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08.10.11 / Den Menschen für die Kunst entdeckt / Lange Zeit in der Szene nur belächelt, weckt das Porträt heute wieder die Begeisterung der Kunstfreunde

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-11 vom 08. Oktober 2011

Den Menschen für die Kunst entdeckt
Lange Zeit in der Szene nur belächelt, weckt das Porträt heute wieder die Begeisterung der Kunstfreunde

Gleich drei große Ausstellungen widmen sich derzeit der Darstellung des Menschen in der Kunst. Meister wie Leonardo da Vinci, Sandro Botticelli, Albrecht Dürer oder Vater und Sohn Lucas Cranach wecken die Begeisterung des kunstinteressierten Publikums.

Was lange Zeit in der Kunstszene milde belächelt wurde, findet jetzt wieder größere Beachtung: das Bild des Menschen. So wird ab Anfang Oktober der herausragende Bestand an Cranach-Gemälden der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) in einer neuen Dauerausstellung im Jagdschloss Grunewald gezeigt. Die Meisterwerke der Maler Lucas Cranach d. Ä. (um 1475–1553) und d. J. (1518–1568) sowie aus deren Werkstatt, kehrten nach fünfjähriger Abwesenheit an ihren angestammten Platz zurück.

Die Gemälde wurden während dieser Zeit erstmals umfassend erforscht und restauriert. Ein Teil der Sammlung war in der erfolgreichen Cranach-Ausstellung 2009 / 2010 im Schloss Charlottenburg und der St. Marienkirche in Berlin-Mitte zu sehen. Die fast 30 Werke vermitteln ein eindrucksvolles Bild der Herrscher und des Kunstschaffens am Berliner Hof des 16. Jahrhunderts. Bedeutsam für die Entwicklung der Renaissance in Berlin war Joachim II., Bauherr des Jagdschlosses. Beide Cranachs haben ihn in unterschiedlichen Lebensabschnitten gemalt – als Kurprinz (um 1520) und als Kurfürst (um 1570).

„Seine umfangreichen Aufträge an Lucas Cranach d. Ä. und dessen Werkstatt schließen die Passionstafeln für die Berliner Stiftskirche ebenso ein, wie die Serie von Herrschertugenden (Exemplum-Tafeln), die für die Ausstattung des Berliner Schlosses bestimmt war“, so die Stiftung. „Im Jagdschloss Grunewald, 1542 als Wasserschloss ,Zum Grünen Wald‘ errichtet, werden sie nun ergänzt durch den Bestand an altdeutschen und altniederländischen Gemälden des 15. und 16. Jahrhunderts.“ Weitere Räume sind der Berliner Porträtmalerei von der Kurfürstenzeit bis ins 19. Jahrhundert vorbehalten.

Das Bode-Museum zeigt derzeit mit der Ausstellung „Gesichter der Renaissance“ 170 Meisterwerke italienischer Porträtkunst mit Leihgaben renommierter Museen aus aller Welt vom Louvre in Paris über die Uffizien in Florenz bis zum Metropolitan Museum of Art in New York. Zu sehen sind Gemälde, Skulpturen, Medaillen und Handzeichnungen aus der Zeit zwischen 1440 und 1500, eine Ausstellung, für die Menschen Schlange stehen, um sie zu sehen.

Nach Deutschland führt eine Ausstellung, die zur Zeit in der Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung in München gezeigt wird. Unter dem Titel „Die Entdeckung des Menschen: Das deutsche Porträt um 1500“ sind Meisterwerke von Albrecht Dürer, Lucas Cranach d. Ä. und Hans Holbein d. J. sowie von deren Zeitgenossen zu sehen. Die erste große Überblicksschau zu diesem Thema präsentiert hochkarätige Kunstwerke, neben Gemälden auch Meisterwerke der Bildhauerei und Zeichenkunst. Sie zeigen, wie der Mensch um 1500 in den Fokus des künstlerischen Interesses rückte. Ab etwa 1460 entstanden die ersten autonomen Porträts in Deutschland. Dabei lag die besondere Stärke der Meister in der authentischen Darstellung der Person und in der Erfassung ihres Charakters. In seinem Lehrbuch der Malerei schrieb Dürer, ein Porträt erhalte „dy gestalt der Menschen nach jrem sterben“.

Der Adel, später aber auch das aufstrebende Bürgertum, nutzte die Bildnisse zur Repräsentation. Wenn der Besucher in den Museen heute meist einzelnen Porträts gegenübersteht, entspricht das nicht der damaligen Realität, denn die meisten Bildnisse entstanden entweder als Serie oder zumindest als Paar. „Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land“, wird sich so manche edle Dame oder junges Fräulein gefragt haben, wenn sie von einem der großen Meister ihrer Zeit porträtiert wurde. Vor allem dann, wenn es darum ging, dass das fertige Gemälde schließlich der Brautwerbung dienen sollte.

Nicht immer entsprach der oder die Dargestellte tatsächlich der Realität. Das musste auch der in Frauenangelegenheiten sehr wählerische englische König Heinrich VIII. erfahren. Er hatte sich unsterblich in Anna von Kleve verliebt, als er deren Bildnis, gemalt von seinem Hofmaler Hans Holbein d. J. sah. Allerdings verschwieg das Gemälde, dass das Gesicht der holden Jungfrau durch Pockennarben entstellt war. Als er Anna erblickte, war Heinrich schockiert: „Ich schäme mich, dass Männer sie so gepriesen haben.“ Das Eheversprechen muss-te er aus politischen Gründen dennoch erfüllen. Die Ehe hielt allerdings nur sechs Monate und wurde nicht vollzogen. Mehr Glück hatte Heinrich mit Jane Seymour, die ihm den ersehnten Thronerben schenkte. Auch sie wurde von Holbein gemalt, ob das ausgestellte Bildnis erst nach ihrem Tod entstand, darüber rätseln die Experten.

Anziehend sah auch Markgraf Albrecht von Brandenburg-Ansbach nicht aus, als Lucas Cranach d. Ä. ihn vor 500 Jahren malte. Das Bildnis muss kurz nach seiner Ernennung zum Hochmeister des Deutschen Ritterordens entstanden sein. Die Wiedergabe der extremen Augenfehlstellung galt damals als Erkennungszeichen, wenn es auch heute eher irritiert.

Damals wie heute gilt: Wenn der Dargestellte selbst der Auftraggeber war, dann musste das Bildnis „schön“ ausfallen. So kann man keineswegs davon ausgehen, dass die Bildnisse der Realität entsprechen. Schön anzusehen sind sie dennoch, oder gerade deshalb. Silke Osman

Das Jagdschloss Grunewald ist dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr geöffnet, Eintritt 5 / 4 Euro.

Die Ausstellung im Bode-Museum „Gesichter der Renaissance“ ist bis zum 20. November montags bis mittwochs von 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis zum Wochenende 10 bis 22 Uhr geöffnet, Eintritt 14 / 7 Euro.

Die Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung in München ist bis 15. Januar 2012 täglich von 10 bis 20 Uhr geöffnet, Eintritt 11 / 5 Euro, Katalog Hirmer Verlag, München, 39,90 Euro.


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