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13.08.11 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-11 vom 13. August 2011

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,
liebe Familienfreunde,

da muss ich wieder mit einem Wort beginnen, das ich tunlichst vermeiden wollte, mit „eigentlich“. Denn es bedeutet immer, dass etwas anderes geplant war als vorgesehen. So ist es auch diesmal: „Eigentlich“ wollte ich heute auf die positiven Zuschriften eingehen, die zu unseren veröffentlichten Wünschen und Fragen eintrafen, aber wenn neue Suchfragen gestellt werden, haben diese Priorität, weil hier der Faktor Zeit eine Rolle spielt. Ein Wort ist übrigens in unserem Familienvokabular nicht vorhanden: Es ist das „Sommerloch“. Keine Spur davon, im Gegenteil, der Familienkrepsch ist randvoll. Und ich muss tief hineingreifen, um die Anliegen zu berücksichtigen, die schon etwas länger auf eine Antwort – entweder direkt oder als Veröffentlichung in unserer Kolumne – warten.

„Für meine Mutter wäre es ein schönes Geschenk, wenn ich ihren Cousin oder ihre Cousine ausfindig machen könnte“, schreibt Frau Sabine Kerk aus Rheine. Wir werden versuchen, ihr dabei zu helfen – wieder einmal als letzte Möglichkeit, um überhaupt noch etwas über die letzten noch lebenden Verwandten zu erfahren. Die Mutter von Frau Kerk, Marianne Schulz geborene Klinger, flüchtete mit ihrer Mutter Lucie Klinger und zwei Schwestern von Königsberg über See nach Dänemark. Lucie Klinger geborene Klein hatte zwei verwitwete Schwestern, denen die Flucht ebenfalls gelang. Aber von ihrem Bruder Klaus Klein hatte niemand etwas gehört. Erst sehr viel später hat Frau Kerk über die Deutsche Dienststelle (WASt) für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen der ehemaligen deutschen Wehrmacht erfahren, dass Walter Klein bereits 1946 im Kriegsgefangenenlager Frankfurt an der Oder verstorben war. Er hinterließ seine Witwe Frieda Klein geborene Bartsch, *9. Dezember 1912 in Rastenburg, und zwei Kinder, Elli, *2. März 1939 in Berlin, und Günter, *18. April 1943 in Königsberg. Um „Frieda und ihre Kinder“ hatte sich Lucie Klinger große Sorgen gemacht, wie die Eintragungen in ihrem Tagebuch beweisen, dass sie in dänischer Lagerhaft führte. In der Auskunft der WASt befand sich der Vermerk, dass die damalige Anschrift seiner Witwe Drechow, Kreis Franzburg über Stralsund war. Frau Kerk schrieb daraufhin die Archive Landkreis Vorpommern und Rügen an und bekam die Auskunft, dass Frieda Klein mit ihren Kindern Elli und Günter von 1952 bis 1957 in Göhren, Thiessower Straße bei Strübing, gewohnt habe. Von da an gibt es keine Einträge mehr, also „unbekannt verzogen“. Vermutlich ist Frieda Klein in der damaligen Ostzone geblieben, vielleicht hat sie noch einmal geheiratet und trug dann einen anderen Namen. Das dürfte auch für die Tochter Elli zutreffen. Sie wie ihr heute 68-jähriger Bruder Günter Klein werden nun von Frau Kerk gesucht und wir hoffen, dass ihre nun 70-jährige Mutter endlich ein Lebenszeichen von ihren wahrscheinlich einzigen noch lebenden Verwandten bekommt oder wenigstens erfährt, was aus den Hinterbliebenen ihres Onkels Klaus geworden ist. (Sabine Kerk, Spiekstraße 46 in 48432 Rheine, Telefon 05917/84205, E-Mail: s.kerk@gmx.de)

Knapp und kurz ist die Suchfrage von Frau Grit Vorsatz gehalten, die sie beim Erfurter Treffen in unseren Familienbriefkasten gelegt hatte. Sie betrifft ein damals sechsjähriges Mädchen, das sich beim Einmarsch der Russen 1944/45 im Kinderheim Hepatha in Hensken, Kreis Schlossberg aufgehalten hat. Es handelt sich um die am 5. April 1939 geborene Christel Schweitzer aus Marderfelde, einem kleinen Ort im Kreis Schlossberg/Pillkallen. Auch weitere Angehörige der Familie Schweitzer werden gesucht. Vielleicht können auch ehemalige Nachbarn oder Fluchtgefährten Auskunft geben, ob die Familie aus Marderfelde geflüchtet ist und wohin. Und was wurde aus dem unweit von Schlossberg gelegenen Kinderheim in Hensken? Wurden die Kinder evakuiert und wohin? Sicherlich wird Frau Vorsatz auf Antworten aus unserem Leserkreis hoffen können. (Grit Vorsatz, Friedebacher Straße 32 in 07387 Rockendorf, Telefon 03467/422615)

Die längste Wartezeit hat das sehr ausführliche und sehr komplizierte Schreiben von Herrn Hans-Gerd Meyer aus München hinter sich und diese Attribute besagen schon, warum. Unser Landsmann gesteht selber am Schluss seines Elaborats, das vier eng beschriebene Seiten umfasst: Das war wohl ein bisschen viel! Wem das Herz voll ist, dem läuft eben der Mund über und in diesem Fall ist es die Feder. Da aber sein Schreiben an die „gesamte ostpreußische Familie“ gerichtet ist, will ich wenigstens die ersten beiden Fragen, wenn auch stark komprimiert, an diese weiterleiten. Also da schreibt Herr Meyer über seine Familienforschung in eigener Sache:

„Es geht bei mir um die Salzburger Lackner, die aber aus dem Gasteiner Tal kamen. Diese Namensträger schauten sich im Lande um und in meinem Fall traf der Lack­ner auf eine Titzin und ehelichte diese im Jahr 1809. Jedes Wochen­ende studiere ich den Geburtstagskalender im Ostpreußenblatt und finde kürzlich einen ,Titz‘. Dem musste ich selbstverständlich gratulieren. Einige Tage später erhalte ich einen Anruf aus Vancouver, Kanada, ein 20-minütiges Gespräch, das mich – Nachfahre der Carolina Friederica Titz – sehr erfreute. Nach dieser forsche ich, ich habe schon ein ganzes Bündel ,Titz‘-Kopien vorliegen und so an die 30 Urkunden leserlich gemacht, obgleich ich ja nur die der Caroline benötigte. Wenn jemand mal was in ,Sachen Titz‘ sucht, kann er sich an mich wenden! Beginnen wir mit der Geburtsurkunde von Loysa Titz, die nach einem Auszug aus dem Taufregister Pr. Eylau von 1758 als Tochter von Johan Titz, Schultz zu Loschen, und der Regina Preußin geboren wurde. Hier meine erste Bitte an die ostpreußische Familie: Besitzt jemand noch eine alte Landkarte aus dem Kreis Pr. Eylau, in der Loschen eingetragen ist? Ich möchte diese Karte so gerne in meine Chronik Lackner-Titz einfügen. Unter den in diesem Register enthaltenen Urkunden entdeckte ich dann etwas scheinbar ,Unzüchtiges‘: Die Taufe eines Mädchens auf den Namen Regina, als dessen Vater ,Scortator Titz, Bäckermeister allhier‘ und als Mutter ‚Scotatrix Dor. Sommer von der Freiheit‘ eingetragen ist. Darunter der Satz: ,… zum 2.ten Mal gefallen.‘ Liebe ostpreußische Familie, das ist nun meine zweite Bitte an Euch! Mir ist noch nie eine derartige Urkunde untergekommen, an der ich so zweifele, ob ich sie richtig entziffert habe. Seht doch bitte in den eigenen Unterlagen nach, ob es Vergleichbares gibt.“

Soweit die Fragen von Herrn Meyer an unsere Leser in Kurzform. Leider können wir die Kopie der Urkunde, die Herr Meyer uns übersandt hat, nicht veröffentlichen, sie wäre unleserlich. Er selber hat ja schon Schwierigkeiten, die alte Schrift zu entziffern und zweifelt auch an manchen Deutungen, wie er weiterhin berichtet und wozu er mehrere, zum Teil brisante Beispiele aufführt oder anklingen lässt. Wie gesagt, es ist ein sehr langes Schreiben, so müssen für heute diese Angaben über die „zweimal gefallene“ Dor. Sommer aus Pr. Eylau genügen. Sicherlich wird unser Landsmann Zuschriften aus unserem Leserkreis bekommen, die sich mit diesen oder ähnlichen alten Dokumenten befassen. (Hans-Gerd Meyer, Hälblingweg 6 in 81825 München, Telefon/Telefax 089/423522)

Leichter zu lesen sind die Kopien der Dokumente, die uns Herr Dietrich Peylo aus Oberstenfeld zugesandt hat, obgleich auch sie zum Teil in deutscher Schrift gehalten sind, aber mit der bin ich ja seit Fibeltagen vertraut. Als Herr Peylo kürzlich in seinem Geburtsort Arys weilte, wurden sie ihm von dem Leiter eines Kulturvereines, Herrn Marusinski, mit der Bitte übergeben, die Familie ausfindig zu machen, zu der diese Papiere gehören. Herr Peylo hat bisher leider vergeblich nach dieser gesucht, die Namen, die er telefonisch ausfindig machte, waren zwar mit denen auf den Urkunden identisch, es gab aber keinen familiären Zusammenhang. Auch ehemalige Bewohner von Arys konnten ihm nicht helfen, was auch verständlich ist, denn derjenige, der diese Dokumente dort versteckte, stammte wahrscheinlich nicht aus Arys. Warum er sie ausgerechnet dort deponiert hat, ist ein Rätsel, das es zu lösen gibt. Das Bündel wurde bei einer Wohnungsrenovierung in der Lycker Straße hinter einem Balken gefunden. Es handelt sich um das letzte Haus der Lycker Siedlung an der Straße nach Stollendorf (Wiersbinnen). Sie müssen erst nach Kriegsende dort versteckt worden sein, denn das letzte Dokument ist vom 30. Juni 1945 datiert und gibt Rätsel auf, da es von einem polnischen Camp in Kiel ausgestellt wurde. Es handelt sich um einen Pass, der den Inhaber als Insasse des am Mühlenweg in Kiel-Rheine gelegenen Camps ausweist. Sein Name: Jan Weier.

Es handelt sich um einen deutschen Inhaftierten, denn der Vorname ist polonisiert. Johann Weier wurde am 25. September 1884 im westpreußischen Thorn geboren. Einige Dokumente wie Versicherungskarten weisen ihn als Schachtmeister aus, als Wohnort wird Lesnian im Amt Rinkowken genannt. Im Familienbesitz muss, wie eine Grundbucheintragung von 1916 bekundet, ein Grundstück in Fürstenau, Kreis Graudenz gewesen sein. Als Eigentümerin wird Frau Anna Weier, verehelichte Besitzerfrau Diminski, genannt. Es könnte sich hierbei um die Mutter von Johann Weier handeln, die wohl verwitwet gewesen war und noch einmal heiratete. Die ebenfalls in dem Bescheid genannte Mitbesitzerin, Fräulein Franziska Weier, ist vermutlich eine Schwester gewesen. Am ergiebigsten ist ein am 6. November 1919 vom Kreisbauamt des Kreises Elbing ausgestelltes Zeugnis, in dem Johann Weier bescheinigt wird, dass er als tüchtiger und erfahrener Schachtmeister zur vollen Zufriedenheit des Auftraggebers bei den Erd- und Planungsarbeiten für die Kreis­chausseebauten tätig war. Über den weiteren Lebensweg von Johann Weier gibt es keinerlei Angaben, aber zwei Dokumente über den am 1. April 1926 in Graudenz geborenen Maschinenschlosser Heinrich Weier, mit großer Wahrscheinlichkeit ein Sohn von Johann. Das eine ist die Übersetzung eines in polnischer Sprache ausgestellten Schulentlassungszeugnisses der siebenklassigen Volksschule in Graudenz im Juni 1939, das andere ein Facharbeiterbrief, mit dem die Industrie- und Handelskammer Danzig-Westpreußen, Zweigstelle Graudenz Heinrich Weier eine erfolgreiche Ausbildung zum Maschinenschlosser bei der Firma Ventzki KG in Graudenz bescheinigt. Das einzige Personenfoto in dem aufgefundenen Bündel zeigt ein Brautpaar, Trudel und Max, der Widmung nach Neffe und Nichte von Johann Weier. Der Bräutigam trägt Marineuniform.

Das sind die aufgefundenen Unterlagen, die nun in die richtigen Hände gelangen sollen. Wie sie in das Haus in Arys gelangten, wann, warum und durch wen sie hinter einem Dachbalken versteckt wurden, ist ein Rätsel. Wahrscheinlich wurde der damals fast 60-jährige Johann Weier wegen seines Alters oder Krankheit aus dem Camp entlassen. Hatten er oder andere Familienangehörige schon früher zeitweilig in Arys gelebt? In erster Linie sind Heinrich Weier und seine Familie angesprochen, auch das damalige Brautpaar, Traudel und Max. Herr Peylo ist sehr an der Sache interessiert, denn er ist noch immer eng mit seiner Heimatstadt verbunden. Sein Buch „Arys/Ostpreußen“ bietet mit 150 Ansichtskarten ein Porträt der kleinen Stadt mit dem großen Truppenübungsplatz und erweckt zunehmend das Interesse der heute dort lebenden Polen. Deshalb auch die Verbindung zu Herrn Marusinski, dem er hoffentlich bald die Mitteilung machen kann, dass wir Erfolg gehabt haben. Wenn nicht, wird Herr Peylo die Dokumente wohl dem – noch geplanten – Heimatmuseum in Arys (Orzysz) übergeben. (Diet­rich Peylo, Ilsfelder Straße 21 in 71720 Oberstenfeld, Telefon 07062/3331, E-Mail: dpeylo@gmx.de)

Eure Ruth Geede


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