Teile des Kontinents politisch einte und noch heute Menschen, die an Brüssel-EU samt Euro schier verzweifeln, ins Schwärmen geraten lässt. Da war, vor einem guten Jahrtausend, Otto der Große, mit dem die deutsche Geschichte im engeren Sinne begann. Und dann eben, geboren vor fast 300 Jahren, gestorben vor 225 Jahren, Friedrich der Große, dessen Leistung weit über die Festigung Preußens als europäische Großmacht hinausgeht: Er hat dem damals weltbeherrschenden despotischen Absolutismus einen von Menschlichkeit, Gottvertrauen und Aufklärung im Kant’schen Sinne – „Freiheit in Verantwortung“ – bestimmten Gegenentwurf entgegengesetzt und in 46-jähriger Regentschaft – davon 35 Friedens- und nur elf Kriegsjahre, dies zum Thema „preußischer Militarismus“ – nachgewiesen, dass dies der richtige Weg ist. Religionsfreiheit, für alle gleich geltendes Recht, allgemeine Schulpflicht, Folter- und Zensurverbot, soziale Fürsorge sowie nicht zuletzt das Verständnis der Herrschenden als „erste Diener des Volkes“ – all diese Errungenschaften, die heute gern der Demokratie zugeschrieben werden, haben wir zu guten Teilen Friedrich II. zu verdanken – zu Recht heißt er bis heute Friedrich der Große.         Hans-Jürgen Mahlitz


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