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22.10.11 / Probelauf für den Bund? / Berlin: SPD und CDU kommen mit ihren Koalitionsverhandlungen überraschend schnell voran

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-11 vom 22. Oktober 2011

Probelauf für den Bund?
Berlin: SPD und CDU kommen mit ihren Koalitionsverhandlungen überraschend schnell voran

Überraschend zügig kommen sich SPD und CDU bei den Verhandlungen über eine Große Koalition in Berlin näher. Beobachter sehen bereits das Modell eines neuen schwarz-roten Bündnisses auf Bundesebene.

Nach dem Scheitern der Verhandlungen um eine rot-grüne Koalition im Land Berlin gehen die Koalitionsgespräche zwischen SPD und CDU zügig voran. Am 15. November soll das Bündnis stehen, die Vereinbarungen ausformuliert sein. Die Partner geben sich betont entspannt: Am 24. November könnte das Abgeordnetenhaus den Regierenden Bürgermeister wählen.

Sonst dringt wenig an die Öffentlichkeit. Von „guten Auftaktgesprächen“ war bei beiden Parteispitzen die Rede – ein Indiz für mehr Gemeinsamkeiten und vor-koalitionäre Disziplin als bei SPD und Grünen. Berlins CDU ist somit in einer starken Position.

Das sich abzeichnende rot-schwarze Bündnis bringt der CDU die Chance, eigene Themen über den Kompromissweg durchzusetzen. Im Nachhinein scheint es manchem deshalb erbosten Sozialdemokraten, dass Klaus Wowereit (SPD) nie ernsthaft ein Bündnis mit den Grünen angestrebt hat, so kompromisslos trafen Grüne und Rote bei den gescheiterten Koalitionsverhandlungen aufeinander. Letztlich sei alles „an einem Kilometer Autobahn“ zerschellt, gifteten enttäuschte linke Hauptstadtmedien.

Einen ersten Vorgeschmack auf die nun anstehende Große Koalition bekamen die Berliner bereits: In Berlin-Mitte ziehen SPD und CDU nun auch auf Bezirksebene an einem Strang. Hier haben beide Parteien eine sogenannte Zählgemeinschaft vereinbart. Sie soll sicherstellen, dass Bezirksbürgermeister Christian Hanke (SPD) erneut mit Mehrheit in sein Amt gewählt wird. Auch die Union setzte bei den Gesprächen um das lokale Bündnis ihre Ressortwünsche durch und obendrein ein vollständiges Grillverbot für den Tiergarten.

Die bis zu 100 Kubikmeter Abfall, die Besucher dort an einem Sommerwochenende mitunter zurücklassen, sollen ab Januar bekämpft werden, wenn das Verbot in Kraft tritt. Hanke ließ keinen Zweifel daran, wer sich durchsetzte: „In diesem Punkt mussten wir der CDU nachgeben.“ Grüne und Linkspartei haben plötzlich als Vorreiter ausgedient. Die noch amtierende Integrationssenatorin Carola Bluhm (Linke) warnt angesichts der Maßnahme im Tiergarten vor einer „neuen Piefigkeit“ für die ganze Stadt. Indes zielt das Grillverbot darauf ab, dass der Bezirk langfristig Mittel in Millionenhöhe statt für Müllentsorgung für sinnvollere Projekte einsetzen kann. Bluhm sagt: „Hanke und Grillverbot – das geht nur unter Rot-Schwarz.“ Auch von türkischen Verbänden und von SPD-geführten Bezirken jenseits von Mitte hagelt es Kritik.

Tatsächlich rückt unter Rot-Schwarz manches in den Bereich des Möglichen, was die CDU seit Jahren fordert. Die SPD selbst wandelt sich zumindest oberflächlich. Es kommt Bewegung in den rot-roten Polit-Alltag, der oftmals von klientelpolitisch gefärbten Rücksichtnahmen bestimmt war. Die Berliner sind offenbar zufrieden: Leser-Abstimmungen großer Zeitungen im Internet greifen das Grillverbot auf und zeigen, dass das gescholtene Projekt auf mehrheitliche Zustimmung hoffen kann.

Veränderungen scheinen vor allem bei der Inneren Sicherheit nötig, wo CDU und SPD noch Reibungsflächen haben. Die angespannte Lage zwingt zur Einigung: Am Sonnabend wurde ein Paar von einem polizeibekannten Wiederholungstäter attackiert, in der Woche zuvor ein 22-Jähriger von Unbekannten krankenhausreif geprügelt. Solche Übergriffe in öffentlichen Verkehrsmitteln zeugen von den Mängeln der bisherigen Politik, die durch endlose Debatten um Videoüberwachung, wenig Geld für Wachschutz und zu wenig politische Unterstützung für konsequente Strafverfolgung gekennzeichnet war.

Die CDU müsse nun vor allem in ihren selbst ernannten vier Schwerpunkten Bildung, Integration, Wirtschaft und Innere Sicherheit Durchsetzungsstärke beweisen, raten ihr Kenner der Berliner Szene. Dazu gehört in den Augen vieler eine „Null-Toleranz-Strategie“ bei Gewalt im Gegensatz zur „modernen Großstadtpolizei“ der SPD. So will die CDU 250 neue Polizisten, die SPD immerhin 200. Dass eine Einigung näherrückt, zeigen die jüngsten Verhandlungen um Kultur- und Medienpolitik zwischen den möglichen Partnern. Die CDU schluckte am Dienstag die SPD-Pläne, eine Landes- und Zentralbibliothek für geschätzte 270 Millionen Euro in Tempelhof zu bauen. Dennoch bewegt sich Wowereit bei der Sicherheit auf die CDU zu. Er will jetzt die Filme der Videoüberwachung etwa in U-Bahnhöfen statt bislang 24 künftig 48 Stunden lang speichern lassen. Bei dem von den Grünen abgelehnten Ausbau der Stadtautobahn A100 herrscht ohnehin Einigkeit zwischen SPD und CDU. Beide sind dafür.

Viele Beobachter sehen in Berlin das Testfeld einer neuen Großen Koalition im Bund. Im Land Berlin steht bei aller zur Schau getragenen Harmonie indes noch manche Einigung aus. Etwa bei den zwischen SPD und CDU umkämpften Namensschildern für Polizisten. Hier könnte man sich Berichten zufolge darauf einigen, erst ein Gerichtsurteil klagender Beamter abzuwarten. Zur Justiz war hingegen in gut vier Stunden alles besprochen. Beim erweiterten Jugendarrest, geschlossenen Heimen oder den neuen Plätzen für Sicherheitsverwahrung gehen beide Seiten aufeinander zu. Und das Thema Polizeipräsident scheint ja nun durch zu sein.   Sverre Gutschmidt


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