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08.10.11 / In Frankreich erlernte er sein Handwerk / Bis heute wirken die im 13. Jahrhundert geschaffenen Bauten und Skulpturen des Naumburger Meisters nach

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-11 vom 08. Oktober 2011

In Frankreich erlernte er sein Handwerk
Bis heute wirken die im 13. Jahrhundert geschaffenen Bauten und Skulpturen des Naumburger Meisters nach

Dass ich lebe, ist nicht nötig, wohl aber, dass ich tätig bin.“ Friedrich der Große soll dies gesagt haben. Passen würde der Ausspruch fast noch besser zu einem weltberühmten Künstler des Mittelalters: zum Naumburger Meister. Oder sollte man sagen: zum sogenannten Naumburger Meister? Über dessen Leben ist nichts bekannt, weder ein Name noch Daten, ein Bild schon gar nicht. Wirkmächtig bis auf den heutigen Tag sind hingegen die im 13. Jahrhundert geschaffenen bildhauerischen und architektonischen Arbeiten des Naumburger Meisters.

Ausbildung und Anregungen erhielt er in Frankreich, vermutlich war er bereits am Bau der Burg von Coucy beteiligt. Dann zog er weiter gen Osten.

An drei bedeutenden Bischofssitzen war er an der Spitze seiner Bauhütte tätig: Zunächst im Dom von Mainz, wo der leider nur fragmentarisch erhaltene, 1239 vollendete Westlettner von ihm geschaffen wurde, später in Meißen. Hier geht der zwischen 1250 und 1268 erbaute Ostchor auf ihn zurück. Sein bekanntes–tes Werk ist jedoch der 1249/50 zum Abschluss gebrachte gotische Westchor des Naumburger Doms.

Vieles war damals neu, vieles besonders, nicht alles ist abschließend erforscht: Eine Innovation, die auf die französische Ausbildung des Meisters zurückgeht, war die Verbindung von Architektur und Bildhauerei, die Tatsache, dass er sowohl den Raum als auch die Figuren schuf, einem Gesamtkonzept folgend. Neben einer Vielzahl von dargestellten Personen, etwa auf dem Lettner, müssen natürlich die bekannten Stifterfiguren genannt werden, und hier vor allem Markgraf Ekkehard II. von Meißen mit Gemahlin Uta.

Die Stifterfiguren stehen an der Stelle, die in anderen zu dieser Zeit geschaffenen Kathedralen Heiligen vorbehalten ist. Zudem tragen die beiden zu den Erststiftern des Doms zählenden Figuren erstaunlich individuelle Züge – allerdings auch vom Meister frei erfundene, denn Ekkehard und Uta lebten im 11. Jahrhundert, zu der Zeit, als der Bischofssitz von Zeitz nach Naumburg verlegt worden war.

„Der Naumburger Meister – Bildhauer und Architekt im Europa der Kathedralen“ ist es, der im Mittelpunkt der Landesausstellung Sachsen-Anhalt 2011 steht. Die Stadt Naumburg und der Dom sind eigentlich immer eine Reise wert, wie auch vieles andere in diesem Bundesland, welches über eine äußerst große Dichte von gerade mittelalterlichen Baudenkmalen verfügt. Sollte es dennoch nötig gewesen sein, Schönheit und Bedeutung des „Meisterwerks des Naumburger Meisters“ noch einmal zu unterstreichen, so ist dies durch die Landesausstellung rundum gelungen.

Viele seiner bedeutendsten Werke sind erstmals an einem Ort versammelt. Einige Objekte sind als Abguss in der Ausstellung zu sehen, erstaunlicherweise aber vieles auch im Original. Allein die Transportkosten belaufen sich auf einen sechsstelligen Betrag. Von den etwa 500 Objekten der Ausstellung sind etwa 300 Leihgaben. Einige Stücke haben ihr Land noch nie zuvor verlassen, so beispielsweise die Stifterfigur des Königs Childebert I. aus dem Museum des Louvre.

Ergänzend zur Hauptausstellung im Domkomplex – hier sei noch ausdrücklich auf den rekultivierten Domgarten verwiesen – sind Teile der Schau an weiteren Orten innerhalb der Stadt Naumburg zu sehen, alles jedoch im Abstand weniger Gehminuten. Und vieles wurde eigens für die jetzige Präsentation instand gesetzt. So zum Beispiel das Stadtmuseum im Haus „Zur Hohen Lilie“. Dort kann man so manches über die Rezeptionsgeschichte der Naumburger Stifterfiguren erfahren, allen voran Uta. Sie soll sogar Walt Disney als Vorlage für seine Zeichentrickfigur der bösen Königin im Film „Schneewittchen“ gedient haben. Auch wenn dieser Zusammenhang mitunter von der kunsthistorischen Forschung bestritten wird, so zeigen doch allein diesbezügliche Überlegungen und nicht von der Hand zu weisende Parallelen, wie weit der Einfluss der vor über 700 Jahren geschaffenen Steinskulptur reichen kann.

Wie die ganze Ausstellung, so lohnt sich auch der zweibändige, insgesamt über 1500 Seiten umfassende Katalog: In 19 Kapiteln werden nicht nur die einzelnen Objekte in Bild und Text präsentiert, sondern es erfolgt auch jeweils eine umfassende Ausleuchtung der Hintergründe und Zusammenhänge. Mit der Landesausstellung Sachsen-Anhalt hat der namenlose Naumburger Meister eine unbedingt sehenswerte Würdigung erhalten. Aber vielleicht ist diese Formulierung nicht ganz richtig, man müsste eher sagen: Das Denkmal

hat er sich selbst gesetzt. Dadurch, dass er tätig war. Erik Lommatzsch

Die Ausstellung ist noch bis zum 2. November täglich geöffnet. Im Michael Imhof Verlag sind ein Katalog (49 Euro) sowie ein Kurzführer (5 Euro) erschienen. Weitere Informationen im Internet www.naumburgermeister.eu


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