20.04.2024

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01.10.11 / Gescheitert / Tragischer Held landet im Suff

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-11 vom 01. Oktober 2011

Gescheitert
Tragischer Held landet im Suff

Richard Yates ist einer der größten US-Autoren des 20. Jahrhunderts. Richard Ford, Raymond Carver, Kurt Vonnegut oder Stewart O’Nan verehrten den Kollegen, der 1992 in Folge seiner Alkoholsucht starb. Auch wenn beispielsweise Ernest Hemingway, der vor rund 50 Jahren den Freitod suchte, zu Lebzeiten ungleich berühmter war als der versoffene und verarmte Yates, dürfte der literarische Stern des Autors von „Zeiten des Aufruhrs“ noch strahlen, wenn Hemingway vergessen ist. Yates hat auch den Lesern des Jahres 2011 noch etwas zu sagen, während Hemingways Macho-Masche schon etwas abgestanden riecht.

Manche Kritiker halten „Ruhestörung“ (1975) für eines der schwächeren Werke des 1926 in Yonkers, New York, geborenen Autors, der sich unter anderem als Redenschreiber für Robert Kennedy seinen Bourbon, pardon, seine Brötchen, verdiente.

John Wilder, der tragische Held des Romans, dessen Scheitern von Anfang an feststeht, ist ein verheirateter, 36-jähriger Familienvater und erfolgreicher Anzeigenverkäufer. Doch der körperlich Kleinwüchsige fühlt sich zu Höherem berufen. Stattdessen landet er in der geschlossenen Psychiatrie des Bellevue Hospital. Die Schilderungen der Zustände in diesem Asyl für gewalttätige Männer gehört zu den bedrückendsten Passagen des Romans. Wilder verlässt das eigentlich perfekte Leben mit Frau und Kind sowie seinen lukrativen Job für eine vermeintliche Karriere beim Film. Die Anonymen Alkoholiker können ihn nicht wieder auf den rechten Pfad führen, genauso wenig wie die Hilfe eines Psychiaters. Der manische Säufer, Weiberheld und Berserker scheitert an sich selbst. Er, der alle Anlagen hat, um den „amerikanischen Traum“ zu leben, erlebt einen rasanten Abstieg in die Hölle von Suff und geistiger Umnebelung.

Yates hat viele seiner schlechten Eigenschaften auf seinen Protagonisten übertragen. Auch er hat es Zeit seines Lebens nicht geschafft. Dafür hat er wunderbare Bücher hinterlassen, die in Deutschland erst seit einigen Jahren wiederentdeckt werden. Ansgar Lange

Richard Yates: „Ruhestörung“, DVA, München 2011, gebunden, 319 Seiten, 19,95 Euro


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