19.04.2024

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20.08.11 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-11 vom 20. August 2011

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied, liebe Familienfreunde,

varsproake is verschräwe – so sagte man tohuus, wo das gesprochene Wort als geschrieben galt, und ich will das heute bestätigen, indem ich halte, was ich versprochen und geschrieben hatte, nämlich einen Überblick über die Zuschriften zu unseren veröffentlichten Fragen und Wünschen zu geben. Und da hat sich viel getan, wie Ihr lesen werdet. Und schnell wie Herr Helge-Jan Schmodde aus Bad Soden uns mitteilt. Er hatte im Internet einen Beitrag gefunden, der sich mit einem vor Beginn des Zweiten Weltkriegs ereigneten Vorfall im südlichen Ostpreußen beschäftigt, bei dem polnische Kavallerie einen Ort „Garnsee“ überfallen und blutige Spuren hinterlassen hatte. Herr Schmodde zweifelte an dem Bericht dieses Zeitzeugen, weil es nur einen Ort dieses Namens gab, und der lag östlich der Weichsel an der Bahnstrecke Marienwerder–Graudenz. Der Bauernhof seines Großvaters lag nur einige Kilometer von dieser kleinen Stadt entfernt, so hätte seine Familie von diesem Vorfall erfahren müssen. Wir hatten seine Bitte um Klärung in Folge 28 veröffentlicht und schon kurz darauf erhielten wir von ihm folgendes Schreiben:

„Haben Sie verbindlichen Dank für die Berücksichtigung meiner Anfrage wegen des Berichts darüber, dass vor Kriegsbeginn ein Übergriff polnischer Kavallerie auf einen Ort im Kreis Neidenburg stattgefunden hat. (Was in dieser Form nicht stimmen kann, weil es den dort genannten Ort ,Garnsee‘ nicht gab.) Aus der Ostpreußischen Familie erreichte mich binnen weniger Tage dankenswerterweise eine Reihe von Hinweisen, darunter wohl auch ,des Rätsels Lösung‘. Allem Anschein nach handelt es sich bei der im Internet nachlesbaren Schilderung um eine sehr vage Erinnerung an einen polnischen Überfall auf die deutsche Zollstation in Friedrichshof. Dort wurden wenige Stunden vor Beginn des Zweiten Weltkrieges alle acht Beamten getötet, darunter auch der Onkel eines damals 20-Jährigen, der mir das jetzt telefonisch mitteilte. Friedrichshof lag etwa drei Kilometer von der Grenze entfernt – nicht im Kreis Neidenburg, sondern im Kreis Ortelsburg. Auch in diesem Kreis gab es kein ,Garnsee‘, aber doch eine Gemeinde, die recht ähnlich klingt, nämlich ,Grammen‘.“

Somit ist wohl die Frage geklärt, und wir haben wieder einmal den Beweis, wie wichtig unsere Leser sind, wenn sie aufgrund eigener Erlebnisse oder – wie in diesem Fall – durch ihre Familiengeschichte Vorfälle bestätigen können, für die es kaum noch authentische Zeitzeugen geben dürfte.

Eine glänzend gelungene Lösung hatte auch die Frage nach der Sauciere aus dem Bestand des „Kurhaus Siegemund“ gebracht, die wir ebenfalls in Folge 16 veröffentlichten. Nun erhielt ich einen langen Brief von einer Leserin, deren Heimatort Niedersee/Rudczanny ist und die bereits Herrn Stabe, den Besitzer der Sauciere, ausgiebig informiert und damit erheblich zur Klärung beigetragen hat. Ihr liebevoller Brief führt mich weit in die Vergangenheit zurück, die noch lange nicht vergangen ist – was ist schon Zeit? –, denn Frau Jolanda-Maria Möllenhoff war als 15-Jährige bei einer Lesung, die ich im Mai 1940 in Passenheim hielt. Wir sind uns also vor über 70 Jahren begegnet, und sie erinnert sich daran! Habe ich mich darüber schon gefreut, dann kommt noch das Sahnehäubchen mit ihrem Hinweis auf das Bootshaus, das auf dem in Folge 26 veröffentlichen Seebild im Hintergrund zu sehen ist: Von hier aus bin ich damals nach Nikolaiken gerudert. Nur habe ich nicht gewusst, dass es sich bei dem Gewässer um den Großen Gutschiensee handelt, von dem aus man durch einen Kanal in den Niedersee gelangt, an dem auch das Kurhaus Siegemund lag. Das hübsche Medaillon auf der Sauciere zeigt die Eisenbahnbrücke, die über diesen Kanal führt. Und so genau wie Frau Möllenhoff die Lage erklärt, kann sie auch die Geschichte des Kurhauses aufrollen. Sie zeigt sich dabei als glänzende Chronistin:

„Als Rudczanny durch den Ausbau der Eisenbahnstrecken Rothfließ–Sensburg–Johannisburg und Allenstein–Ortelsburg–Johannisburg ein wichtiger Eisenbahnknotenpunkt geworden war, hat ein Gastwirt namens Koch etwa zwischen 1890 und 1895 gegenüber dem Bahnhof im Mittelpunkt des Ortes ein Gasthaus bauen lassen, das den Namen ,Koch’s Hotel‘ erhielt. Im Jahre 1908 erwarb Otto Siegemund das Hotel, das er durch bauliche Veränderung zu einem Kurhaus ausgestaltete. Nun hieß es ,Kurhaus Siegemund‘. Nach dem Ersten Weltkrieg – etwa 1924 – übergab er das Haus seinem Sohn. Wie aus alten Ansichtskarten ersichtlich hieß es nun ,Gasthaus Günther Siegemund‘. Die Bezeichnungen wechselten im Laufe der Zeit. In den 30er Jahren sprachen wir nur vom ,Kurhaus Siegemund‘, obgleich es ja 1934 Konkurrenz durch das neue moderne ,Kurhaus am Niedersee‘ bekommen hatte. Im Januar 1945 ereilte beim Einmarsch der Roten Armee die Familie Siegemund ein schweres Schick­sal. Sie wurde wie viele Einwohner Niedersees, die nicht rechtzeitig fliehen konnten, Opfer der Greueltaten. Tod und Verschleppung in den Kaukasus waren die Folge. Die Überlebenden haben sich nach Kriegsende in Mittel- und Westdeutschland eine neue Existenz aufbauen können. Mich selbst verband mit der Tochter von Otto Siegemund und ihrem Mann ein freundschaftliches Verhältnis. Schade, dass sie das Auftauchen der Sauciere und damit auch das Aufleben ihrer Familiengeschichte nicht mehr erlebt haben.“

Ein kleines Kapitel masurischer Geschichte, das uns Jolanda-Maria Möllenhoff hier vermittelt hat. Für das wir – und ganz besonders ich – ihr herzlich Dank sagen.

Einen erfreulichen Bericht erhielten wir von dem Kulturwart der Kreisgruppe Siegerland der LS Ostpreußen, Herrn Frank Schneidewind. In Folge 25 hatten wir seinen Hinweis auf die Schrift „60 Jahre Friedland“ und die CD mit dem Glockengeläut der Friedlandglocke gebracht, die über das katholische Pfarrbüro St. Norbert in Friedland bezogen werden können. Eine erste Zuschrift kam von einem älteren Landsmann aus dem Heimatkreis Heilsberg, der Herrn Schneidewind Unterlagen über „Beiträge zur ostpreußischen Glockenkunde“ übersandte: eine im Jahr 1919 von dem Baurat und Provinzialkonservator Prof. Richard Dethlefsen in Königsberg herausgegebene Schrift, in der eine Anzahl der in ostpreußischen Kirchen befindlichen Glocken beschrieben wird. Die Inschriften auf den Glocken sind ebenso vermerkt wie die Namen der Glockengießereien in ganz Deutschland. Auf den letzten Seiten der 25 Blätter umfassenden Dokumentation sind Abbildungen der Glockengrund­risse mit Angaben über ihren Standort in der Provinz zu finden. Einige Beispiele: Wormditt–Rathaus, Insterburg–Schloss, Balga–Kirche, Frauenburg–Dom mit gezeichneten Ornamenten. Ist diese Schrift schon eine großartige Fundgrube für Heimatchronisten, so zeigt sich das beigefügte Verzeichnis über den Verbleib ostpreußischer Glocken als weitere wertvolle Informationsquelle. Aufgeführt werden die Kirchengemeinden in der Bundesrepublik Deutschland, in denen heute das Geläut ostpreußischer Glocken zum Gottesdienst ruft. Insgesamt sind 109 Glocken verzeichnet. So befindet sich im Glockenturm der katholischen Kirche St. Norbert in Friedland die große Glocke aus dem Frauenburger Dom neben der kleinen Glocke aus Welkersdorf in Schlesien und einer 1956 für diese Kirche gegossenen Glocke. Herr Schneidewind meint, dass diese ihm überlassenen Dokumentationen sicherlich für unsere Leserschaft interessant sein dürften, und da gebe ich ihm Recht. Er ist gerne bereit, auf schriftliche Anfrage Fotokopien der Unterlagen anzufertigen, ein sehr großzügiges Angebot, für das ich ihm im Namen unserer Ostpreußischen Familie danke. (Frank Schneidewind, Grubenstraße 10 in 57462 Olpe)

Das kleine Bild „Siedlungsarbeit in Ostpreußen: Salzburger Auswanderer“ in Folge 31 hat Herrn Joachim Rebuschat, Rinteln, zu einem Schreiben an unsere Ostpreußische Familie angeregt. Immer wieder werden Fragen nach Salzburger Vorfahren gestellt, sodass er vorschlägt, hier zur Information die Adressen für direkte Anfragen zu veröffentlichen. Den Wunsch erfülle ich gerne, zumal ich auch schon ähnliche Reaktionen auf das Bild zu verzeichnen habe. Also da ist zuerst einmal der Salzburger Verein e.V. – Vereinigung der Nachkommen salzburgischer Emigranten, Memeler Straße 35 in 33605 Bielefeld, Telefon (0521) 2994404 (dienstags 11–15 Uhr), Fax (0521) 2994405, E-Mail: salzburgerverein@online.de Außerdem gibt es seit Kurzem im Internet eine Informations- und Austauschliste, zu der alle Familien- und Geschichtsforscher, die sich mit den Salzburger Emigranten befassen oder sich für diese interessieren, herzlich eingeladen sind. Die Teilnahme ist kostenfrei, da die Moderation der Liste ehrenamtlich erfolgt. Eine Anmeldung sei jedoch erforderlich – so die Information von Herrn Rebuschat, der im Oktober zusammen mit Professor Dr. Heinz Schürmann, Bielefeld, eine Busreise nach Königsberg und auf die Kurische Nehrung leitet. (Joachim Rebuschat, 31737 Rinteln, E-Mail: rebuschat@web.de)

Noch einmal ein Dankeschön für die Übersendung der alten Originalfotos von Bischofsburg, diesmal von Herrn Johannes Roweda aus Troisburg, der sich nicht nur über das Bild freut, sondern auch über die Kontakte, die dadurch zu anderen Bischofsburgern entstanden sind. Solche „Fundsachen“ machen unsere Familien-Kolumne interessant. Und da haben wir wieder etwas Besonderes: Einen Wecker, den Herr Ulrich Wiegandt im Nachlass seines Königsberger Onkels fand, und den er wieder zum Laufen brachte. Er sandte ein Foto an unsere Redaktion mit dem Vermerk: „Sicherlich ist es auch für Sie von Interesse, dass ein Leser der PAZ so ein Präsent – ich schätze aus den Jahren 1935 bis 1940 – wieder gefunden hat. Vielleicht lässt sich noch feststellen, wann das Präsent ausgegeben wurde. Wenn nicht, muss wohl Frau Geede ran!“ Was hiermit erfolgt. Werbegeschenke gab es also schon damals. Die „Preußische Zeitung“, 1932 in Königsberg gegründet, hat sich das Präsent schon etwas kosten lassen. Der Rahmen ist aus Bernstein. Das schöne Stück muss in der Staatlichen Bernstein-Manufaktur hergestellt worden sein.

Unter den vielen kleinen Anfragen querbeet durch unseren Familiengarten muss ich noch eine herausgreifen, die den grauen Regentag, der vor meinen Fenstern steht, ein wenig aufhellt. Da fragt eine Leserin nach dem bekannten ostpreußischen Spruch „von dem Ostpreußen nach rechter Art, der seinen Pelz bis Himmelfahrt trägt“. Der bekannteste ist kurz, ein Vierzeiler, der bestätigt, dass der gute Mann ihn zu Johanni wieder anzieht. Es gibt viele Versionen dieser Kleiderordnung unserer vermeintlich „kalten Heimat“, darunter eine plattdeutsche, in der es heißt: „Un deit em denn der Buuk noch weh, dänn drecht he em bis Barthlomä. Un fängt em denn to friere an, denn treckt er em von vorne an.“ Der Bartholomäustag ist der 24. August! Das Rezept könnte man in diesem verhubberten Sommer auch hierzulande anwenden!

Eure Ruth Geede


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