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08.10.11 / Steuerzahler gegen Todesstrafe / In den überschuldeten USA führen Gegner von Hinrichtungen das Kostenargument an

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-11 vom 08. Oktober 2011

Steuerzahler gegen Todesstrafe
In den überschuldeten USA führen Gegner von Hinrichtungen das Kostenargument an

Der Staat Georgia hat einen Mord begangen! Was wird die Welt von uns denken“, kommentierte eine Leserin der „Los Angeles Times“ verschreckt die dramatischen Umstände der Hinrichtung des schwarzen Amerikaners Troy Davis in Atlanta/Georgia am 2. September. Zu Recht, wenn man das internationale Aufsehen bedenkt, das dieser Fall ausgelöst hat.

Neben der persönlichen Tragik hat der Fall Davis jedoch auch eine andere, hoffnungsvolle Seite. Gerade weil er nicht im Verborgenen geschah und die Grausamkeit und die Ungerechtigkeit des Systems an die Öffentlichkeit brachte, hat er den Gegnern der Todesstrafe in Amerika ein äußerst wichtiges Argument geliefert. Denn das „Capital Punishment“ wird immer noch von 64 Prozent der US-Bevölkerung befürwortet und ist bis heute eine „Heilige Kuh“ für viele Politiker. Die Gretchen-Frage „Wie hältst du es mit der Todesstrafe?“ taucht prominent in jeder Debatte der republikanischen Präsidentschafts-Kandidaten auf, wie auch bei anderen politischen Diskussionen, und wehe, einer gerät in den Verdacht „soft on crime“ zu sein. Er kann seine Wahl vergessen.

Dennoch haben 14 Bundesstaaten die Todesstrafe bereits abgeschafft. 36, vor allem der gesamte Süden, praktizieren sie. (Fast alle mit der umstritten gewordenen Todesspritze.) Von den 1270 Exekutionen seit 1976 wurden 1042 in den Südstaaten vollzogen. An der Spitze Texas mit 475. Davon 235, elf allein in diesem Jahr, unter Gouverneur Rick Perry, einem gnadenlosen Anhänger der Todesstrafe. Die Bedeutung liegt bereits im Unterschied zur nächsthöchsten Quote: Virginia mit 109, während Connecticut, Idaho, New Mexiko und Colorado nur eine einzige Exekution seit 1976 hatten, und Kalifornien 13.

Die Rasse spielt immer noch eine große Rolle. Laut Statistik wurden rund dreimal so viele Schwarze hingerichtet, die einen Weißen getötet hatten, wie Weiße, die einen Schwarzen umgebracht hatten. 98 Prozent aller dafür verantwortlichen Staatsanwälte in Staaten, die die Todesstrafe praktizieren, sind weiß, nur 1 Prozent ist schwarz.

Theoretisch könnte der Oberste US-Gerichtshof die Todesstrafe für das ganze Land verbieten. „Aber das ist nicht zu erwarten, wenn man bedenkt, wer dort zur Zeit sitzt“, sagt CNN-Rechtsberater Jeffrey Tobeen. Er meint die Überzahl der konservativen Richter. Denn es gibt dort wie in der Bevölkerung eine klassische Kluft zwischen Demokraten, die größtenteils die Todesstrafe in Lebenslänglich verwandelt sehen möchten, und Republikanern wie anderen Konservativen, die sie vehement befürworten. Dies bestätigt auch Frank Newport, Chefredakteur der Gallup-Umfragen. „Den Leuten ist bewusst, dass nach offiziellen Statistiken die Todesstrafe keine Abschreckung für Morde darstellt. Aber das verändert nicht ihre Einstellung.“

Eine Hauptrolle unter den Befürwortern spielen die Kirchen. Für die gilt „Auge um Auge, Zahn um Zahn“. Dazu Gerald Uelemann, Rechts-Professor an der Uni Santa Clara: „Wohin man kommt“, sagt Uelemann, selber Katholik, „die Kirchen-Mitglieder interessiert nicht die moralische Frage ... Es geht nur um Vergeltung, und das finde ich sehr befremdlich. Das einzige Argument, das sie umstimmen könnte, ist die praktische Frage: Was kostet uns das System? Was, vier Milliarden bisher? Über 300 Millionen Dollar pro Hinrichtung? Mein Gott, kann man da denn nicht doch sparen?”

Und genau hier setzen zurzeit die Aktivisten gegen die Todesstrafe an. „Steuerzahler für Gerechtigkeit“ nennt sich ein Forum in Kalifornien, das für die Wahl 2012 eine Initiative zur öffentlichen Abstimmung über die Todesstrafe vorlegen will. Die Verschuldung von 14 Milliarden Dollar, mit der der Staat Kalifornien zu kämpfen hat und die zu drastischen Sparmaßnahmen auf wichtigsten Gebieten führt, zeigt hier ihre gute Seite.

So wird die Initiative sogar von unerwarteten Helfern befürwortet: Zum Beispiel Don Heller, ein früherer Staatsanwalt und Initiator der 1978 in Kalifornien wieder eingeführten Todesstrafe. „Ich habe vor 33 Jahren einen großen Fehler gemacht“, bekennt Heller. „Aber der kann korrigiert werden. Ich rufe alle Kalifornier auf, bei der Wahl 2012 für die Abschaffung des Capital Punishment zu stimmen … Das System funktioniert nicht. Wir haben zurzeit 712 Gefangene in Todeszellen und haben seit 1978 nur 13 hingerichtet. Das hat uns bisher vier Milliarden gekostet, und kostet weitere zirka 185 Millionen im Jahr.“ Und auch der frühere Ober-Staatsanwalt des Gebiets Groß-Los Angeles, Gil Garcetti, in dessen 32 Jahre Amtszeit Dutzende von Todesstrafen fielen, meint: „Meine Frustration besteht in der Erkenntnis, dass die Todesstrafe in keiner Weise ihren Zweck erfüllt hat und enorm teuer ist.“ Liselotte Millauer


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