29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
22.10.11 / Der Herr der Nähmaschinen / Vor 200 Jahren wurde Isaac M. Singer geboren – Seine Eltern waren vor seiner Geburt aus der Pfalz in die USA ausgewandert

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-11 vom 22. Oktober 2011

Der Herr der Nähmaschinen
Vor 200 Jahren wurde Isaac M. Singer geboren – Seine Eltern waren vor seiner Geburt aus der Pfalz in die USA ausgewandert

Beim Thema Nähmaschinen fallen uns spontan zwei Namen ein: Singer und Pfaff. Gemeinsam haben beide Hersteller ihre Wurzeln in der Pfalz. Von dort stammen die Eltern von Isaac M. Singer, die 1803 ihr Glück in den USA zu finden hofften. Letzteres schaffte auf jeden Fall ihr Sohn Isaac, wenn auch nicht auf Anhieb.

Isaac M. Singer wird am 27. Oktober 1811 in Pittstown im Staat New York in eine kinderreiche Familie geboren. Bereits im jungenhaften Alter von zwölf Jahren bricht sich sein unbändiger Freiheitsdrang Bahn. Es verschlägt ihn nach Rochester, wo er sich mehr schlecht als recht mit Gelegenheitsarbeiten bei der Errichtung des Eriekanals, der den Eriesee bei Buffalo mit dem Hudson River in New York, und damit die Großen Seen mit dem Atlantik verbindet, über Wasser hält. Der 19-Jährige erwirbt durch „lear­ning by doing“ erste Kenntnisse der Mechanik.

Aber sein unsteter Charakter lässt ihn nicht ruhen und nach nur vier Monaten tauscht er die Mechanikerwerkstatt gegen die „Bretter, die die Welt bedeuten“. Er lebt seine ungestümen Neigungen in einem Trupp von Schauspielern aus. Die kargen Einnahmen als Mime bessert er durch gelegentliche Arbeit als Mechaniker auf.

Gerade 20 Jahre alt, schließt Singer den (ersten) Bund fürs Leben, aus dem zwei Kinder hervorgehen. Die familiären Bande sind zu dieser Zeit bei ihm noch nicht stark ausgeprägt und nach sechs Jahren Ehe geht der junge Singer als Theateragent nach New York, um von dort aus Theatertourneen zu veranstalten. Den frisch gebackenen Eventmanager führt sein Weg unter anderem nach Baltimore, wo er mit Mary Ann Sponsler die Frau findet, mit der er 24 Jahre verbringen wird. Singer sieht erneut Vaterfreuden entgegen und aus dieser Verbindung werden insgesamt zehn Kinder hervorgehen. Später wird Mary Ann ihn der Untreue bezichtigen. Obwohl nicht formal verheiratet, beansprucht sie Teile des Vermögens.

Den agilen Mechaniker kennzeichnet eine kreative Ader. Er nutzt die Zeit für private Tüftelei. Der ist früher Erfolg beschieden und so erhält er bereits 1839 sein erstes Patent für eine Gesteinsbohrmaschine. Der innovative Kopf Singer erkennt rasch, dass die Nähmaschinen seiner Zeit nicht nur aufwendig in der Herstellung sind, sondern zudem auch noch wenig benutzerfreundlich. Erst reißt bei den Maschinen regelmäßig der Näh-, danach dem Bedienungspersonal der Geduldsfaden. Singer verspricht Lösungen und hält Wort. Zu seinen Stärken zählt, auftretende Fehlfunktionen zu erkennen, zu analysieren und zu beheben. Mit der von ihm modifizierten Mechanik gelingt es, die erste funktionstüchtige Nähmaschine auf den Markt zu bringen.

Nachgefragt werden seine Industrienähmaschinen von textil- und schuhverarbeitenden Firmen sowie Sattlereien. Nie gibt sich Singer mit dem Erreichten zufrieden. Obwohl seine Maschinen sich gut verkaufen lassen, bleibt der umtriebige Industrielle von dem Gedanken beseelt, sie durch stete Veränderung zu optimieren. Und er darf für sich in Anspruch nehmen, einer der ersten Unternehmer zu sein, deren Denken und Handeln global ausgerichtet sind.

Die überdurchschnittlichen Eigenschaften seiner Maschinen sprechen sich nicht nur unter den Fabrikbesitzern der Neuen Welt herum. Mit dem sogenannten Schildkrötenrücken finden die Nähmaschinen der I. M. Singer & Co. ihren Weg in Tausende Haushalte weltweit. Damit legt das Unternehmen das Fundament zum größten Nähmaschinenhersteller der Welt zu avancieren.

Singer konzentriert sich weiterhin auf sein Metier, die Technik. Für das erfolgreiche globale Marketing setzt er auf bewährte Spezialisten. Mit ihrer Unterstützung kann Singer bereits im Jahre 1860 13000 Maschinen verkaufen. Drei Jahre später wird das Unternehmen in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und firmiert fortan als „The Singer Manufacturing Company“.

Hin- und hergerissen zwischen Firma und Privatleben tritt Singer – ebenfalls 1863 – aufs Neue vor den Traualtar: Er besiegelt mit Isabelle Eugenie Summerville geborene Boyer ein weiteres Mal den Bund fürs Leben. Seine Nachkommenschaft erweitert sich um sechs Kinder.

1867 setzt Isaac M. Singer zum Sprung über den Großen Teich an und verlagert Teile der Produktion nach Glasgow, um den europäischen Markt besser zu bedienen. Bereits fünf Jahre später finden jährlich 180000 Maschinen reißenden Absatz. 1883 – zu dem Zeitpunkt ist Singer bereits acht Jahre tot – legt das von ihm berufene Management mit Hingabe, überlegt kalkuliertem Risiko, ergänzt um den legendären „American spirit“ (Amerikanischen Geist), ein Engagement an den Tag, das über 12000 Schotten ein festes Einkommen sichert.

Die unternehmerische Erfolgsgeschichte wird lediglich überschattet durch seine fortlaufend instabile private Lebensführung. Die Öffentlichkeit erfährt von zahlreichen Liebschaften. Die Presse weiß zu berichten, Singer habe mit vier Frauen insgesamt 18 Kinder gezeugt. Derartige Skandale sind in den damaligen USA absolut inakzeptabel. Die Affären drohen der Reputation seines Lebenswerks abträglich zu werden.

Der Unternehmensgründer versucht sich den damit verbundenen Unannehmlichkeiten zu entziehen und ergreift die Flucht ins vermeintlich liberalere Europa. Er setzt sich zunächst nach London ab. Als ihn dort die Geschehnisse einholen, geht er nach Brüssel, in der bangen Hoffnung auf dem Alten Kontinent den gegen ihn erhobenen moralischen Vorwürfen seiner puritanischen Landsleute und ihrer Vettern von der Insel zu entgehen.

Dabei hat sein Unternehmen den angloamerikanischen Nachrichtendiensten vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg wertvolle Schützenhilfe geleistet. Die Dienste profitieren von den aufschlussreichen Informationen, die bei dem damals bereits global agierenden Multi mit seinem weltumspannenden Netzwerk ausländischer Niederlassungen mit ausschwärmenden Außendienstlern so ganz nebenbei, quasi als Nebenprodukt, abfallen.

1875 stirbt der unermüdliche und einfallsreiche Erfindergeist Isaac Merritt Singer in Paignton in der englischen Grafschaft Devonshire im Alter von 63 Jahren. Er hinterlässt ein Vermögen in Höhe von 14 Millionen US-Dollar, zwei Testamente und noch mehr Angehörige, die sich um sein Erbe streiten.          Michael Johnschwager


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren