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01.10.11 / Als die Hohenzollern Brandenburg übernahmen / Ausstellung im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte zeigt sakrale Kunst von 1411 bis 1530

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-11 vom 01. Oktober 2011

Als die Hohenzollern Brandenburg übernahmen
Ausstellung im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte zeigt sakrale Kunst von 1411 bis 1530

Brandenburgs Geschichte ist seit 1411 mit dem Herrscherhaus der Hohenzollern verbunden. In jenem Jahr machte nämlich König Sigismund den Nürnberger Burggrafen Friedrich VI. von Hohenzollern zum Verwalter der Mark. Dem 600. Jahrestag dieses Ereignisses trägt das Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte in Potsdam (HBPG) mit einer Ausstellung über die sakrale Kunst jener Epoche Rechnung.

„Märkische Kunst – Bilderwelt des Mittelalters“, so der Titel dieser HBPG-Ausstellung, ist Teil des Ausstellungsverbundes „Raubritter und schöne Madonnen“, der sich außerdem in Berlin, Ziesar und Brandenburg an der Havel mit dem späten Mittelalter auseinandersetzt. Bis zum 8. Januar werden im HBPG 60 Ausstellungsstücke gezeigt, die unter diesem Oberbegriff noch nie zusammen zu sehen waren. Sie versammelt Kunstwerke von 1411 bis 1530 und bietet „hochrangige, bislang aber weitgehend unbekannte Meisterwerke märkischer Kunst“. Eine frühe kulturelle Blütezeit des Landes tritt damit wieder ins öffentliche Bewusstsein. Manche der alten Kunstschätze wurden eigens für die Ausstellung restauriert. Auch bringt diese einige seit dem 19. Jahrhundert verstreute Altarfiguren wieder zusammen, so aus St. Jakobi in Perleberg und der im 19. Jahrhundert abgerissenen Komturei der Templer, später Johanniter, in Tempelhof (Berlin).

An den einzelnen Regionen orientiert, erlaubt die Ausstellung einen Blick auf die Vielfalt spätmittelalterlicher Kunst im Land, wie sie sonst bestenfalls eine mehrtägige Besichtigungstour über Land möglich macht. Denn die „hochkarätigen Leihgaben“ des Stadtmuseums Berlin, des Nationalmuseums Stettin, des Dommuseums Brandenburg sowie der Stadtmuseen von Perleberg, Bernau, Dahme, Havelberg, Pritzwalk und Angermünde werden ergänzt von Exponaten vieler Kirchengemeinden Brandenburgs und Sachsen-Anhalts. Erfreulicherweise richtet sich die „Bilderwelt“ nach den damaligen politischen wie künstlerisch-kulturellen Zusammenhängen und bezieht deshalb auch Werke aus Böhmen ein, was den Übergang der Herrschaft über Brandenburg von den böhmischen Herrschern aus dem Hause Luxemburg zu den aus Franken kommenden Hohenzollern anschaulich macht. Eindrucksvoll tritt die Förderung der Künste durch die neuen Herren in der Mark zutage. Wirtschaftlicher Aufschwung, neue Bauwerke und Stiftungen lockten Künstler ins Land.

Auch die heute zu Sachen-Anhalt gehörende Altmark steuert in diesem Sinn manchen Kunstschatz bei. So legt das Ölbergretabel als Flügelaltar aus dem St. Annenkloster in Stendal Zeugnis vom künstlerischen Aufschwung in der Altmark ab, der sich im Zuge der Verfestigung der Hohenzollernherrschaft vollzog.

Das gleiche gilt für die Neumark, die nach vielen Wirren 1454 vom Deutschen Orden verpfändet und wenige Jahre später vom brandenburgischen Kurfürsten Friedrich II. gekauft wurde. Die Neumark repräsentieren vor allem Madonnenfiguren. Ob sie mehr Pommerinnen oder Schlesierrinnen glichen, hing ganz vom Stil der in der Neumark ansässigen Schnitzer ab.

Manche der Kirchenschätze tragen auch hanseatische Züge wie ein Apostel aus Perleberg. Passend zum Trend des Pilgerns auf dem Jakobsweg würdigt die Ausstellung den im Mittelalter europaweit bekannten Wallfahrtsort Willsnack. Der historische Pilgerweg von Berlin nach (Bad) Wilsnack, auf dem jahrhundertelang die Jakobspilger unterwegs waren, wurde erst jüngst wiederbelebt. Die an der Berliner Marienkirche beginnende Wilsnacker Wallfahrt zur dreischiffigen „Wunderblutkirche“ ebbte erst mit der Reformation ab. Kurfürst Friedrich II. von Brandenburg (1413-1471) stiftete dort zuvor den Hochaltar. Die Figur „Sitzender Apostel“ aus eben dieser Kirche St. Nicolai lenkt gleich zu Anfang die Blicke der Ausstellungsbesucher auf eine Epoche, in der Pilger sogar aus Ungarn und von den britischen Inseln zum Ort der Wunderblutlegende von 1383 reisten.

Neben den Kunstwerken führt ein umfangreiches Begleitprogramm in die Zeit, als die Hohenzollern ihre neue Macht gegen den alteingesessenen Adel durchsetzten, so gegen „Die Quitzows in der Westprignitz“, zu deren Spuren beispielsweise eine Exkursion einlädt. Durch den Ausstellungsverbund mit dem Märkischen Museum sollen diese als Kampf gegen Raubritter bekannten frühen Maßnahmen der Hohenzollern zur Festigung ihrer Herrschaft näher untersucht werden.

Der aktuellen Schau gingen bereits intensive neue wissenschaftliche Untersuchungen an mittelalterlichen Kunstwerken der Mark voraus. Mit einer eigenen Ausstellung „geSchichten und beFunde“ macht das Märkische Museum im Rahmen von „Raubritter und schöne Madonnen“ darauf aufmerksam, beispielsweise anhand einer Madonna aus Braunsfelde bei Friedeberg (Neumark).

Während so manches dieser Kunstwerke selbst den Experten noch Rätsel aufgibt, ist das Erbe zugleich vom Verfall bedroht. Eine Restaurierungswerkstatt im HBPG soll den Besuchern den Blick dafür schärfen. Sie führt vor, wie eine Vergoldung aufgebaut ist, worin sich Fresko- und Seccomalerei unterscheiden oder was eine Fassmalerei ist. Weitere Angebote von einer Bildhauerwerksstatt bis zu mittelalterlichem Tanz runden das Angebot ab. Sverre Gutschmidt

Nähere Informationen bietet das Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte, Kutschstall, Am Neuen Markt 9, 14467 Potsdam, Telefon (0331) 62085-50, Fax (0331) 62085-59, E-Mail: info@hbpg.de

Ausstellungsband: Clemens Bergstedt (Hg.), Heinz-Dieter Heimann (Hg.), Knut Kiesant (Hg.), Peter Knüvener (Hg.), Mario Müller (Hg.), Kurt Winkler (Hg.): Im Dialog mit Raubrittern und Schönen Madonnen - Die Mark Brandenburg im späten Mittelalter. 460 Seiten, 300 Abbildungen, 21,0 x 28,0 Zentimeter, Lukas-Verlag Berlin 2011, ISBN 978-3-86732-118-1, 30 Euro in Deutschland, 24,95 Euro

Frühe, kaum bekannte Blütezeit „Märkische Kunst“ des Mittelalters erstmals in umfassender Ausstellung


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