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27.08.11 / Traum eines jeden Literaten / S. Fischer Verlag feiert 125. Jubiläum − Erfolg mit moderner Klassik aus Deutschland und Europa

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-11 vom 27. August 2011

Traum eines jeden Literaten
S. Fischer Verlag feiert 125. Jubiläum − Erfolg mit moderner Klassik aus Deutschland und Europa

Einem jungen mittellosen Buchhändler gelang vor 125 etwas, das es heute nur noch im Film gibt: eine Karriere quasi „vom Tellerwäscher zum Millionär“. Samuel Fischer gründete einen Verlag, der zum führenden Literaturbetrieb wurde. Er selbst wurde einer der bedeutendsten Verleger Deutschlands.

„Ich war ein elfjähriges Kind, als er in Berlin seinen Verlag gründete. Zehn Jahre später war es der Traum jedes jungen Literaten, ein Buch bei S. Fischer zu haben, und meiner auch.“ Thomas Mann gehörte zu den ersten Autoren, von dessen Talent Samuel Fischer sich überzeugen ließ. Die Fähigkeit, sich auf unbekannte junge Schriftsteller einzulassen, sollte sich als Erfolgsrezept erweisen. Als Thomas Mann 1897 sein Erstlingswerk „Der kleine Herr Friedemann“ an den Fischer Verlag schickte, war er noch relativ unbekannt. Gelegentlich hatte er in der seit 1890 von Fischer herausgegebenen Wochenschrift „Freie Bühne für Modernes Leben“ veröffentlicht. Schreckte Fischer anfangs davor zurück, wegen ihres beträchtlichen Umfangs die „Buddenbrooks“ herauszugeben, ließ er sich schließlich doch dazu überreden. 1901 brachte er das Buch auf den Markt. Zunächst schien der mäßige Verkauf Fischers Befürchtungen zu bestätigen, doch wie sich erweisen sollte, hatte er den richtigen Riecher, als er eine zweite Auflage herausgab. Mit ihr kam 1903 der Durchbruch, der nicht nur Thomas Mann mit einem Schlag bekannt machte, sondern auch dem Verlag Renommee einbrachte

Als Samuel Fischer, der am 24. Dezember 1859 im damals ungarischen Liptó Miklós als Sohn einer jüdischen Kaufmannsfamilie das Licht der Welt erblickte, ahnte niemand, dass er einmal ein erfolgreicher Geschäftsmann werden sollte. Seine Lebensgeschichte gleicht der eines Romanhelden, wenn er 1874 als 15-Jähriger allein und mittellos sein Elternhaus verlässt, um im fernen Wien eine Lehre als Buchhändler anzutreten. Sechs Jahre verbrachte er in Wien, in denen er sich in Abendkursen kaufmännische Kenntnisse aneignete, das Grundkapital seines weiteren Werdegangs. 1880 zog es den jungen Mann nach Berlin, wo er als Assistent des Buchhändlers Hugo Steinitz seinen Lebensunterhalt bestritt. Als Samuel Fischer am 1. September 1886, mit 26 Jahren, seinen Verlag gründete, verfügte er schon über Erfahrungen als Geschäftsmann, denn seit 1883 war er Teilhaber der Hugo Steinitz & Co. Verlagsbuchhandlung. Der neue Verlag war nicht von Beginn an erfolgreich, denn Fischer beschritt neue Wege, indem er skandinavische Literatur verlegte, um sie dem deutschen Publikum nahezubringen. Eines der ersten ausgelieferten Bücher war das Schauspiel „Rosmersholm“ des Norwegers Henrik Ibsen. Die Tradition, skandinavische Literatur zu verlegen, wird bis heute fortgesetzt. Neben anspruchsvoller Literatur produzierte Fischer anfangs auch Eisenbahnkursbücher. Fischers Anliegen war es, einem breiten Publikum neben zeitgenössischer Literatur auch Werke der Weltliteratur zu einem erschwinglichen Preis bekannt zu machen. Das Taschenbuch kam in Mode. Neben deutschen Autoren verlegte Fischer Werke von Fjodor Dostojewskij und Emile Zola. Wieder bewies er Pioniergeist, als er die damals noch mit Skepsis betrachteten Werke der Naturalisten druckte. Gerhart Hauptmann und Henrik Ibsen zählen heute zu den Weltliteraten. 1890 entwickelte Fischer das Konzept der Gesamtausgaben. Eine intelligente Entscheidung, gelten doch die Gesamtausgaben des Verlags heute als Standardwerke. Zuletzt erschien im Jahre 2001 die „Große kommentierte Frankfurter Ausgabe“ der Werke Thomas Manns.

Überstand der inzwischen erfolgreiche Verlag den Ersten Weltkrieg noch glimpflich, traf ihn die NS-Herrschaft hart. Die Nationalsozialisten beschlagnahmten unerwünschte Druckerzeugnisse des jüdischen Verlegers. 1933 fielen mehrere Bücher der Bücherverbrennung zum Opfer. Nur wenige Autoren, darunter Hermann Hesse, galten als unbedenklich, andere flohen ins Exil. Bis zu seinem Tod am 15. Oktober 1934 glaubte Samuel Fischer dennoch nicht an eine Gefährdung des Verlags. Dagegen hatte sein Schwiegersohn und Nachfolger als Verlagsleiter, der im oberschlesischen Gleiwitz geborene Gottfried Bermann-Fischer, die Zeichen der Zeit erkannt: Er ging 1936 mit einem Teil des Verlags ins Exil nach Wien, um den in Deutschland verbotenen Autoren weiterhin eine Publikationsmöglichkeit zu bieten. Zu ihnen zählten auch Thomas Mann und Alfred Döblin. Den verbliebenen Teil des Unternehmens übertrug Bermann-Fischer Peter Suhrkamp. Die Lösung hielt jedoch nicht lange, mit dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich floh die Familie Bermann-Fischer nach Italien und dann in die Schweiz. 1938 wagte Bermann-Fischer eine Neugründung des Verlags in Stockholm. Als deutsche Truppen Norwegen besetzten, floh die Familie abermals und gründete 1940 eine Niederlassung in New York. In Deutschland geriet Peter Suhrkamp immer stärker unter Druck. Der Verlag wurde in „Suhrkamp Verlag vormals Fischer“ umbenannt. Nach Kriegsende war die rechtliche Situation des Verlags zunächst unklar. 1950 entschloss man sich zur Teilung. Beide Verlage zogen nach Frankfurt um. Den Autoren wurde freigestellt, ob sie zukünftig bei Suhrkamp oder Fischer verlegt werden wollten. Obwohl sich 33 der 48 Autoren, darunter Hesse und Brecht, für Suhrkamp entschieden, bedeutete dies für den wiedergegründeten Fischer Verlag nicht das Aus.

Als Bermann-Fischer 1958 die deutschsprachige Ausgabe „Doktor Schiwago“ des Nobelpreisträgers Boris Pasternak herausgab, gelang ihm damit sein größter Coup. Das Werk zählt zu den erfolgreichsten überhaupt. Daneben erhielten angelsächsische Autoren wie Arthur Miller und Virginia Woolf mehr Bedeutung für den Verlag. Neben belletristischen Sammlungen hat Fischer sich auch mit wissenschaftlichen Reihen einen Namen gemacht. Das Fischer Lexikon, Fischer Weltgeschichte und der Weltalmanach sind weitverbreitet. 1963 zog sich die Familie Bermann-Fischer aus dem Verlag zurück und verkaufte das Unternehmen schrittweise an Georg von Holtzbrinck, in dessen Familienbesitz der Verlag sich bis heute befindet. Rechtzeitig zum 125. Jubiläum wurden alle Hefte der seit 1890 erschienenen Kulturzeitschrift „Neue Rundschau“ digitalisiert.       Manuela Rosenthal-Kappi

Foto: Pionier der modernen Klassik: Samuel Fischer (rechts) zog 1889 mit seinem Verlag in das Gebäude in der Bülowstraße 90 in Berlin um


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