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22.10.11 / Fehlende Identitätsbindung als Deutsche / Wahlschlappe für die Sejm-Kandidaten der deutschen Volksgruppe in Schlesien

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-11 vom 22. Oktober 2011

Fehlende Identitätsbindung als Deutsche
Wahlschlappe für die Sejm-Kandidaten der deutschen Volksgruppe in Schlesien

Die deutsche Volksgruppe in der Republik Polen hat bei den landesweiten Sejm-Wahlen am 9. Oktober nur geringen Zuspruch für ihre Kandidaten erhalten. Noch bei der Regionalwahl im November 2010 erzielte das „Wahlkomitee Deutsche Minderheit“ in der Woiwodschaft Oppeln 18 Prozent der Stimmen. Am vorvergangenen Sonntag waren es bei der Wahl zum Sejm im selben Stimmbezirk nur acht Prozent.

Der Vorsitzende der mit der Situation im Siedlungsgebiet der deutschen Volksgruppe bestens vertrauten AGMO e.V. in Bonn, Tobias Körfer, äußerte die Auffassung, dass die Gründe, die zu der erheblichen Differenz von zehn Prozentpunkten geführt haben, vielschichtig seien. Das deutliche Verfehlen des Zieles, mindestens drei deutsche Abgeordnete in die zweite Kammer des polnischen Parlaments zu entsenden, habe jedoch weitaus tieferliegende Ursachen als bloß die, dass das „Wahlkomitee Deutsche Minderheit“ von den Bürgern in erster Linie als regionalpolitische Kraft wahrgenommen würde und dessen Wahlkampf die Wähler nicht ausreichend angesprochen habe.

Der vergleichsweise geringe Stimmenanteil sowie die Abwanderung von Stammwählern zu polnischen Parteien könnten nach Auffassung der AGMO zu einem guten Teil auch auf einen nunmehr offen zutage tretenden Mangel an Sprach- und Identitätsbindung innerhalb der deutschen Volksgruppe in Polen zurückgeführt werden. Der Präsident des Verbandes der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen (VdG), Bernard Gaida, hat diese Fehlentwick­lungen, die nicht nur das deutsche Minderheitenschulwesen in der Republik Polen betreffen, in einem „Erfolg durch Fingerspitzengefühl“ betitelten Interview mit dem Oppelner „Wochenblatt“ wenige Tage vor der Wahl offen angesprochen. Er selber stünde für die Einrichtung „echter deutscher Schulen mit Deutsch als Unterrichtssprache“.

In den seit 1990 möglichen, jedoch bisher nicht eingerichteten durchgehend deutschsprachigen Kindergärten sowie Grund- und weiterführenden Schulen hätten in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten diejenigen jungen Deutschen heranwachsen und ausgebildet werden können, deren Stimmen bei der Wahl nunmehr gefehlt haben. Der demografische Faktor – die Überalterung, die katastrophal niedrige Geburtenrate, die Abwanderung in die Bundesrepublik Deutschland oder andere Länder – wirkt sich auch bei den Deutschen östlich von Oder und Neiße aus. So hatten bei den Sejm-Wahlen 2001 in der Woiwodschaft Oppeln noch 42340 Wähler die Liste des „Wahlkomitees Deutsche Minderheit“ angekreuzt. Nun, zehn Jahre später, waren es hingegen nur noch 28014 Wähler. In der vergangenen Dekade hat die deutsche Volksgruppe bei den Sejm-Wahlen somit über 14000 Stimmen allein im Bezirk Oppeln verloren; von den anderen Landesteilen zu schweigen. Die Tendenz ist signifikant, deren Ursachen leicht erkennbar.

Es passt ins Bild, dass durch das „Wahlkomitee Deutsche Minderheit“ ausschließlich polnischsprachige Wahlkampfmaterialien herausgegeben und Interviews größtenteils auf Polnisch geführt wurden. Sogar im „Wochenblatt“, der „Zeitung der Deutschen in Polen“, warb der Sejmabgeordnete Richard Galla mit einer auf Polnisch abgefassten Anzeige. Die dadurch sichtbar werdende fehlende Identitätsbindung, die man für einen erfolgreichen Wahlkampf jedoch braucht, erklärt teilweise den Stimmenverlust. Es ist daher zu verstehen, so Körfer von der AGMO, dass unter derartigen Umständen den Wählern – den polnischen, denen sich das „Wahlkomitee“ vermehrt öffnen wollte, wie auch den deutschen – nicht nahegebracht werden konnte, wie dringend notwendig eine starke Vertretung der deutschen Volksgruppe im Warschauer Sejm ist.

Die Art der derzeit praktizierten Zweisprachigkeit – Polnisch zu reden und ins Deutsche zu übersetzen – muss für das kulturelle, gesellschaftliche und dementsprechend politische Überleben der deutschen Volksgruppe als eine Sackgasse erscheinen. Der VdG und die Verbände in den Strukturen der deutschen Volksgruppe wären gut beraten, die Niederlage bei den Wahlen als Wecksignal zu begreifen und mit umso stärkerem Nachdruck nun auf die flächendeckende Einrichtung „echter“ deutscher Kindergärten und Grundschulen mit Deutsch als Unterrichtssprache zu drängen.        T.K./C.R.


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