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29.10.11 / Orient oder Okzident / Machtkampf in Libyen könnte zu einem Kampf der Kulturen werden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-11 vom 29. Oktober 2011

Orient oder Okzident
Machtkampf in Libyen könnte zu einem Kampf der Kulturen werden

„Stunde Null“ in Libyen. Gaddafi ist tot und das Volk feiert seine vermeintliche Freiheit. Doch die Chancen für eine demokratische Zukunft des Landes, in dem sich unter der mehr als vier Jahrzehnte dauernden Herrschaft des Diktators keine Zivilgesellschaft hat herausbilden können, sind gering.

Alles dreht sich jetzt, da der gemeinsame Feind beseitigt ist, um die Frage, wer die Macht an sich reißen und damit das Schicksal des Landes bestimmen wird. In Libyen gibt es keine Organisationen, die für ein bürgerliches Leben stehen, statt dessen bestimmen traditionell verfeindete Stämme die tief gespaltene Gesellschaft. Bei dem Kampf um die Macht geht es auch um einen Kampf der Kulturen, um eine Auseinandersetzung zwischen den gemäßigten Kräften, die eine Modernisierung und Öffnung Libyens anstreben, und den Verfechtern eines fundamentalistisch-archaischen Weltbildes. Bald könnte sich der so oft beschworene Kampf zwischen Orient und Okzident mitten in dem arabischen Land als blutiger Bürgerkrieg abspielen. Die aus dem Machtkampf hervorgehende neue Führung muss die geographischen, ideologischen, religiösen und Stammesrivalitäten überwinden, wenn das Land eine demokratische Zukunft haben soll.

Der vom Westen hofierte Nationale Übergangsrat, in dem sich die unterschiedlichen Kräfte unter dem gemeinsamen Ziel, Gaddafi zu beseitigen, zusammengeschlossen haben, hat als „Gesicht der Revolution“ ausgedient. Für die Gestaltung der Zukunft ist er ungeeignet, denn er ist zu sehr mit ehemaligen Funktionären des Gaddafi-Regimes durchsetzt. Sein Vorsitzender, Mustafa Abdel Dschalil, beispielsweise war unter Gaddafi Justizminister und hat dessen Unrechtssystem an führender Stelle repräsentiert. Ali al-Essawi diente dem Diktator als Wirtschaftsminister, Mahmoud Jibril leitete dessen Entwicklungsfonds, Schukri Ghanem verschaffte seinem Herrn als Ölminister Devisen und der ehemalige Innenminister Nassr al Mabruk Abdullah galt sogar als der zweite Mann in Gaddafis Machtapparat. Mit diesen Personen ist kein demokratischer Staat zu machen, zumal der Übergangsrat angekündigt hat, die Scharia zur Grundlage der Rechtsordnung zu machen.

Wie schnell der „arabische Frühling“ einer Eiszeit weichen kann, zeigt ein Blick in Libyens Nachbarländer. In Ägypten, das zu Jahresbeginn die Initialzündung zum Umsturz mit gegeben hatte, regiert Mubaraks ehemaliger Verteidigungsminister, der als archaisch und „reformresistent“ geltende Mohammed Tantawi, mit eiserner Hand. Christenverfolgung und der Anblick von Panzerwagen niedergewalzter Demonstranten lassen kaum Hoffnung auf Demokratie aufkommen. In Tunesien hat man den Diktator Ben Ali und seine Sippe zwar aus dem Land gejagt, die Demokratie lehnen viele Tunesier aber als die „Religion der Gottlosen“ ab. Statt eines Rechtsstaates sehen viele in Allah und dem Koran den Weg zur Lösung aller Probleme. Bei den ersten freien Wahlen am vergangenen Wochenende setzte sich die islamistische „En Nahda“-Bewegung als stärkste Kraft durch. Auch hier droht: Scharia statt Demokratie. Jan Heitmann


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