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17.09.11 / Balsam für die Seele / Max Liebermann malte an der holländischen Küste Bilder von unvergänglichem Reiz

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-11 vom 17. September 2011

Balsam für die Seele
Max Liebermann malte an der holländischen Küste Bilder von unvergänglichem Reiz

Liebermanns malerisches Werk dokumentiert wie kaum ein anderes die Veränderungen innerhalb der Kunst und der Gesellschaft im Deutschland des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts.

Mitten hinein in den Sommer führt eine Ausstellung, die zuvor in der Liebermann-Villa am Wannsee zu sehen war und jetzt im Museum Kunst der Westküste auf der nordfriesischen Insel Föhr gezeigt wird. Etwa 50 originale Werke Liebermanns, Gemälde, Pastelle und Grafiken, warten auf den Besucher. Auf Föhr ist Liebermann nie gewesen. Dennoch korrespondiert die Ausstellung „Liebermann am Meer“ hervorragend mit der ständigen Sammlung des Museums. Dort sind Werke deutscher, dänischer, niederländischer und norwegischer Künstler aus der Zeit von 1830 bis 1930 vereint, die sich eingehend mit den Themen Meer und Küste auseinandergesetzt haben. Der Bestand, der aus der privaten Sammlung des Pharmaunternehmers Frederik Paulsen hervorgegangen ist, umfasst derzeit etwa 500 Gemälde und grafische Werke. Zur ständigen Sammlung gehören Arbeiten von Max Beckmann, Johan Christian Dahl, Max Liebermann, Emil Nolde und Edvard Munch.

„Liebermann am Meer“, das ist eine Begegnung mit der holländischen Küste, mit dem Strandleben des ausgehenden 19. Jahrhunderts. 1872 war Liebermann erstmals nach Holland gereist, um dort zu malen. Scheveningen, Noordwijk, Katwijk und Zandvoort hat er oft besucht. Zunächst schuf er Bilder vom einfachen Leben und schilderte die Mühe des vorindustriellen Alltags. Berühmt sind seine „Netzeflickerinnen“ oder der „Bauer in den Dünen“. „Erst unter dem Eindruck des französischen Impressionismus veränderte sich seine Malerei und mit ihr das Verhältnis zur holländischen Landschaft“, erläutert Martin Fass, Museumsleiter der Liebermann-Villa. „Aus der Marsch- und Dünenlandschaft, die Liebermann beschäftigt hatte, trat er nun heraus ans Meer und ließ den Blick über den Strand und die weite Wasserfläche schweifen.“ Von 1896 an fuhr er immer wieder zu längeren Sommeraufenthalten an die holländische Nordseeküste, um sich von den Motiven der See inspirieren zu lassen. Er malte badende Kinder, Damen unter Sonnenschirmen, Reiter am Strand. Seine Farben wurden lichter, und Zeitgenossen waren begeistert: „Man riecht förmlich die Seeluft“, schwärmten sie.

In Noordwijk, wo Liebermann in Strandnähe wohnte, sah man ihn mit Staffelei und Farbkasten losziehen. Alfred Gold schilderte 1927 im „Berliner Börsen-Courier“, wie Liebermann in den Dünen stehend eine Tennispartie malte. „Ich sehe noch heute die gespannte Haltung, in der er, mit Malstock und Pinsel wie mit Waffen hantierend, vor- und zurücktretend, gleichsam immer neu zum Kampf ansetzte. In entscheidender Schlacht ging es um jeden Strich! Der Tennisspieler in seiner pfeilschnellen gedrehten Bewegung … das konnte nicht gesucht, nicht erklügelt werden; das musste wie ein Blitz aus dem Pinsel schießen. Eine glückliche Sekunde, und der Fleck saß.“

Oft aber skizzierte Liebermann das Gesehene auch nur, um es dann in seinem Berliner Atelier auszuführen. Kritiker bescheinigen ihm durch den räumlichen und zeitlichen Abstand eine Intensivierung der Darstellung. „Was man nicht aus dem Kopf malen kann, kann man überhaupt nicht malen“, schrieb Liebermann in einem Aufsatz 1904. „Wir malen nicht die Natur, wie sie ist, sondern wie sie uns erscheint, das heißt wir malen sie aus dem Gedächtnis.“

„Nur wer mit eigenen Augen anschaut und nebenbei auch noch die Fähigkeit besitzt, das original Geschaute wiederzugeben, ist Künstler“, schrieb er zehn Jahre zuvor 1894 in einem Brief an den Kunsthistoriker Woldemar Seidlitz. Und Liebermann ging es um die authentische Wiedergabe der Natur. Die fand er zunächst in der Landbevölkerung. Erst später ging er dazu über, auch das Meer zu malen. So hielt er 1896 erstmals badende Knaben in Zandvoort mit dem Pinsel fest. Ein Motiv, das er daraufhin immer wieder malte.

Für Max Liebermann war das Meer „die weite Wasserfläche, deren salzige Frische in den Sommermonaten uns Kühlung zuweht, die zum Baden und Segeln lockt, auf deren blendendem Sande die Erwachsenen promenieren und faulenzen, die Kinder spielen, die Strandkörbe und Badekarren sich reihen; es ist das Meer der Badegäste“. – „Nach einem so verregneten Sommer wie in diesem Jahr sind diese Bilder Balsam für die Seele“, schmunzelte ein Besucher der Ausstellung in Berlin. Auch in Alkersum auf Föhr wird der Kunstfreund diese Liebermann-Bilder mit Dankbarkeit aufnehmen, zeigen sie doch die See von ihrer meist freundlichen Seite.

Silke Osman

Die Ausstellung „Liebermann am Meer“ ist vom 18. September bis 15. Januar 2012 im Museum Kunst der Westküste, Hauptstraße 7, Alkersum auf Föhr dienstags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr, donnerstags bis 20 Uhr (bis 31. Oktober), dienstags bis sonntags von 12 bis 17 Uhr (1. November bis 15. Januar) geöffnet; Eintritt 7/4 Euro, der Katalog aus dem Hirmer Verlag (132 Seiten, Klappbroschur) kostet 34,90 Euro.


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