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15.10.11 / Wohin steuert die EZB? / Was von dem Personalwechsel bei der Europäischen Zentralbank zu halten ist

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-11 vom 15. Oktober 2011

Wohin steuert die EZB?
Was von dem Personalwechsel bei der Europäischen Zentralbank zu halten ist

Zwar gilt Mario Draghi unter den Italienern als „Preuße“, doch die Zwänge der aktuellen Entwicklungen und frisierte griechische Bilanzen geben Zweifel an einem harten Kurs Anlass.

Bis zum Jahresende werden gleich zwei wichtige Führungspositionen an der Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB) neu besetzt: Zum 1. November tritt der Italiener Mario Draghi die Nachfolge von Jean Claude Trichet als neuer EZB-Präsident an. Für den auf eigenen Wunsch ausscheidenden EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark wird zum Jahresende − wenn der Europäische Rat zustimmt − Jörg Asmussen zur EZB wechseln. Bisher ist Asmussen unter Wolfgang Schäuble Staatssekretär im Bundesfinanzministerium.

Der Personalwechsel erfolgt in einer kritischen Phase, in der die Weiterexistenz der europäischen Währungsunion in der bisherigen Form keineswegs eine ausgemachte Sache ist. Auch der Zustand der EZB selbst ist kritisch, da unter Trichet enorme Risiken in die EZB-Bilanz genommen wurden: Die Zentralbank hat mittlerweile Staatsanleihen von Krisenstaaten in Höhe von 160 Milliarden Euro in den Büchern.

Obwohl Trichet vor acht Jahren mit dem Ruf gestartet war, Verfechter einer harten Geldpolitik in der Tradition der Bundesbank zu sein, ist die EZB mittlerweile fest in die Finanzierung staatlicher Defizite, zum Beispiel durch den massiven Ankauf italienischer Staatsanleihen, eingebunden. Bei Trichets Nachfolger Mario Draghi, dem in Italien gelegentlich der Ruf eines „Preußen“ vorauseilt, könnte sich dies bei einer Entwicklung wie bei Trichet wiederholen, bei der unter äußerem Druck Grundsätze über Bord geworfen werden.

Studiert hat Draghi bei Federico Caffè und promoviert bei Franco Modigliani. Beide Wissenschaftler gelten als ausgewiesene Anhänger der Keyneschen Denkrichtung (siehe Aufmacher S. 1), die in der Inflation eher ein nachrangiges Übel sehen: Für Skepsis sorgt ebenfalls eine andere Etappe seiner bisherigen Laufbahn. Von 2002 bis 2005 war Draghi Vizepräsident in der Europa-Abteilung von Goldman Sachs in London. In diese Zeit fällt die Zusammenarbeit der Investmentbank und der damaligen griechischen Regierung, bei der durch massives Frisieren der Bilanzen Griechenlands Beitritt zur Euro-Zone möglich gemacht wurde. Ohne die Hilfe der Investmentbank, die mit Hilfe von Devisen-Derivaten und ausgelagerten Zweckgesellschaften half, die griechische Staatsverschuldung klein zu rechnen, wäre der Beitritt zur Währungsunion kaum zu bewerkstelligen gewesen. Nach Aussage Draghis wurden die entsprechenden Geschäfte bereits vor seiner Zeit bei Goldman Sachs eingeleitet.

Dass Draghi überhaupt ohne größere Widerstände an die Spitze der EZB rücken kann, hat er dem Rückzug des ursprünglich vorgesehenen Kandidaten Axel Weber zu verdanken, der sich als Vertreter der Bundesbank im Rat der EZB mit seiner Ablehnung des Ankaufs von Staatsanleihen zunehmend isoliert gefühlt hatte. Resultat der fehlenden Unterstützung − auch von Seiten der Bundesregierung − war der Rücktritt Webers als Präsident der Bundesbank zum 30. April dieses Jahres und sein Verzicht auf die Kandidatur für das EZB-Präsidentenamt. Obwohl die Chancen zur Durchsetzung eines deutschen Kandidaten für den Spitzenposten günstig waren, wurde nach Webers Verzicht auf eine Nominierung eines weiteren Deutschen verzichtet. Ein potenzieller Kandidat mit entsprechender Qualifikation und Notenbankerfahrung, wie sie Weber vorweisen konnte, stand nicht zur Verfügung.

Durch Webers Verzicht wurde ein Phänomen deutlich, das sich bereits mehrmals bemerkbar gemacht hat, wenn es darum ging, Spitzenpositionen in internationalen Organisationen zu besetzen: Es stehen weder genug qualifizierte Kandidaten zur Verfügung, noch werden sie − wie zum Beispiel in Frankreich die Absolventen der „École Nationale d’ administration“ − gezielt aufgebaut und mit diplomatischem Geschick in die entsprechenden Positionen gebracht. Norman Hanert


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