25.04.2024

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01.10.11 / Der Wochenrückblick mit Klaus J. Groth

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-11 vom 01. Oktober 2011

Der Wochenrückblick mit Klaus J. Groth
Schweigen ist Gold / Was der Papst alles nicht sagte / Statt Russisch Roulette jetzt die Russische Rochade / Warum Milliarden Euro kein Geld sind

Wer denkt sich das bloß immer aus? Noch bevor der Mann mit den roten Schuhen in Berlin gelandet war, wussten wir alle, worüber der Papst im Bundestag sprechen werde. Über die Kirche in Not. Über Sex. Über die Welt-Penunzen-Krise. Die von zahlreichen Schlaumeiern aufgemachte Themenliste war lang – und von keiner Kenntnis getrübt. Wenn sie einmal nachgedacht hätten (was empfehlenswert ist, weil sie für sich in Anspruch nehmen, für uns alle vorzudenken), dann hätte ihnen auffallen müssen, wie dämlich ihr Themenkatalog ist.

Unsere Vordenker, geschult in Aberdutzenden von Fortbildungsseminaren mit Themen wie „Dem Volk aufs Maul schauen – und dann drauf hauen“, oder „Papisten und Populisten – ausmisten“, meinen aber, sie könnten auf das Nachdenken getrost verzichten. Wenn sie dann etwas von sich geben, was ähnlich unverständlich ist, wie es die Rede des Papstes vor dem Bundestag war, wird das als der Nachweis intellektueller Überhöhung angesehen. Als der Benedikt geendet hatte, wiesen etliche überforderte Kommentatoren auf die Möglichkeit hin, die Reden noch einmal im Internet nachzulesen, vielleicht verstehe man dann ja, was gemeint gewesen sei.

Aber schön war sie, die Rede. Sie hat gefallen, weil sie an die Zuhörer einen gewissen Anspruch stellte. Doch, doch, das ist wie bei zeitgenössischer Musik, die muss man weder mögen noch verstehen, aber wer sagt, sie gefalle ihm nicht, der hat schon verloren. So schöne Worte, wie der Papst sie fand, die muss man einfach mögen. Außer diesem Abgeordneten von den Grünen, der immer mit einem roten Schal herumläuft. Dem hat es wohl nicht gefallen oder er wurde von einem gewissen Druck getrieben, jedenfalls ist er raus. Irgendwie muss das eine wichtige Nachricht gewesen sein, denn sein Name wurde im Fernsehen, im Rundfunk und am nächsten Tag in den Zeitungen immer wieder genannt. Vielleicht ist er ja einzig und allein aus diesem Grund gegangen?

Ja, warum hat der Papst denn nun nicht über die Kirche in Not gesprochen? Wo sie doch alle so darauf gewartet haben, die Gesine Lötzsch und der Klaus Ernst ganz vorne an. Richtig an den Lippen des Papstes haben sie gehangen, aber nix war mit „Mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa“. Das wäre doch das Mindeste gewesen, was man von diesem Papst hätte erwarten dürfen, wenn man schon aus Staatsräson im Bundestag antreten muss. Aber er wird schon merken, was er davon hat, sich an diesem Thema vorbei zu mogeln. Im kommenden Jahr, wenn er 85 Jahre alt wird, bekommt er von dem Duo Lötzsch/Ernst ganz bestimmt nicht so einen schönen Brief, wie die beiden ihn aus gleichem Anlass an den „lieben Genossen Fidel“ schrieben, in dem sie dem Castro ihre „unzerbrüchliche Freundschaft“ versicherten.

Über Sex hat der Benedikt auch nichts gesagt. Klar, bei dem Thema konnte er in Berlin nur von einem Fettnäpfchen ins nächste stolpern. Die gegen seinen Besuch demonstrierten, verstehen unter Sex sowieso etwas vollkommen anderes als der Papst. Dazu hat Benedikt schon alles gesagt, was er zu sagen hat. Er ist ein kluger Mann und weiß, dass es gelegentlich besser ist, zu schweigen als zu reden.

Wenn Schweigen Gold ist, trat Benedikt in Berlin als vermögender Mann auf. Auch zur Welt-Penunzen-Krise kein Wort. Das allerdings ist verwunderlich. Wo doch jeder etwas dazu zu sagen weiß. Wo es doch gar kein anderes Thema mehr gibt. Und der Heilige Vater gerade in diesen Dingen von höchster Kompetenz ist. Das muss man leider sagen: Diese Chance ging am Heiligen Stuhl vorbei. Aber vielleicht fürchtete der Papst, jemand komme auf den Gedanken, den Vatikan als Bad Bank zu nutzen. Schließlich ist Italiens Kreditwürdigkeit gerade herabgestuft worden.

Bekanntlich gibt es im Vatikan noch immer keine Doppelspitze. Warum so etwas gut wäre, hätte er von Wladimir Putin lernen können. Der inszeniert gerade das Lehrstück, wie man es schafft, niemals weg zu sein und dann wieder zu kommen. Das geht prima nach dem Muster der Russischen Puppe, der Matroschka. Sie wird auch Puppe in der Puppe genannt, weil in jeder hohlen Puppe eine weitere Puppe von gleichem Aussehen steckt. Wladimir Putin und Dimitri Medwedew fügen dem nun eine weitere reizvolle Variante hinzu. Jetzt gibt es nämlich zwei Puppen: in jedem Medwedew steckt ein Putin, in jedem Putin steckt ein Medwedew. Auf Dauer allerdings wird das auch nicht spannender sein als mit nur einer Puppe, zumal Putin selbst erklärt hatte, es sei zweitrangig, wer welches Amt bekleide. Er vergaß allerdings hinzuzufügen: Das werde in jedem Fall er selbst sein. Doch dies Bäumchen-wechsle-dich-Spiel zwischen dem Amt des Ministerpräsidenten und dem des Präsidenten ist wirklich ein schöner Beweis für lupenreine Demokratie. Uns beschert das Manöver zudem einen interessanten neuen Begriff. Zu dem bekannten und beliebten „Russisch Roulette“ kommt nun die „Russische Rochade“ hinzu. Mehrfach gehäutete, altgediente Genossen in der Partei „Die Linke“ haben es schon früher gewusst: „Von der Sowjetunion lernen heißt siegen lernen.“ Da kann man immer noch was abgucken.

Man muss sich nur etwas einfallen lassen. Das sagte sich schon Freiherr von Münchhausen, als er sich am eigenen Zopf aus dem Sumpf zog. Wie gut so etwas funktionieren kann, zeigte sich in der Diskussion um die „Erweiterung des Euro-Rettungsschirms (EFSF)“. Für Deutschland ging es dabei um die läppische Aufstockung einer Bürgschaft von 123 Milliarden Euro auf 211 Millionen Euro. Ob wir das Geld haben, ist nicht wichtig. Bei einer Bürgschaft muss nur etwas versprochen werden, das fällt Politikern bekanntlich nicht schwer. Dabei geht der Bürge davon aus, dass er sein Versprechen niemals einlösen muss. Folglich handelt es sich bei einer Bürgschaft um eine reine Luftnummer, bei der Geld nur im Geiste bewegt wird.

Ohnehin brachte die Diskussion um den Rettungsschirm in dieser Woche dem Zeitgenossen einige überraschende Erkenntnisse. Zuerst stank es zum Himmel. Bei genauerem Hinsehen erkannte man so etwas wie einen Kreislauf, das musste der Kreislauf des Geldes sein. Nur war die Richtung des Kreislaufes nicht so richtig auszumachen. Mal schwappte es hierhin, mal dorthin. Auf jeden Fall war es ständig in Bewegung. Wem das viele Geld gehört, war ebenfalls nicht zu erkennen. Es schien zwar vorhanden, aber doch auch wieder nicht.

Wer versucht, dem Mysterium auf den Grund zu gehen, der stößt auf mehr Fragen als Antworten. Um nur einmal einige der Kanäle zu beschreiben, in denen das Geld scheinbar ziellos hin und her wabert, sei an diese Fakten erinnert: Europas Staaten (andere auch) sind alle überschuldet (einige hoffnungslos). Wer hat den Staaten die vielen Penunzen geliehen? Die Banken? Aber die Banken haben doch selbst kein Geld, die stecken in einer Krise. Sie haben teilweise nicht einmal ausreichend Eigenkapital. Die hoch verschuldeten Staaten greifen strauchelnden Banken unter die Arme. Gleichzeitig fordern sie, die Banken sollen gefälligst mehr eigenes Geld in der Kasse haben. Die Banken möchten ihre schlechten Schuldverschreibungen der in der Kreditklemme steckenden Staaten loswerden. Die Europäische Zentralbank (EZB) übernimmt den Ramsch. Nun sind die Banken das Risiko los, die EZB sitzt drauf. Und mit wessen Geld kann die EZB sich so etwas leisten? Im Vergleich zur EZB ist Dagobert Duck ein verdammt armer Schlucker.

Das alles haben wir in dieser Woche während der Diskussion über die Ausweitung des Rettungsschirms lernen können. Wir erfuhren von der Bundeskanzlerin selbst, dass man gar kein Geld braucht, um zig Milliarden Euro versprechen zu können. Aber in Wahrheit wissen wir nur: Die Finanzwelt ist so unergründlich wie das Weltall. Für den Himmel aber wäre dann doch der Papst zuständig. Der allerdings schwieg.

Hans Heckel ist diese Woche noch im Urlaub.


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