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10.09.11 / Gold und Silber lieb’ ich sehr / In der Darmstädter Künstlerkolonie Mathildenhöhe entstand Schmuck von exquisiter Qualität

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-11 vom 10. September 2011

Gold und Silber lieb’ ich sehr
In der Darmstädter Künstlerkolonie Mathildenhöhe entstand Schmuck von exquisiter Qualität

Zum ersten Mal wird der Reichtum des Schmuckschaffens gewürdigt, der um 1900 in der Darmstädter Künstlerkolonie entstand.  Eine Ausstellung auf der Mathildenhöhe präsentiert eine  opulente Auswahl erlesener Stücke.

„Habe Ehrfurcht vor dem Alten und Mut, das Neue zu wagen. Bleibe treu der eigenen Natur und treu den Menschen, die du liebst.“ Diese Inschrift liest man auf dem 48 Meter hohen „Hochzeitsturm“, dem Wahrzeichen Darmstadts. Der wie eine ausgestreckte Hand aufragende Turm krönt die Mathildenhöhe, mit 180 Metern über Normalnull die höchste Erhebung der Innenstadt. Der Architekt Joseph Maria Olbrich gestaltete den 1908 fertiggestellten Back-steinturm im Auftrag der Stadt als Geschenk zur Erinnerung an die Eheschließung des Großherzogs Ernst Ludwig mit Prinzessin Eleonore zu Solms-Hohensolms-Lich. Die fünf abschließenden Bögen des Daches, die an eine ausgestreckte Hand erinnern, führten dazu, dass der Turm im Volksmund bald „Fünffingerturm“ genannt wurde.

Über Jahrzehnte war der Hochzeitsturm für Besucher geschlossen. Erst ein 1982 gegründeter Förderkreis kümmerte sich um den Turm. Nach jahrelanger Restaurierung konnte dieser 1993 schließlich für Besucher geöffnet werden.

Sein Schöpfer Joseph Maria Olbrich, 1867 in Troppau (Sudetenland) geboren, hatte sich mit dem aufsehenerregenden Entwurf für das Gebäude der Wiener Secession 1898 einen Namen gemacht und wurde in Darmstadt zu einem Impulsgeber und Initiator der Künstlerkolonie Mathildenhöhe. Dort ist jetzt die Ausstellung „Die Darmstädter Künstlerkolonie und der Schmuck“ zu sehen.

Es gibt wohl kaum eine Frau, die nicht von Schmuck fasziniert ist. Nur bei der Frage des Stils mag es Geschmacksunterschiede geben. Die eine bevorzugt edles Material wie Gold oder Platin, das von einem Goldschmied nur für sie geformt wurde, während die andere sich an Silber oder auch Edelstahl erfreut, wenn das Design nur stimmt. Schließlich ist es auch eine Frage des Geldbeutels, welche Art von Schmuck man trägt. Schön ist letztendlich das, was (der Trägerin) gefällt.

Auch die Kombination von immer neuen Materialien macht Schmuck für die Trägerin interessant. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Davon kann man sich auch auf dieser Ausstellung überzeugen, die Schmuck aus den Jahren 1899 bis 1914 zeigt. Zu sehen sind Arbeiten der Architekten Peter Behrens, Rudolf Bosselt, Paul Bürck, Hans Christiansen, Ludwig Habich, Patriz Huber und Joseph Maria Olbrich, die sich ansonsten mit Möbeln und Kunstgewerbe beschäftigten. „Es entstand kein einheitlicher ,Darmstädter Stil‘, auch wenn es hin und wieder einen gestalterischen Austausch gab – dafür waren alle zu sehr künstlerische Individuen“, betonen die Ausstellungsmacher. „Aber das Zusammensein scheint neue kreative Impulse freigesetzt und vielleicht die Energie für neue Ausrichtungen bewirkt zu haben.“

Alle sieben Pioniere der Künstlerkolonie entwarfen Schmuck. „Sogar ihr Mäzen, Großherzog Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein, schuf – erfasst vom allgemeinen kreativen Furor – eigene Entwürfe“, erläutern die Ausstellungsmacher. „Eine markante, oft neuartige Formensprache zwischen abstraktem Symbolismus und geometrisierender Abstraktion, die selbstverständliche Einbindung der Schmuckentwürfe in die Gesamtkunstwerke der Architektur und Lebensgestaltung sowie die beispielhafte Zusammenarbeit mit der Pforzheimer Schmuckindustrie, die neben exklusiver Juwelierproduktion eine bis dato unbekannte Serienproduktion künstlerischer Entwürfe erlaubte: Dies sind bei aller Unterschiedlichkeit der künstlerischen Cha-raktere übergreifende und zukunftsweisende Aspekte des Schmuckschaffens der Darmstädter Künstlerkolonie, dessen Bedeutung und Strahlkraft weit über die Mathildenhöhe hinausreicht.“

Der Tausendsassa Olbrich entwarf Künstlervillen und Ateliergebäude ebenso wie einfache Gebrauchsgegenstände. Möbelstücke, Musikinstrumente, Keramikgeschirre und sogar Briefkästen entstanden in seinem Atelier. 1906 erhielt er seinen letzten, den größten Auftrag: Er sollte das Warenhaus der Leonhard Tietz AG (später Kaufhof) in Düsseldorf entwerfen.

Olbrich starb 1908 im Alter von nur 40 Jahren in Düsseldorf. Seine Entwürfe für Schmuck-stücke begeistern noch heute: „Olbrichs frühe, teilweise noch in Wien entstandene Schmuckentwürfe sind floral bestimmt und entsprechen seinem damaligen Dekorsystem, wie man es auch innerhalb seiner Architektur oder Innenausstattung findet. In Darmstadt geht die Tendenz stärker hin zur Abstraktion und Berücksichtigung der Eigenästhetik der Materialien“, betonen die Darmstädter.

Die Ausstellung auf der Mathildenhöhe präsentiert eine beeindruckende Auswahl erlesener Objekte, die insbesondere aus der bedeutenden Jugendstilschmuck-sammlung des Hessischen Landesmuseums Darmstadt stammen, darunter unter anderem auch Arbeiten der bedeutenden Pariser Juweliere, Goldschmiede und Emailleure René Lalique und Georges Fouquet sowie André-Fernand Thesmar und Lucien Gaillard. Die etwa 150 Schmuckobjekte – Armbänder, Broschen, Gürtelschließen, Halsketten, Manschettenknöpfe oder Zigarettenetuis – werden inmitten einer originalen Innenausstattung von Joseph Maria Olbrich präsentiert. Nicht zuletzt auf diese Weise wird die Einbindung der Schmuckentwürfe in die Gesamtkunstwerke der Architektur und Lebensgestaltung deutlich.        Silke Osman

Die Ausstellung „Die Darmstädter Künstlerkolonie und der Schmuck“ ist bis zum 11. Dezember im Museum Künstlerkolonie, Olbrichweg 13 a, Darmstadt, dienstags bis sonntags von 11 bis 18 Uhr zu sehen, Eintritt 5 / 3 Euro.


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