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24.09.11 / Mit Steinchen aus Gold, Glas und Marmor »gemalt« / Kostbare Mosaikkunst aus dem Vatikan und aus Preußen zeugt von der Handfertigkeit der Künstler vergangener Jahrhunderte

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-11 vom 24. September 2011

Mit Steinchen aus Gold, Glas und Marmor »gemalt«
Kostbare Mosaikkunst aus dem Vatikan und aus Preußen zeugt von der Handfertigkeit der Künstler vergangener Jahrhunderte

Sie ist weit haltbarer als die Malerei und bringt einzigartige Leuchteffekte hervor: die Mosaikkunst. Kostbarste Beispiele vom Mittelalter bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts präsentiert die Städtische Galerie Überlingen. Die rund 100 Mosaiken und Mosaikentwürfe sind aus dem Vatikan, Florenz, London und deutschen Museen an den Bodensee gereist.

Mit einem bezwingenden Blick aus großen blauen Augen schlägt den Besucher der überlebensgroße Kopf des Apostels Petrus in seinen Bann. Es handelt sich um das einzige erhaltene Fragment des Triumphbogenmosaiks (440 bis 450) der Basilika Sankt Paul vor den Mauern in Rom.

Ebenfalls erstmals ausgestellt sind Kostbarkeiten aus dem alten Petersdom. Sie stammen aus der im Jahre 706 geweihten, 1609 abgebrochenen Grabkapelle von Papst Johannes VII. und werden einem anonymen byzantinischen Mosaizisten zugeschrieben. Die Mosaikfragmente aus Gold, Glas, Marmor und weiteren Steinsorten zeigen den sanft lächelnden Christus, der im Segensgestus die Rechte bis zur Brust erhoben hat, sowie Papst Johannes VII., der ein Modell seiner Grabkapelle in den Armen hält. Den heutigen Betrachter mag verwundern, dass der Heilige Vater mit einem rechteckigen Nimbus ausgestattet ist. Der aber zeigt an, dass sein Stifterbildnis noch zu Lebzeiten geschaffen wurde.

Andere Glanzlichter der Malerei mit Glas und Stein sind aus Florenz zu Gast. Valerio und Francesco Zuccato, berühmt für ihre Mosaiken im Markusdom von Venedig, haben das nach einem Entwurf Tizians gesetzte Mosaikbildnis des Kardinals und Gelehrten Pietro Bembo (1470–1547) signiert und auf 1542 datiert. Sanft schimmert das Mosaikbild, das den würdevollen Greis als Halbfigur in Lebensgröße darstellt. Sein Kardinalshut hängt links in der oberen Bildecke. Kardinal Scipione Borghese, Begründer der weltberühmten Gemäldesammlung Galleria Borghese in Rom, machte einst dem toskanischen Großherzog Ferdinando II. dei Medici das frohgemut wirkende Glasmosaikgemälde zum Geschenk, das eine von vielen anderen Vögeln umgebene Eule im Eichengeäst zeigt. Geschaffen wurde das auf 1616 datierte naturalistische Werk von Marcello Provenzale, dem Erfinder einer extrem kleinteiligen Mosaikkunst, die von zahlreichen Mosaizisten aufgegriffen wurde. Auch die als „Pietra dura“ oder „Florentiner Mosaik“ bezeichnete Technik ermöglicht illusionistische und malerische Effekte.

Doch streng genommen handelt es sich nicht um Mosaikkunst, sondern um Intarsienarbeit in Stein, bei der die Fugen nahezu unsichtbar sind. Gezeigt wird Francesco Ferruccis posthumes Bildnis (um 1598) des grimmig dreinschauenden toskanischen Herzogs Cosimo I. aus dem Hause Medici. In Erinnerung geblieben ist er als skrupelloser, über Leichen gehender Despot, bei dem nicht nur Kaiser Karl V. in der Kreide stand.

Der weitere Rundgang führt zu äußerst kleinteiligen Mikromosaiken, die Döschen schmücken oder sich an einem Halsschmuck (um 1850) zu ausgelassenen Bacchanten fügen.

Ein Probemosaik aus der Produktion der von Kaiser Wilhelm II. mit der Ausschmückung der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, des Berliner Doms und zahlreichen weiteren Großaufträgen bedachten Deutschen Glasmosaikanstalt Puhl & Wagner ist der „Deutsche Reichsadler“ (vor 1897).

Erstmals ausgestellt sind die aus London angereisten Kartons, die Sir William Blake Richmond 1891 mit Bildvorlagen für die Glasmosaiken an der Decke über dem Chor der St.-Pauls-Kathedrale versehen hat. In monumental wirkender Vereinfachung der Form zeigen sie König David als Melancholiker sowie die Allegorien der Hoffnung und der Gerechtigkeit. Veit-Mario Thiede

Die Ausstellung in der Städtischen Galerie Überlingen, Seepromenade 2, ist bis 9. Oktober täglich von 10 bis 13 und von 14 bis 18 Uhr zu sehen. Das Begleitheft kostet 4,95 Euro, der Katalog aus dem Michael Imhof Verlag in der Ausstellung 19,95 Euro, im Buchhandel 29,95 Euro


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