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17.09.11 / Verzeihen für Versöhnung / Palästinenser trotz Tod der Töchter nicht von Hass verzehrt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-11 vom 17. September 2011

Verzeihen für Versöhnung
Palästinenser trotz Tod der Töchter nicht von Hass verzehrt

Ist es möglich, dass dieser Mann wirklich ohne jeden Hass ist? Dabei wäre Hass in seinem Fall nur allzu verständlich. Izzeldin Abuelaish, Autor des Buches „Du sollst nicht hassen. Meine Töchter starben, meine Hoffnung lebt weiter“, wurde 1955 als Flüchtlingskind im Gaza-Streifen geboren. Trotz Armut, Hunger und Kinderarbeit schaffte er es, Medizin zu studieren, und erlangte sogar eine Anstellung als Gynäkologe in Israel. Doch sein allwöchentlicher Gang zur Arbeit vom Gaza-Streifen nach Israel war stets mit viel Geduld verbunden, denn der Grenzübertritt dauert lange und war immer mit sinnlosen Schikanen verbunden. Trotzdem arbeitete Abuelaish gern in dem Krankenhaus in Israel, nutzte seine guten Kontakte zu Israelis und genoss relativ viele Freiräume, da man ihn zu verschiedensten Mediziner-Fortbildungen und –Kongressen reisen ließ. Doch spätestens als er eilig von Brüssel zurück nach Hause musste, weil seine Frau mit akuter Leukämie ins Krankenhaus eingewiesen wurde, hätte der geduldige Mann die Hindernisse, die mit seiner palästinensischen Herkunft verbunden sind, hassen müssen. Und er war auch kurz davor, denn er hing Stunden um Stunden an einem Grenzübergang fest, während seine Frau im Sterben lag. Abuelaish kam rechtzeitig, aber nur noch, um seiner sterbenden Frau die Hand zu halten. Danach hatte er genug von seinem Lebensumfeld.

„An diesem Tag war ich dem Himmel so nah und der Hölle so fern, wie es nur irgend geht, an diesem einsamen Stück Strand nur vier Kilometer von dem Elend des Gaza-Streifens entfernt, wo Wellen an das Ufer schwappten, als wollten sie das Gestern fortwaschen und dem Morgen einen frischen Neubeginn bereiten. Wir sahen vermutlich aus wie jede andere Familie am Strand – meine beiden Söhne und meine sechs Töchter … Die Kinder tobten im Wasser … Doch der Schein der Bilderbuchfamilie trog … Es war der 12. Dezember 2008, nur zwölf kurze Wochen, nachdem meine Frau Nadia an akuter Leukämie gestorben war.“ An diesem idyllischen Tag fragte der Arzt seine Kinder, ob sie mit ihm nach Kanada auswandern würden, da man ihm dort eine Stelle angeboten hatte. Die Kinder stimmten zu, hofften auf einen Neuanfang in einer Welt ohne ständige kriegerische Auseinandersetzungen zwischen Palästinensern und Israelis, doch statt Neuanfang erwartete sie eine noch größere Katastrophe als der Tod der Mutter.

Doch wenngleich Abuelaish Kind von der Vertreibung traumatisierter Eltern ist und drei seiner Töchter bei israelischen Bombardements starben, obwohl die Israelis wussten, dass er mit seiner Familie in dem Haus wohnte, hasst er nicht. Er begründet es damit, dass er als Arzt weiß, dass Israelis und Palästinenser im Grunde die gleichen Sorgen und Probleme haben. Ob israelisches oder palästinensisches Baby, beiden helfe er gern auf die Welt, die er mit seinem Buch und zahlreichen Vorträgen darüber, dass man nicht hassen soll, verändern will. 2010 wurde er deswegen sogar für den Friedensnobelpreis nominiert.

Doch so ganz scheint er nicht davon überzeugt, dass der Frieden bald Wirklichkeit wird. Nach dem Tod seiner drei Töchter zog er mit den verbliebenen Kindern, die zum Teil schwer traumatisiert waren, doch nach Toronto. Hier erlebt er, wie seine Kinder angesichts der neuen Freiheiten aufblühen. Er will aber eines Tages zurückkehren, denn Gaza sei seine Heimat. Rebecca Bellano

Izzeldin Abuelaish: „Du sollst nicht hassen. Meine Töchter starben, meine Hoffnung lebt weiter“, Lübbe, Köln 2011, gebunden, 245 Seiten, 19,99 Euro


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