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27.08.11 / Unter Extremismusverdacht / Kremlnahe Politiker lassen Zeitungen beschlagnahmen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-11 vom 27. August 2011

Unter Extremismusverdacht
Kremlnahe Politiker lassen Zeitungen beschlagnahmen

Wie weit die Bestrebungen nach mehr Demokratie in Russland tatsächlich fortgeschritten sind, hat sich dieser Tage gleich in zwei Städten gezeigt: In St. Petersburg und in Königsberg wurden Zeitungen beschlagnahmt, weil sie zu scharfe Kritik an Politikern zum Abdruck gebracht hatten.

In St. Petersburg standen Kommunalwahlen bevor, bei der die amtierende Gouverneurin Valentin Matwijenko für ihren Einzug ins Bezirksparlament kandidieren wollte. Die Oppositionspartei „Gerechtes Russland“ hatte in ihrer Parteizeitung zum Boykott der Wahl aufgerufen. Daraufhin wurden 60000 von insgesamt 500000 Exemplaren der Zeitung beschlagnahmt, unter dem Vorwand, das Blatt enthielte extremistisches Material. Ein Großteil der Auflage konnte dennoch unter die Leute gebracht werden. Trotzdem erlangte die Gouverneurin mit 94,5 Prozent der Stimmen ein Ergebnis wie zu Sowjetzeiten, wohlbemerkt bei einer Wahlbeteiligung von lediglich 30 Prozent. Matwijenko, eine enge Vertraute Putins aus seiner Petersburger Zeit, ist in der Region äußerst unbeliebt. Kritiker werfen ihr Korruption und Vetternwirtschaft vor. Dass auf Matwijenko ohnehin bald andere Aufgaben warten, beweist die Tatsache, dass sie unmittelbar nach der Wahl vom Amt des Gouverneurs zurückgetreten ist. Bis zur Ernennung eines neuen Gouverneurs wurde Georgij Poltawtschenko als Bevollmächtigter des Präsidenten eingesetzt, der ebenfalls zum Petersburger Netzwerk Putins zählt. Die Opposition spricht von einer inszenierten Wahl, bei der für den Kreml Matwijenkos Sieg oberstes Ziel gewesen sei. Sie soll nämlich für den Vorsitz im Föderationsrat, dem russischen Oberhaus, kandidieren. Laut Verfassung ist dies das dritthöchste Amt im Land. Kandidieren kann jedoch nur, wer vorher Abgeordneter eines regionalen oder kommunalen Parlaments gewesen ist. Kandidaten können nicht per Ukas des Präsidenten wie bei der Besetzung der Gouvernements bestimmt werden.

In Königsberg stand der Besuch des Präsidenten bevor, der wegen der Schiffskatastrophe auf der Wolga schon einmal verschoben worden war. Am Vortag des Präsidentenbesuchs hatte die örtliche Ausgabe der „Izvestija“ einen offenen Brief von Bürgern an den Präsidenten veröffentlicht, in dem der Rücktritt des erst seit knapp einem Jahr im Amt weilenden Gouverneurs Nikolaj Zukanow gefordert wurde. Obwohl Zukanow ein Mann aus der Mitte, sprich gebürtiger Exklavenbewohner und nicht wie die bisherigen Statthalter aus Moskau ist, scheinen die Menschen ihm nicht zu trauen. Ihm wird vorgeworfen, Leute mit krimineller Vergangenheit in Amt und Würden gebracht zu haben sowie Geschäftsleute, die nur ihre eigenen Interessen vertreten. Darüberhinaus habe er Freunden und ehemaligen Angestellten, die über keine geeignete Ausbildung verfügten, zu lukrativen Jobs verholfen. Die gesamte Auflage von 40000 Exemplaren wurde vom Extremismus-Beauftragten Alexander Schelpjanow noch in der Druckerei beschlagnahmt. Doch so sehr die Regierung sich auch bemüht, unerwünschte Kritk zu unterbinden, wird es dank Internet schwierig für sie, alle zu kontrollieren. Während die Druckausgabe der Zeitung konfisziert wurde, gelang es Redakteuren, den Brief als Dokument ins Internet zu stellen. Längst hat das weltweite Netz die Funktion des „Samisdat“ (des heimlichen Kopierens verbotener Texte) übernommen.  MRK


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