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13.08.11 / Auf der Suche nach Perspektiven / Nachfolger von »Strategien 2020« ließ durchblicken, wie sich Königsbergs Funktionselite die Zukunft vorstellt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-11 vom 13. August 2011

Auf der Suche nach Perspektiven
Nachfolger von »Strategien 2020« ließ durchblicken, wie sich Königsbergs Funktionselite die Zukunft vorstellt

In Königsberg wurde ein Forum zur Erörterung der „Perspektiven der Entwicklung des Königsberger Gebietes“ durchgeführt. Die Idee hierfür entstand im Anschluss an das im Februar durchgeführte Forum „Strategien 2020“. Man war zu dem Schluss gekommen, dass ein Diskussionsforum unter Beteiligung der breiten Öffentlichkeit nützlich sein könnte. Anstehende Probleme und Zukunftspläne sollten offen zur Sprache kommen. Gouverneur Nikolaj Zukanow gab den beteiligten Ministerien der Regionalregierung drei Monate Zeit, sich auf das Forum vorzubereiten.

Ziel des Forums ist, die Kräfte für die Entwicklung der Königsberger Exklave zu bündeln. Zukanow sieht das Forum als Start einer Zusammenarbeit von Vertretern gesellschaftlicher Organisationen und aller politischen Parteien, von Geschäftsleuten wie Wissenschaftlern, deren gemeinsame Aufgabe die Erarbeitung von Entwicklungsprogrammen ist. Der Gouverneur sagte: „Ich bin überzeugt, dass die Diskussion fruchtbar wird, und die erarbeiteten Empfehlungen bei der Entwick­lung unserer Region berücksichtigt werden.“

Die zirka 500 Teilnehmer wurden in vier Arbeitsgruppen aufgeteilt. Die Experten beschäftigten sich mit den Themenkomplexen: „Entwicklung des transport-logistischen Komplexes und des Transitpotenzials des Königsberger Gebietes“, „Entwicklung der Industrie“, „Entwicklung des Königsberger Gebietes als touristisches Zentrum“, „Entwicklung des Agrar-Komplexes“ sowie „Rolle und Stellung der politischen Elite und der bürgerlichen Gesellschaft bei der beständigen Entwicklung der Region“.

Wirtschaftsministerin Jelena Poschigajlo erläuterte verschiedene Strategien für das Königsberger Gebiet. Zur Zeit sei kein offizieller Weg erkennbar. Es sei zwar damit zu rechnen gewesen, dass die „Sonderwirtschaftszone“ in Richtung der europäischen Märkte expandieren würde, doch de facto sei es in den vergangenen Jahren beim Status quo geblieben. Diese Variante schließe den langjährigen Erhalt der Sonderwirtschaftszone und somit der Günstlingspolitik ein.

Die Bestimmungen des Gesetzes über die Sonderwirtschaftszone laufen 2016 aus, deshalb ist das regionale Forum der Platz für die Erörterung der Weiterentwicklung der Region, wenn viele Zollprivilegien nicht mehr existieren.

Bei der Erörterung der Lage der Landwirtschaft konnten die Teilnehmer sowohl ein großes ungenutztes Potenzial entdecken als auch ernste Probleme. Große landwirtschaftliche Flächen liegen brach und schon am 1. Juli kommenden Jahres läuft die Vereinbarung über Zollermäßigungen für die Ausfuhr von im Königsberger Gebiet gezüchteten Landwirtschaftsprodukten aus.

Die ehemalige Wirtschaftsministerin der Regionalregierung Alexandra Smirnowa gab zu bedenken, dass es für die Exklave ohnehin schwer sei, ihre Produkte in andere Regionen der Russischen Föderation auszuführen. Deshalb müsse sie autonom werden und einen kleinen Binnenmarkt schaffen oder eben gar nichts herstellen. Schließlich sei das Königsberger Gebiet „ein ausländisches Territorium mit allen sich daraus ergebenden Folgen“. Die Ex-Wirtschaftsministerin illustrierte dies an einem Beispiel: Die Transportkosten für Fahrzeugteile aus Südkorea zur Autofabrik „Avtotor“ belaufen sich auf 500 Euro und der Transport eines fertigen Autos nach Moskau auf 300 Euro. Das bedeutet, „wenn man den Unterschied in der Entfernung berücksichtigt, dann ist die wirtschaftliche und die Zollbarriere bei uns niedriger als mit Russland“.

Hitzige Diskussionen entwickelten sich bei der Gruppe, die sich mit dem Thema Tourismus beschäftigte. Alexander Baschin, Leiter der Architektur- und Städtebauagentur der regionalen Regierung, sorgte mit seinen Vorschlägen und Ideen einmal wieder für Aufregung. Für die Kurorte Cranz und Rauschen schlug er zusätzliche Unterhaltungszentren vor. Für Cranz hat er schon das Projekt „Windrose“ in petto, das den Bau von Hotels entlang der Uferpromenade beinhaltet. Auch ein Wassersportzentrum könne Touristen anlocken. Außerdem schlug er ein Kriegsmuseum vor, weil die Geschichte der Region eng mit den Kriegen verbunden ist.

Der Duma-Abgeordnete Alexander Musewitsch lobte Königsberg als Einkaufsparadies. Entsprechende Einkaufstouren ließen sich wunderbar mit Festivalbesuchen in der Region verbinden. Der wachsenden Zahl von Handelszentren, vor allem in der Gebietshauptstadt, standen die übrigen Teilnehmer jedoch kritisch gegenüber. Der Präsident der Assoziation der ausländischen Investoren im Königsberger Gebiet, Stefano Wlachowitsch, bemerkte, dass „die Leute nicht nach Königsberg kommen werden, nur um das Bernsteinmuseum zu besichtigen. Noch ist der Tourismus im Gebiet eine Beilage und es gibt noch kein Hauptgericht.“           J.T.


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