25.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
20.08.11 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel / Lachanfall / Wie uns Rösler in den Schlaf faselte, was die Menschen dem Sozialismus angetan haben, und wie aus Schmunzeln Gelächter wird

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-11 vom 20. August 2011

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Lachanfall / Wie uns Rösler in den Schlaf faselte, was die Menschen dem Sozialismus angetan haben, und wie aus Schmunzeln Gelächter wird

Ein harter Vorwurf: Der ehemalige Präsident des Landesschiedsgerichts der Berliner FDP ist aus seiner Partei ausgetreten, weil deren Führung „feige“ sei. So hat er es seinem Landesvorsitzenden geschrieben. Der Vorwurf ist nicht bloß hart, er ist ungerecht. Das haben wir vergangenen Sonntag selber im Fernsehen gesehen.

Da saß der Chefliberale Philipp Rösler am schönen deutschen Rhein zum ZDF-Sommerinterview. Von Feigheit war nichts zu spüren. Im Gegenteil: Dass seine Partei am Abgrund steht, dass die Umfragewerte verheerend sind und die Mitglieder in Scharen davonlaufen, das stimmt den tapferen Rösler sogar „gelassen“, wie er sagte. Das Schiff sinkt, doch der tapfere Kapitän sieht keinen Grund zur Beunruhigung. Ein Held ist das.

Andererseits: Dass er „gelassen“ sei, war leider schon so ziemlich alles, was er überhaupt sagte. Die restlichen 20 Minuten füllte Rösler mit jenem Wortgerümpel, das als Sperrmüll am Straßenrand der „Debattenkultur“ herumgammelt, damit es jeder mitnehmen kann, dem nichts Eigenes einfällt: „Wir wollen Politik gestalten“ oder „Die FDP steht für einen stabilen Euro“ oder „Wir sind in Regierungsverantwortung, und diese Verantwortung muss man auch wahrnehmen“ oder ... ja, ja, ich hör ja schon auf, bevor Sie mir „gelassen“ einnicken.

Dem ZDF-Mann ging das Gefasel sichtlich auf die Nerven. Er hatte ein paar schneidige Aussagen erhofft angesichts des beängstigenden Zustands der FDP. Was er bekam, war so voller Spannung und Leben wie die Verlautbarungen des ZK der SED. Die Jungs hatten es bekanntlich geschafft, selbst die Öffnung der Berliner Mauer in derart totgestanzte Phrasen zu wickeln, dass den anwesenden Journalisten erst im zweiten Anlauf klar wurde, dass soeben eine Weltordnung eingestürzt ist.

So wühlte und drängte der Reporter im Schweiße seines missmutigen Angesichts, um aus dem FDP-Chef und Wirtschaftsminister irgendetwas Verwertbares herauszuwringen. Vergebens: Glitschig wie eine Gartenschnecke entwich ihm Rösler jedes Mal. Er kam sich dabei sicher sehr geschickt vor: Habe nichts an mich rankommen lassen und den blöden Fernsehheini gekonnt ausgetrickst. Zu Röslers Leidwesen saßen hinter dem ZDF-Reporter einige Millionen Wähler, die auch gern gewusst hätten, was er eigentlich will. Oder ob er überhaupt noch etwas vorhat außer bis 2013 im Amt zu bleiben, um sich bei der Bundestagswahl politisch in Luft aufzulösen. Das Sprichwort lautet: Man ist schlauer, wenn man vom Rathaus kommt. Nur wehe, wenn der Bürgermeister Philipp Rösler heißt.

Wir könnten zu Röslers Verteidigung anführen, dass er einfach schon zu lange in der Politik ist für sein  Alter und deshalb gar nichts anderes mehr kann als diese quälend hohle Politikersprache. Doch die Entschuldigung zieht nicht. Jeder Sperrmüllsammler weiß, dass man auch aus scheinbar unbrauchbaren Stücken etwas richtig Hübsches zaubern kann. Manchmal kommt es bloß darauf an, in welcher Umgebung man das Zeug aufstellt. Das gilt  auch fürs verbale Gerümpel.

So waren wir uns alle sicher, dass die Vokabel „alternativlos“ nie mehr auftaucht, nachdem sie zum Unwort des Jahres gekürt worden war. Wie man sich täuschen kann. Auf dem Parteitag der mecklenburg-vorpommerschen „Linken“ erschien das abgestoßene Wort überraschend in neuem Glanze: Der Mauerbau 1961 sei „alternativlos“ gewesen, durften wir dort hören. Ach, und warum? Weil der Sozialismus ohne Mauer nicht erfolgreich hätte aufgebaut werden können.

Genau das stellen wir uns unter politischer Bildung vor. Nie haben wir über das Wesen und das Selbstverständnis des Sozialismus in derart kurzer Zeit so viel gelernt wie bei dem Parteitag in Rostock: Nicht der Sozialismus muss sich vor den Menschen rechtfertigen, sondern die Menschen ihr Verhalten gegenüber dem Sozialismus. Und wenn das Verhalten der Menschen gegenüber dem Sozialismus nicht zu rechtfertigen ist, dann muss man sie eben einmauern und notfalls abknallen wie die Hasen auf der Herbstjagd. Letzteres tut man natürlich unter größter Seelenpein, aber alternativlos bleibt alternativlos.

Bevor es im Wortschatz des mentalen Mauerschützen wieder auferstanden  ist, machte „alternativlos“ seine erste Karriere bekanntlich im Gehege der Euro-Retter. Euro! Eigentlich können wir das Wort nicht mehr hören. Man wünscht sich, wir hätten das alles nur geträumt. Stellen Sie sich vor, Sie wachen nach einer Nacht voller Rettungsschirme, Griechenkrisen und Euro-Bonds schweißgebadet auf, schlurfen matt von dem Höllentrip in die Küche und sehen den Zettel am Kühlschrank: „Jo­ghurt kaufen nicht vergessen, ist im Angebot für 69 Pf.“ „Pf“ wie „Pfennig“. Nein, wäre das schön: Alles bloß ein böser Spuk im Mondenschein! Im Frühstücksfernsehen nörgelt ein Maschinenbauer, dass die Exporte in letzter Zeit nicht so gut liefen wegen der harten D-Mark. Ach, der Gute, wenn der wüsste, was ich heute Nacht geträumt habe! So muss der Moserer denn auch einräumen, dass die Einbußen beim Export weitgehend ausgeglichen würden von der schwunghaften Binnennachfrage. Die steht hervorragend da, weil die Deutschen voller Vertrauen in die Stabilität ihrer   Wirtschaft auf der Basis ihrer verlässlichen Währung kräftig Geld ausgeben.

Tja, das wäre schön. Doch wie wir alle wissen, ist das ein Traum, und der vermeintliche Albtraum die Realität. Wobei es das Euro-System in Sachen Verlässlichkeit mit dem alten D-Mark-Block durchaus aufnehmen kann. Man könnte sagen: Was auch geschieht, es passiert immer das Gleiche.

Erst wird ein Vorschlag gemacht, der darauf hinausläuft, dass Deutsche, Österreicher, Holländer und so weiter für die Fehler von anderen büßen sollen. Daraufhin führt Berlin ein Theater in drei Akten auf. Erster Akt: Kategorische Ablehnung mit Hinweis auf die „unverrückbaren, vertraglich vereinbarten Grundlagen der Währungsunion“. Zweiter Akt: „Na ja, vielleicht, aber nur unter strikt einzuhaltenden Bedingungen!“ Dritter Akt: „Wie es euch beliebt: Wir zahlen alles.“

Beim Schwank um die „Euro-Bonds“ waren wir Anfang der Woche gerade in der Pause zwischen Akt eins und zwei. Wir hatten alle noch den ergreifenden Schluss-Chor aus dem ersten Aufzug im Ohr mit dem hellen „Niemals! Nicht mit mir!“ und Angela Merkel als strahlende Solistin im schwarzrotgoldenen Kostüm.

Während der Pause konnten wir indes bis ins Foyer hören, wie die Bühnenarbeiter von der CDU-Truppe die Kulisse umräumten für den zweiten Akt. Offenbar sollte im nächsten Teil nichts mehr so aussehen wie am Anfang. Dabei verspricht der zweite Akt laut Vorveröffentlichungen ein paar komödiantische Einlagen, die wirklich gelungen sind: Die Vergemeinschaftung der Schulden aller Euro-Staaten solle keinesfalls dazu führen, dass neuer Schlendrian um sich greife, für den dann hauptsächlich die Deutschen einstehen müssten, soll die Heldin tönen. Dafür würden knallharte Regeln erlassen, Sünder würden streng bestraft.

Harte Regeln? Nie mehr Schlendrian? Wer muss da nicht schmunzeln! Doch es kommt noch besser: Damit keiner über die Strenge schlage, solle es eine strikte Obergrenze geben. Für alle Schulden, die darüber hinaus gingen, müssten die Staaten jeder für sich allein geradestehen, so der Vorschlag einer EU-Expertenrunde. Das Schmunzeln schwillt zum Gelächter an. Schließlich die Krone der Komik: Diese Obergrenze solle bei exakt 60 Prozent liegen. 60 Prozent? Genau da lag auch die „Schuldenobergrenze“ von Maastricht. Heute liegt sie metertief unter neuen Schulden begraben. Wir werden gespannt sein, ob uns die Hauptdarstellerin diese Zahl noch einmal präsentieren kann, ohne selbst einen hysterischen Lachanfall zu erleiden. Auf Akt drei müssen wir dann noch eine Weile warten. Aber kommen wird der sicher.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren