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29.10.11 / »Wenn das Geld im Kasten ...« / Päpstliche Kritik an Kirchensteuer schlägt hohe Wellen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-11 vom 29. Oktober 2011

»Wenn das Geld im Kasten ...«
Päpstliche Kritik an Kirchensteuer schlägt hohe Wellen

Mit einem Paukenschlag endete der jüngste Deutschland-Besuch von Papst Benedikt XVI. In seiner Freiburger Konzerthaus-Rede kritisierte das Oberhaupt der katholischen Kirche die „Verweltlichung“ seiner deutschen Heimatkirche und meinte damit offenkundig auch den staatlichen Kirchensteuereinzug, wie aus Rom bestätigt wurde.

Dem gastgebenden Erzbischof Robert Zollitsch, gleichzeitig Vor-sitzender der Deutschen Bischofskonferenz, kam diese Thematik äußerst ungelegen. Eilig versuchte er, diese Interpretation der päpstlichen Worte zu dementieren. Doch seit mindestens drei Jahren ist es kein Geheimnis mehr, dass der Vatikan der deutschen Praxis des staatlichen Kirchensteuereinzugs kritisch gegenübersteht. Während Bischof Zollitsch an der „bewährten Zusammenarbeit zwischen Staat und Kirche“ am liebsten nichts ändern möchte, verfolgt der Vatikan eine andere Linie. Insider werten die päpstlichen Worte auch als Kritik an den Reformvorstellungen (Dialog-Prozess) von Zollitsch, die der Papst mit keinem Wort erwähnte. Stattdessen sprach Benedikt von einer „einfachen und armen Kirche“, die das Evangelium glaubwürdiger verkündigen könne.

In der Kirchengeschichte ist eine solche Kritik durch den Papst ziemlich einmalig. In der Reformationszeit war es Martin Luther, der die damalige Praxis einer päpstlichen Geldsammlung für den Petersdom als „Ablasshandel“ kritisierte und damit die Reformation auslöste. Heute beurteilen Katholiken wie der „Spiegel“-Autor Matthias Matussek die Kirchensteuer als „modernen Ablasshandel“. Es könne und dürfe nicht sein, dass das ewige Heil in Christus nur gegen eine Steuerzahlung gewährt werde und andernfalls die Exkommunikation drohe. Anfang Ok­tober, bei einem Vortrag in Berlin, warnte Matussek davor, dass man nicht „Christ per Abbuchungsauftrag“ sein könne. Die Kirche habe zuerst den Auftrag, die Frage nach Gott konsequent anzusprechen. Daher sei es gut, wenn die Kirche in Deutschland „ärmer, weniger glänzend, weniger bürokratisch, aber dafür engagierter“ werde. Moderater äußerte sich der katholische Philosoph Robert Spaemann. Er nannte die Papstkritik am Kirchenapparat „zutreffend“. Dass den Gläubigen ein angemessenes Opfer als Beitrag für die Kirche zugemutet werde, sei „in Ordnung“. Das Skandalöse am deutschen Modell sei aber, dass man exkommuniziert werde, wenn man keine Kirchensteuer mehr bezahle. Wenn ein Priester die Auferstehung Jesu leugne, dann passiere nichts, aber wenn es ans Geld gehe, dann werde es ernst.

Auf diesem Ohr müssten evangelische Kirchenvertreter auf Grund der Reformationsgeschichte eigentlich besonders hellhörig werden. Doch bisher schweigen Kirchenfunktionäre und Bischöfe zu dieser Thematik weitgehend. Die Kirchensteuer gilt als Achillesverse aller evangelischen Landeskirchen. Auf Grund hoher Unzufriedenheit und geringem Teilnahmeverhalten – nur 3,8 Prozent aller Evangelischen besuchen den Sonntagsgottesdienst – fürchten evangelische Kirchenführer einen massiven Einbruch von Einnahmen bei einem Wegfall der Kirchensteuer oder ihres staatlichen Einzuges. Im evangelikalen Nachrichtendienst „Idea“ hat derweil eine lebhafte Diskussion um die Kirchensteuer begonnen. Selbst Befürworter wie der Theologieprofessor Axel Denecke, der die Kirchensteuer für ein Zeichen der „inneren Glaubwürdigkeit der Kirche“ hält, sehen den „anonymen und unpersönlichen Einzug durch den Staat“ als Problem. Hinrich E. Bues


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