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01.10.11 / Jede Mikrosekunde zählt / Hochfrequenzhandel im Zwielicht – »Spiel« nur für Großbanken

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-11 vom 01. Oktober 2011

Jede Mikrosekunde zählt
Hochfrequenzhandel im Zwielicht – »Spiel« nur für Großbanken

Der automatisierte ultraschnelle Wertpapierhandel durch Computerprogramme wird an den Börsen immer dominierender – Folge der bisher kaum beaufsichtigten Entwicklung sind immer stärkere Kursausschläge an den Märkten. Verantwortlich hierfür ist der Hochgeschwindigkeitshandel, der sogenannte „High Frequency Trading“ (HFT-Trading). Vollkommen automatisch werden dabei in Sekundenbruchteilen Wertpapiere gekauft oder verkauft. Aktiv werden die Programme, wenn zwischen Kauf- und Verkaufsgeboten an der Börse selbst geringste Kursdifferenzen auftauchen. Durch hohe Umsatzzahlen summieren sich selbst geringe Spannen zu ansehnlichen Gewinnen. Auf der Suche nach Preisdifferenzen werden die verschiedensten Börsen und Kursanbieter automatisch abgefragt. Neben den Computerprogrammen, die Gewinnchancen aufspüren, ist die Geschwindigkeit eine entscheidende Voraussetzung für die neue Gewinnmasche der Großbanken. Die Geschäfte werden innerhalb von Mikrosekunden abgewickelt.

Von Kritikern des Hochgeschwindigkeitshandels wird sogar argumentiert, dass nicht die ausgefeilten Programme für den automatisierten Handel, sondern nur der Zeitvorsprung, also ein Informationsvorsprung vor anderen Marktteilnehmern, das eigentliche Geschäftsgeheimnis sei. Voraussetzung für den Erfolg sind leistungsstarke Datenleitungen, möglichst sogar in räumlicher Nähe zu Börsen. Mithalten können da nur noch wenige Firmen. Geschätzt wird, dass weltweit nur 200 Unternehmen wie Großbanken oder Hedgefonds auf dem Gebiet des Hochgeschwindigkeitshandels tätig sind. Diese sorgen allerdings inzwischen für 50 Prozent aller Umsätze an den Börsen. Auf der Strecke bleiben nicht nur private Anleger, sondern sogar mittelgroße Banken, die an den Börsen immer mehr als bloße Zuschauer agieren.

Nicht nur sie haben immer mehr den Eindruck, dass durch den automatisierten Handel sich Kursbewegungen einzelner Aktien zunehmend von der wirtschaftlichen Realität abkoppeln. Folge der inzwischen dominierenden Handelstechnik ist, dass Kursbewegungen immer drastischer ausfallen oder sogar in regelrechten Kurszusammenbrüchen münden, wie im Mai 2010, als der Dow-Jones-Index innerhalb von Minuten um 1000 Punkte einbrach.

Es sind solche Ereignisse, welche selbst Bankenvertreter über Selbstbeschränkungen nachdenken lassen und bei den Aufsichtsbehörden zum Ruf nach Regulierung führen. Die dürfte allerdings immer schwieriger werden. Die Märkte fragmentieren immer stärker: Großbanken betreiben zunehmend eigene Handelsplattformen, die sogenannten „Darkpools“, wie zum Beispiel Goldman Sachs mit „Sigma X“, die unter den derzeitigen Bedingungen kaum noch kontrollierbar sind. Sollten sich die europäischen und amerikanischen Regulierungsbehörden mit ihren Plänen zur Beschränkung des Hochfrequenzhandels oder der Pflicht zur Offenlegung der Algorithmen eines Tages durchsetzen oder sollte gar eine flächendeckende Finanztransaktionssteuer kommen, stehen auch bereits alternative Börsenplätze wie etwa Singapur bereit. Norman Hanert


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