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15.10.11 / Eine Monarchin ihrer Zeit / Charlotte von Preußen wurde durch Heirat zu Zarin Alexandra

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-11 vom 15. Oktober 2011

Eine Monarchin ihrer Zeit
Charlotte von Preußen wurde durch Heirat zu Zarin Alexandra

Zugegeben, die Sorge, dass Warwara A. Nelidowa mehr als nur die Geliebte ihres Mannes war, dürfte Zarin Alexandra mehr beschäftigt haben als die Armut ihres Volkes. Ja, sogar die Frage, ob die im Garten ihres Cottage in Peterhof wachsenden Blumen genügend Sonne bekommen, war ihr wichtiger als die sozialen Probleme des von ihrem Mann beherrschten Reiches. Doch deswegen war Zarin Alexandra für ihre Zeit keine schlechte Zarin, sondern genau das Gegenteil war der Fall, wie Marianna Butenschön in „Die Preußin auf dem Zarenthron. Alexandra Kaiserin von Russland“ anschaulich beschreibt. Alexandras Aufgabe war es, an der Seite ihres Mannes, dem russischen Zar Nikolaus I., zu repräsentieren und Thronfolger zu gebären, beide Aufgaben erfüllte sie mustergültig. Sie war viele Male schwanger, doch nach mehreren Totgeburten, vier gesunden Töchtern und drei gesunden Söhnen untersagte ihr Arzt ihr 1832 jede weitere Schwangerschaft, was damals sexueller Enthaltsamkeit gleichkam. Neben einigen Affären tröstete sich ihr Mann, der ihr stets in Liebe zugetan war, mit Warwara A. Nelidowa über die ärztliche Anordnung hinweg. Alexandra nahm sie frustriert hin, doch das Beispiel ihrer Mutter, Königin Luise von Preußen, die 1810 von zahlreichen Schwangerschaften geschwächt an einer Lungenentzündung im Alter von 34 Jahren verstorben war, war ihr Warnung genug.

Die promovierte Historikerin Butenschön beschreibt in dem vorliegenden Buch das Leben der 1798 geborenen Prinzessin Charlotte von Preußen, die später als Alexandra Fjodorowna an der Seite ihres Mannes Nikolaus I. auf dem russischen Zarenthron saß. Jedes Kapitel ist mit den Höhepunkten des darin beschriebenen Zeitraumes überschrieben. Das sorgt durchaus für Spannung. So heißt es über Kapitel 6: „,Ich hatte keinen Vertrauten als meine Frau‘: Nikolaus‘ Eid auf Konstantin – ,Großmutstreit mit Konstantin – Verschwörung in Garde und Armee – … – Beisetzung Alexander I. – Tod Elisabeths – … – Hinrichtungen“. Zeittafel, Glossar und eine ausführliche Bibliografie sind zudem für Leser, die weitere Informationen wollen, sehr hilfreich. Auch das Vorwort, in dem die Autorin die historischen Bewertungen der Person Alexandras darstellt, sind sehr informativ und verraten zum Teil sehr viel über die Zeiten, in die die verschiedenen Beurteilungen fallen. So wurde die Tochter des Preußenkönigs Friedrich Wilhelm III. und seiner in Preußen hochverehrten Frau Luise zu ihrer Zeit wegen ihrer Schönheit und liebreizenden Ausstrahlung bewundert: „Blanchefleur“ nannten ihre Zeitgenossen sie verzückt. Genau wie ihre Mutter wurde sie wegen ihrer „häuslichen Tugenden“ gelobt, und auch die Anhänglichkeit ihres Gatten, der sie liebevolle „Muffi“ nannte, und die enge Beziehung zu den meisten ihrer Geschwister – für die sie immer Charlotte blieb –, vor allem zu „Wimps“, wie Alexandra ihren Bruder, den späteren Kaiser Wilhelm I., nannte und dem sie mehr Entschlusskraft als ihrem älteren Bruder König Friedrich Wilhelm IV. zutraute, lassen sie als sehr familienbezogenen Menschen in die Geschichte eingehen.

Ihr Mann wird in der Rückschau oft als Despot hingestellt und sie oft als seine feierlustige Gattin, die auf Kosten ihres armen Volkes im Luxus schwelgte. Beides hat durchaus einen wahren Kern, muss aber im historischen Kontext gesehen werden, so Butenschön. Einerseits kann man Alexandra vorwerfen, dass sie nicht versucht hat, jene Dinge, in denen man in ihrem Elternhaus durchaus schon fortschrittlicher war, nach Russland zu exportieren. Stattdessen versuchte sie sogar von Russland aus, eine konstitutionelle Monarchie in Preußen zu verhindern. Andererseits war Politik definitiv nicht ihre Aufgabe und sie mischte sich nur selten in Dinge ein, die sie offiziell auch nichts angingen, kümmerte sich aber im Kleinen um die Pflege der Armen und Kranken in ihrem Umfeld. Ansonsten hielt sie von der Zarenwürde nicht viel: Als ihr ältester Sohn geboren wurde, soll sie bedauert haben, dass auf ihn die Bürde der Zarenkrone lasten würde. Doch dieser nutzte sie, um Russland zu modernisieren, und schaffte beispielsweise die Leibeigenschaft ab.

Im Grunde lebte sie die Erziehung, die ihre Mutter Königin Luise ihr hatte angedeihen lassen: „Ich habe meine Kinder den heiligen Glauben an Gott, den ihnen die Natur gab, gelehrt“, schrieb diese einst an ihren Vater. „Ich habe ihnen gezeigt, wie unser sittliches Gefühl uns eine neue Welt, die Ewigkeit, die Seligkeit, eröffnet; ich habe ihr Leben für die Tugend begeistert … Nein, mein Vater, ich darf nicht fürchten, dass eins von meinen Kindern seine Bestimmung verfehlen wird. Sie können arm, verachtet, verfolgt, verspottet werden, aber nie unglücklich, nie lasterhaft; sie können vielleicht vor Menschen zittern müssen, aber nie vor sich selbst, vor dem Tode oder vor Gott; sie können vielleicht den Glauben an die Freundschaft verlieren – oh Gott, behüte sie davor! – aber nie werden sie aufhören, die Menschen zu lieben und ihnen wohlzutun, weil das ihre Pflicht ist.“ R. Bellano

Marianna Butenschön: „Die Preußin auf dem Zarenthron. Alexandra Kaiserin von Russland“, Piper, München 2011, geb., 414 Seiten, 22,95 Euro


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