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03.09.11 / Die Freilassung kam zu spät / Das Präsidentenamt ist für Dominique Strauss-Kahn in weite Ferne gerückt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-11 vom 03. September 2011

Die Freilassung kam zu spät
Das Präsidentenamt ist für Dominique Strauss-Kahn in weite Ferne gerückt

Dominique Strauss-Kahn, Spitzname DSK, konnte vorletzten Mittwoch dank des Grundsatzes „Im Zweifel für den Angeklagten“ das New Yorker Gericht mit seinem Pass in der Hand verlassen. Nicht unschuldig, aber freigelassen. Am Tag zuvor hatte Staatsanwalt Cyrus Vance die 33-jährige Klägerin Nafissatou Diallo aus dem moslemischen Guinea 30 Sekunden lang empfangen und ihr zu verstehen gegeben, dass Strauss-Kahn nicht wegen versuchter Vergewaltigung ins Gefängnis gebracht werden könnte. Dazu seien keine stichhaltigen Beweise vorhanden.

Der Freispruch kam für DSK zu spät, da die Frist bei den französischen Vorwahlen der Linken für eine Bewerbung um das Präsidialamt in Paris verstrichen ist. Außerdem ist seit dem 14. Mai zuviel über ihn bekannt geworden, als dass er als Sozialist ernsthaft kandidieren könnte: seine Sexgier, sein Reichtum, das Riesenvermögen seiner Ehefrau, der einflussreichen Journalistin Anne Sinclair. Schließlich sind jetzt auch Zweifel an seiner Charakterstabilität erlaubt.

Zwar könnte der ehemalige französische Finanzminister und Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF) theoretisch ins Flugzeug nach Paris steigen, woraus ihn am 14. Mai amerikanische Polizisten geholt hatten. Aber seine Anwälte wollen die Erstattung der ihm entstandenen hohen Kosten einklagen und es heißt, er wolle in Amerika einen Artikel zur Schuldenkrise der Weltfinanzen schreiben. Er möchte auch im IWF seiner seit dem 5. Juli amtierenden Nachfolgerin und Landsmännin Christine Lagarde das Zepter überreichen. Allerdings hat auch sie ein Problem mit der Justiz. Sie ist seit zwei Monaten in Paris Ziel einer richterlichen Untersuchung wegen Vergeudung von Staatsgeldern, weil sie als Finanzministerin im Jahre 2008 einen Schiedsspruch zugunsten des dubiosen Geschäftsmannes Bernard Tapie unterschrieben hatte. Diesem wurden sage und schreibe 405 Millionen Euro an Wiedergutmachung und Zinsen wegen des 1993 getätigten Weiterverkaufs seines früheren Unternehmens Adidas durch die Staatsbank Crédit Lyonnais „geschenkt“.

Der Verwaltungsrat des IWF steht ausdrücklich zur Person Lagarde, aber der „Fall Lagarde“ ist nach dem „Fall Strauss-Kahn“, der für die amerikanischen Medien wie das Hornberger Schießen ausging, für diese eine willkommene Ablösung.

Das kann jedoch nicht der einzige Grund für die US-Medienschelte gegen die beiden IWF-Direktoren aus Frankreich sein. Eher liegt es wohl an ihrem Amt. Die Weltbank in amerikanischer und der IWF in europäischer Hand sind zwei Überbleibsel des Abkommens von Bretton Woods aus dem Jahre 1944, wonach alle Währungen der freien Welt sich am Gold-Exchange-Standard des Dollars auszurichten hatten. Nachdem die USA selbst die Goldparität ihrer Währung 1971 aufgekündigt hatten, gelang es ihnen, die Dollar-Parität aufrechtzuerhalten. Dass nach der amerikanischen Staatshaushaltspleite und der Herabsetzung der USA von der Note AAA auf AA+ durch Standard & Poor’s französische Politiker von rechts und links nun davon träumen, den Euro von der Dollar-Parität abzukoppeln, um nicht von einem eventuellen US-Debakel mitgerissen zu werden, pfeifen die Spatzen von den Dächern in Paris. Staatspräsident Charles de Gaulle hatte seinerzeit bereits erwogen, die alte Bindung des Francs an das Gold wieder herzustellen, um sich vom Dollar loszulösen. Hinzu kommt, dass der Euro trotz der hohen Verschuldung in der Euro-Zone dem Dollar seinen Status als Leitwährung streitig machen könnte. Die „Euroamerikanerin“ Lagarde war für Washington als IWF-Chefin anfangs eine gute Lösung. Aber in Washington muss man vermuten, dass ihr vielleicht das französische Hemd näher als der amerikanische Rock ist.

„Onkel Sam“ kann jedoch ruhig schlafen: Der Verdacht gegen Lagarde stammt von der französischen Opposition. Strauss-Kahn erwartet in Paris ebenfalls noch ein Prozess. Seine Genossen wollen ihn trotz aller gegenteiliger Beteuerungen nicht mehr sehen. Er muss es sich überlegen, bevor er in die Heimat zurück­kehrt. Die junge französische Schriftstellerin Tristane Banon, Tochter einer ehemaligen sozialistischen Geliebten von DSK, hat ihn wegen einer „sexuellen Aggression“ aus dem Jahre 2002 verklagt. Eine andere Mätresse möchte ihrerseits von seinen brutalen Sexpraktiken erzählen. Dabei soll dem Vater dieser Dame von einem Freund von DSK ein Schweigegeld von fünf Millionen Euro versprochen worden sein.

Dennoch war den Franzosen die amerikanische Schablone des Sexualverbrechers DSK, der einen „brutalen und sadistischen Angriff“ auf eine fromme Hotelangestellte verübt haben soll, zu simpel. Als er sich nach Nachtverhören sichtlich ermüdet der demütigenden Vorführung in Handschellen vor laufenden Kameras unterziehen musste, wurde es für die französische Seele zu viel. Dann verwandelte der Anwalt der Klägerin, Kenneth Thompson, die Sache auch noch in einen Kampf des weiblichen, armen Davids gegen den männlichen, reichen Goliath. Da wagte niemand mehr zu behaupten, dass DSK in eine Falle gelockt worden sein könnte. Solche Gerüchte könnten jetzt wieder hochkommen. Jean-Paul Picaper


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