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15.10.11 / Fördertopf ohne Boden / Das gigantische EU-Agrarbudget soll noch weiter wachsen: Sparvorschläge gescheitert

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-11 vom 15. Oktober 2011

Fördertopf ohne Boden
Das gigantische EU-Agrarbudget soll noch weiter wachsen: Sparvorschläge gescheitert

Anlässlich der Euro-Krise rufen auch immer mehr deutsche Politiker nach den Vereinigten Staaten von Europa oder wollen zumindest, dass die europäische Einigung voranschreitet. Dabei können sich die EU-Länder schon seit Jahren nicht einmal auf eine von allen als notwendig erachtete Reform der Agrar-Subventionen einigen.

Dass es nicht zeitgemäß ist, 43 Prozent des EU-Budgets in die Förderung der Landwirtschaft zu stecken, obwohl die Zukunft Europas eher im Bereich der Hochtechnologie liegt, darüber sind sich alle EU-Mitglieder einig. Am Mittwoch stellte EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos dann auch seinen Entwurf für eine Reform der Agrar-Förderung für die Jahre 2014 bis 2020 vor. Doch das, was er da vorstellte, war inzwischen schon mehrfach überarbeitet worden. Seine ersten Vorschläge waren vor allem von den nationalen Landwirtschaftsministern der westlichen EU-Länder verworfen worden. Der aus Rumänien stammende Ciolos hatte eigentlich vorgehabt, die Subventionen für die Bauern in den alten EU-Ländern zugunsten ihrer osteuropäischen Kollegen zu kürzen, damit sich die Prämien in einem vereinten Europa einander angleichen könnten. Und da das Budget insgesamt eher sinken als steigen sollte, bedeutete das Kürzungen für die Alt-Mitglieder, schließlich sei es unfair, dass ein Landwirt in Lettland 140 Euro pro Hektar aus Brüssel überwiesen bekommt, einer in Belgien aber 400 Euro.

Von 30 Prozent Kürzungen für deutsche Landwirte war angesichts von Ciolos Plänen sogar die Rede, doch davon hört man inzwischen genauso wenig, wie von dem von ihm vorgeschlagenen finanziellen Ausgleich, wenn das Jahreseinkommen eines Bauern in einem Jahr − egal aus welchen Gründen − unter 70 Prozent seines durchschnittlichen Verdienstes fällt.

Nun sieht es so aus, als ob das Budget der EU für Agrar-Förderung sogar weiter steigen wird. Zwar werden die Direktzahlungen für deutsche Landwirte insgesamt um vier Prozent sinken, da aber die Osteuropäer mehr Geld aus Brüssel erhalten, wird der Haushaltsposten vermutlich um 10,4 Milliarden Euro aufgestockt, so dass für die Jahre 2014 bis 2020 418,4 Milliarden Euro in die Landwirtschaft der EU-Länder fließen.

Ciolos ist nicht der erste EU-Agarkommissar, der bei dem Versuch, die Subventionen umzuverteilen und zu kürzen, scheitert. Seine nationalen Kollegen, die seine Pläne zusammen mit den nationalen Bauernverbänden hintertrieben haben, kaschieren jedoch freundlicherweise sein Scheitern. „Die Ziele stimmen“, hatte die deutsche Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) freundlich seine Vorschläge kommentiert, nachdem sie ihren Einfluss geltend gemacht hatte und für eine Überarbeitung des nun am Mittwoch vorgestellten Entwurfs gesorgt hatte. Sie war keineswegs die einzige gewesen, die zusammen mit vergiftetem Lob Ciolos Pläne überarbeitet hatte: Während deutsche Bauern derzeit pro Jahr 5,4 Milliarden Direktzahlungen erhalten, kassieren die französischen Landwirte 7,6 Milliarden Euro, obwohl das Land fast 20 Millionen weniger Einwohner hat als Deutschland.

Aber immerhin hatte man Ciolos vorerst sein Lieblingsprojekt gelassen: das sogenannte Greening. So sieht er vor, ab 2014 nur noch 70 Prozent der Subventionen ohne Auflagen zu zahlen. Die anderen 30 Prozent gibt es nur, wenn die Landwirte bestimmte Umweltschutzauflagen erfüllen. So darf beispielsweise ein Betrieb nicht mehr als 70 Prozent seiner Flächen mit ein und derselben Sorte bepflanzen. Auch beabsichtigt er, künftig nur noch Gelder an jene Landbesitzer zu zahlen, die mindestens fünf Prozent ihres Einkommens aus der Landwirtschaft erzielen. Er will damit erreichen, dass Golfclubs, Flughäfen und Lebensmittelkonzerne mit landwirtschaftlichen Versuchsfeldern nicht weiter Agrarsubventionen erhalten.

Ob er sich mit seiner geplanten Deckelung der Prämien auf 300000 Euro pro Hof wird durchsetzen können, ist ungewiss. Ilse Aigner kündigte hinsichtlich dieser Vorschläge, die vor allem Landwirtschaftsbetriebe in den neuen Ländern treffen würden, „lange und harte Verhandlungen“ an. Schnelle Beschlüsse werde es nicht geben und vor 2013 erwarte sie keine konkreten Zahlen, so die CSU-Politikerin.

Ciolos, dessen Heimat Rumänien erst seit 2007 EU-Mitglied ist, befindet sich also mitten in einem Brüsseler Verteilungskampf, der immer damit endet, dass im Grunde alle mehr bekommen und die Beiträge der Mitgliedsländer für die EU steigen. Ob das Beschlossene sinnvoll und marktgerecht ist, spielt hier selten eine Rolle, wie beispielsweise die EU-Zucker-Regel zeigt. Diese ist derzeit in der Kritik der Lebensmittelkonzerne, die mehr Zucker benötigen, diesen aber nur auf dem teuren Weltmarkt kaufen können, da die EU noch vorsieht, dass nur 85 Prozent des konsumierten Zuckers aus EU-Produktion stammen dürfen.

Zudem steht die gesamte EU-Agrarförderung in Zeiten der weltweit steigenden Nachfrage nach Lebensmitteln und den damit verbundenen Preissteigerungen in der Kritik. „Landwirtschaft ist ein interessantes Geschäft, das man profitabel und selbstständig betreiben kann“, so Martin Richenhagen, Konzernchef des Traktorenherstellers AGCO, der auch die berühmten deutschen Fendt-Traktoren produziert. Der 59-jährige Kölner ist ein Gegner von Agrar-Subventionen, meint allerdings auch: „Diese romantische Vorstellung von Kleinbauern mit fünf Kühen, acht Hühnern und ein paar Apfelbäumen hat mit der Realität nichts mehr zu tun.“ Rebecca Bellano


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