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13.08.11 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-11 vom 13. August 2011

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Töffel / Wie wir die Euro-Feinde niedermachen, was die Elite der EU so strahlen lässt, und warum Herr Barroso diesmal »nicht hilfreich« war

Wann halten die denn endlich mal die Klappe? FDP-Finanzexperte Frank Schäffler will eine Sondersitzung des Bundestages. Dafür will er die Kanzlerin nach Berlin zerren, damit sie dem Plenum erkläre, wie sie die Beschlüsse des jüngsten Euro-Gipfels umsetzen will. Ja, Himmel noch mal, Herr Schäffler, das weiß die doch selbst nicht!

Vorne hatte man vom Gipfel herab verkündet, dass die Schuldensünder nur dann noch mehr Geld bekommen, wenn sie sich endlich ranhalten mit dem Sparen und Reformieren. Gleichzeitig wurde hintenrum die gegenteilige Botschaft zu Tal gelassen, dass sie  das auch lassen können. In Merkels Worten: „Der Euro ist jede Anstrengung wert!“ Sie sagte wörtlich „jede“. Genau so meint sie das auch, heißt: Wir zahlen unter allen Umständen, auch wenn sich Griechen & Co. ein Ei auf unsere Ermahnungen pellen.

Und das soll Angela Merkel dem Bundestag „erklären“? Herr Schäffler, Sie sind ein Schurke!

Die Schurken werden immer lauter, es wird Zeit, mit diesen finsteren Figuren aufzuräumen. Wir wissen auch schon, wie: Wir erklären sie alle zu „Feinden Europas“. Mit „Europa“ ist natürlich das alternativlose Europa gemeint, das sich die europäischen Eliten im Dienste und im Dunste von Brüssel ausgedacht haben. Andere Europas gibt es nicht, hat es nie gegeben. Das heißt: Doch, hat es. Aber da war immer Krieg, denn: „Die Alternative zum Euro lautet Krieg!“

Aha? Schweden und Großbritannien sind nicht im Euro. Haben wir Krieg mit England oder den Schweden? Pfui, was für eine polemische Frage. Außerdem ist noch gar nicht raus, wer die Brände in London wirklich gelegt hat. Oder wer die Mückenplage über Småland brachte. Sollte uns nicht wundern, wenn die Spur von Qualm und Quaddeln nach Berlin oder Paris führt.

Außerdem kommt es bei der Behauptung „Euro oder Krieg“ ja gar nicht auf Schlüssigkeit an. Die Wirkung zählt: Krieg bedeutet Verwüstung, Gemetzel, Völkermord! Haben wir die Euro-Skeptiker erst zu dunklen Friedensgefährdern zurecht geschminkt, dann sind sie nicht nur Europafeinde, sondern Feinde der ganzen Menschheit! Ein solcher Hammer zermalmt jeden zu Staub, moralisch gesehen.

Genial, was? Wäre interessant zu erfahren, wer sich die Strategie mit dem Friedenshammer eigentlich ausgedacht hat. Mal nachdenken, wer war das noch gleich ... ja, sicher doch, 80er Jahre: „Sozialismus oder Krieg“. Erich Honecker und seine klugen Freunde haben uns Westdeutschen damals überaus erfolgreich vermittelt, dass jeder ein übler Kriegshetzer ist, der Fragen nach Freiheit oder Menschenrechten in der DDR ansprach oder gar von deutscher Einheit faselte.

Die Frucht ihrer Bemühungen gelangte in der Friedenbewegung zu voller Pracht: „Lieber rot als tot“ lautete die Parole aller vernunftbegabten, friedensorientierten Kräfte. Die Kapitulation im Kopf galt als Ausweis höherer Menschlichkeit, wenn nicht gar als moralisch einzig vertretbare Attitüde. Hinter der Monstranz des Friedenskämpfers verschwand alles, was die SED auf keinen Fall in westdeutschen Dis­kussionen hören wollte. Stasi, Bautzen, Schießbefehl – alles weg. Die Frage nach politischen Häftlingen in der DDR? Kriegshetze!

Als US-Verteidigungsminister Alexander Haig es mit Hinweis auf Freiheit und Menschenrechte tatsächlich wagte zu behaupten: „Es gibt Wichtigeres als den Frieden“, da ging die westdeutsche Friedensbewegung hoch wie ein Topf blubbernder Milchsuppe. Aus Tausenden Megafonen plärrte es monatelang: „Es gibt NICHTS Wichtigeres als den Frieden, Mister Haig!“

Tolle Zeiten waren das. Die Elite Europas hat sie nicht vergessen und ihre weisen Lehren draus gezogen: Selbst wenn dir alle guten Argumente ausgegangen sind – nicht verzagen, Frieden zieht immer.

Das soll aber nicht heißen, dass die Elite nur abgekupfert hätte. Es ist gar nicht so einfach, aus derart alten Kamellen eine ganz neue Kampagne zu zaubern. Da können Sie jeden Müllverwerter fragen.

Man sollte sich einige der imposantesten Persönlichkeiten der obersten Führungsspitze von EU und Eurozone mal näher angucken. Ganz oben stehen EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und EU-Ratspräsident Herman van Rompuy. Zwei ausgewiesene Experten.

Experten worin? Das verraten die Posten, die sie vorher innehatten: Van Rompuy war Ministerpräsident von Belgien, einem Land, das unter der Inkompetenz seiner politischen Führung gerade Stück für Stück auseinanderfällt.

Barroso war auch Ministerpräsident, und zwar von Portugal. Wir kennen nicht viel von Portugal. Seitdem es unter den Rettungsschirm für bankrotte Euro-Länder gekrabbelt ist, kennen wir immerhin seine offenen Rechnungen. Es sind jetzt nämlich unsere.

Beim Geld haben Eurozonen-Chef Jean-Claude Juncker und demnächst (als Nachfolger von   Jean-Claude Trichet im Sessel des Euro-Zentralbankchefs) Mario Draghi den Hut auf. Juncker ist im Hauptberuf immer noch Ministerpräsident, der von Luxemburg. Das kleine Land ist mehr eine Bank denn ein Land, weshalb Juncker immer streng neutral bleibt, wenn es um die Frage geht, ob auch die Bankwelt an der Rettung von Pleiteländern beteiligt werden soll, oder ob die Steuerzahler das besser alleine machen.

Mario Draghis Heimat Italien schließlich ist hinsichtlich seines politischen Personals seit jeher berühmt als Hort von strikter Solidität, von Transparenz und Unbestechlichkeit, kurzum, als ideale Umgebung für die Lehrjahre eines Euro-Zentralbankchefs. Und dann die Lira, dieses Inbild einer stahlharten Münze.

Neben dieser funkelnden Herrenriege hockt etwas bleich und gestaltlos eine Frau Ashton, Catherine, aus England. Über die gibt es eigentlich gar nichts Erwähnenswertes zu berichten, weder über die Zeit vor ihrer EU-Berufung noch über die danach. Angesichts ihrer männlichen Kollegen sollte uns das eher beruhigen als irritieren.

Ob Angela Merkel glücklich ist mit dieser Mannschaft? Immerhin hat sie einige der Starbesetzungen zusammen mit ihrer Pariser Hassliebe Sarkozy selber ins Amt gemauschelt. An manchen Tagen muss sie sich jedoch vorkommen wie der Zauberlehrling: Die Töffel, die ich berief ...  So ein Tag war neulich wieder. Wie ein Steinschlag traf sie in den Alpen die Nachricht, dass Barroso eine Ausweitung des Euro-Rettungsschirms vorgeschlagen hat, damit der auch für Italien und Spanien reicht.

Schlimmer konnte es kaum kommen, hatte Merkel ihren Deutschen doch gerade erst vorgegaukelt, dass ihre Milliardenzahlungen nicht ausufern würden. Nach Berliner Kalkül muss so ein Versprechen schon ein paar Monate halten, bevor man es „angesichts völlig neuer Herausforderungen“ brechen kann. Nun kam Barroso nur ein paar lumpige Wochen nach dem letzten Gipfel mit der Sache raus. Solche Frühstarts der Wahrheit sind „nicht hilfreich“. Was für ein Idiot.

Was dachte sich der Portugiese  bloß dabei? Nun, er war einfach unglücklich. Immerzu toben Merkel und Sarko und dann noch der scheidende Notenbankchef Trichet über die Bühne, während Barroso bei den wirklich wichtigen Dingen wie ein Statist in der Kulisse herumwuseln muss. So etwas schmerzt ihn, als EU-Kommissionspräsident will er doch auch wichtig sein. Also besann er sich auf die bewährte Taktik der blassen Hinterbänkler im Parlament: Ich warte ab, bis die Großen im Urlaub sind, und dann schmeiße ich meine Stinkbombe!

Wir Steuerbürger wollen uns indes nicht beklagen: Dank Barroso wissen wir jetzt, was von der angeblich „strikten Obergrenze“ bei den Rettungsschirmen zu halten ist: nichts. So wollte er das wahrscheinlich gar nicht. Aber Töffel sein bedeutet eben, das man das Richtige nur aus Versehen tut.


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