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22.10.11 / Unter Linken / »SZ«-Mitarbeiter  schleicht sich bei der Linkspartei ein ... und hört Debatten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-11 vom 22. Oktober 2011

Unter Linken
»SZ«-Mitarbeiter  schleicht sich bei der Linkspartei ein ... und hört Debatten

Egal ob es Neugierde, Abenteuerlust oder schlicht die Suche nach einem Thema war, was den Mitarbeiter des „SZ-Magazins“, Tobias Haberl, in die Partei „Die Linke“ führte, herausgekommen sind zumindest ein Artikel und ein Buch. Letzteres trägt den Titel „Wie ich mal rot wurde. Mein Jahr in der Linkspartei“ und folgte später auf den Artikel im „SZ-Magazin“, der so manchen seiner Parteigenossen verärgerte. Wohl zu Recht, denn Haberl hatte es unerwähnt gelassen, dass er Artikel für das Magazin der „Süddeutschen Zeitung“ schreibt und als Arztsohn nicht viel von kompletter Verstaatlichung, groß angelegter Umverteilung sowie von Sozialismus und Kommunismus im großen und ganzen hält. Deswegen plagt den Autor ein schlechtes Gewissen, was aber nicht so schlecht ist, dass er zum Schutz des einen oder anderen Mitglieds der endlose Debatten liebenden Partei auf eine schonungslose Beschreibung des vom Dezember 2008 bis August 2010 Erlebten verzichten würde.

„Wie ich mal rot wurde“ beginnt zwar mit einer Partei-Sitzung, an der Haberl nach der Veröffentlichung seines  Artikels teilnahm, bei der er nicht wirklich herzlich empfangen wurde, doch im Grunde verlief sie für ihn ziemlich undramatisch. Überhaupt ist sein Jahr in der Partei „Die Linke“ relativ unspektakulär. Zwar hat Haberl bei einer Parteisitzung einmal aus Versehen eine Trotzkistin gewählt, einmal auch einen Vortrag gehört, in dem der Redner absolut alles verstaatlichen wollte, aber ansonsten traf er eher auf liebenswerte, als gefährliche Spinner. Allerdings hatte er auch keinen Kontakt zu einer der vielen, teilweise extreme Postionen vertretenden Unterorganisationen der Partei. Und Sahra Wagenknecht, linke Gallionsfigur der Linkspartei, faszinierte ihn einfach nur … aus seiner Perspektive als Mann. Aber zumindest in seinem Kreisverband München war die DDR kein Thema. Dafür aber zum Beispiel die Nato. Gegen sie hat Haberl einmal mit demonstriert und kam sich dabei absolut komisch vor. Vor allem die Abwehrhaltung gegenüber der Polizei, die er dort spürte, widerstrebte ihm massiv. Zudem hatte die Partei mit ihrer Demo die Münchner Innenstadt lahm gelegt und damit vor allem erreicht, dass die Marktfrauen auf dem Viktualienmarkt, die doch der aus Sicht der Linkspartei zu schützenden arbeitenden Klasse angehören, an dem Tag 30 Prozent weniger Umsatz gemacht haben. Auch ärgerte er sich beispielsweise bei einer Rede von Oskar Lafontaine im DGB-Haus München, als dieser Stimmung gegen die Millionärin Maria-Elisabeth Schaeffler machte, die zu dem Zeitpunkt gerade den Reifenhersteller Continental gekauft hatte. „Tausende von Hartz-IV-Empfängern leben von dem Geld, das früher Maria-Elisabeth Schaeffler gehört hat“, ereifert sich der Autor über die Kurzsichtigkeit der Genossen. Zudem nervt es ihn, dass die Partei sich stets als Opfer sieht und überall Verrat wittert und stets von einer Verschwörung der Machthaber gegen den Rest der Menschheit ausgeht. Fehlerhaft verfasste Flugblätter lassen ihn ähnlich wie die mit Zitaten, aber wenig konkreten Zielen angefüllten Programmatischen Eckpunkte an der Regierungsfähigkeit der Partei zweifeln.

„Sie bekämpfen den Kapitalismus und tun so, als würden sie nicht in ihm leben“, wundert sich Haberl. „Ich kann mich noch gut an einen Aufsatz einer ultralinken Genossin erinnern, in dem sie – auf Basis des Lenin-Essays ,Was ist eine revolutionäre Situation?‘ aus dem Jahr 1915 – den Beweis führt, dass Deutschland im Jahr 2010 ebenfalls eine Art vorrevolutionäre Konstellation erreicht habe – mit Argumenten und Thesen, die 100 Jahre alt sind und sich auf das zaristische Russland bezogen.“

Abgesehen von nicht immer nachvollziehbaren Ausflügen in Kindheit und Privatleben des Autors bietet „Wie ich mal rot wurde“ durchaus einige Informationen von Wert.           Rebecca Bellano

Tobias Haberl: „Wie ich mal rot wurde. Mein Jahr in der Linkspartei“, Luchterhand, München 2011, kartoniert, 250 Seiten, 14,99 Euro


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