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29.10.11 / Deutsche Schule und italienische Leichtigkeit / Der Königsberger Otto Nicolai bezaubert mit seinen Kompositionen damals wie heute sein Publikum

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-11 vom 29. Oktober 2011

Deutsche Schule und italienische Leichtigkeit
Der Königsberger Otto Nicolai bezaubert mit seinen Kompositionen damals wie heute sein Publikum

Obwohl Berlin drei Opernhäuser hat, fahren Opernfreunde immer häufiger in die „Provinz“. In Dessau oder in Cottbus hört man inzwischen seltene Werke oder junge Künstler, was ebenso zum Erlebnis wird wie ein Abend in der Hauptstadt.

Inzwischen ist auch Chemnitz das Ziel „musikalischer Entdeckungsreisen“ geworden; wiederholt wurden dort Werke ausgegraben, die rundweg auf Zustimmung stießen, etwa Emil von Rezniceks Oper „Benzin“ und mehr noch zwei kaum bekannte Opern von Otto Nicolai, darunter in diesem Frühjahr die 1841 uraufgeführte Oper „Il Proscritto“, die 1844 in Wien als „Die Heimkehr des Verbannten“ in Szene ging – wie unlängst in Chemnitz.

Otto Nicolai ist einer der größten Musiker, den Ostpreußen der Welt geschenkt hat. Etwas abschätzig wird heute mitunter gesagt, man kenne ihn nur noch als Begründer der Wiener Philharmoniker und als Komponist der „Lustigen Weiber von Windsor“. Wie ungerecht dieses Urteil ist, zeigt sich immer dann, wenn geistliche oder auch weltliche Werke von Nicolai aufgeführt werden, die fast immer großes Staunen angesichts der Musikalität der einzelnen Stücke hervorrufen.

Otto Nicolai wurde am 9. Juni 1810 (einen Tag nach Robert Schumann) in Königsberg geboren, im Haus Steindamm 127. Er starb kurz vor Vollendung seines 39. Lebensjahres 11. Mai 1849 in Berlin, ist also – wie etwa Mozart oder Schubert – eines der vielen Beispiele früh vollendeter Lebensläufe. Seine Kindheit in Königsberg war äußerst hart; der ehrgeizige Vater hatte das Amt eines Musikdirektors inne und wollte die musikalische Begabung des Jungen für sich nutzen. Genügte ihm der kleine Otto nicht, gab es Prügel und Haftstrafen. Einmal, so sagt es eine Quelle, sperrte ihn der Vater mitten im Winter trotz „aller verzweifelsten Zeichen der Furcht“ über Nacht in eine Bodenkammer, „wo man den Armen früh fast erstarrt fand“. Im Frühjahr 1826 lief Otto endgültig von zu Hause davon; es war ein Glück, dass er in der Nähe von Stargard einen musischen Gönner fand, der ihn ein Jahr lang regelrecht „durchfütterte“.

Nicolais musikalische Lehr- und Wanderjahre begannen dann 1827 in Berlin, das damals in hoher kultureller Blüte stand, wofür Namen wie Humboldt, Zelter, Schadow und Schinkel stehen. Gerade Zelter, Leiter der Singakademie, förderte den jungen Nicolai nach Kräften. Dessen Mehrfachbegabung als Komponist, Dirigent, Sänger und Pianist (später noch als Publizist für Schumanns „Musikalische Wochenzeitung“) half ihm zeitlebens, prekäre äußere und künstlerische Situationen zu überstehen.

Im Jahr 1837 wurde er Verantwortlicher für Kirchenmusik an der preußischen Gesandtschaft in Rom. Es zeichnet den hohen Kunstsinn vieler damaliger preußischer Staatsdiener aus, die sich in einer heute kaum vorstellbaren Weise für die Förderung von Kunst und Wissenschaften, in Italien besonders der Altertumswissenschaften einsetzten.

Nicolai hat in Italien in rascher Folge drei Opern komponiert, „Templario“ 1839 in Turin, „Gildippe ed Odoardo“ 1840 in Genua, „Il Proscritto“ 1841 für die Mailänder Scala. Mit diesen dem Vorbild der italienischen Oper verpflichteten Werken war der Boden für Deutschland bereitet.

Ein kurzes Gastspiel 1837 in Wien war noch erfolglos, aber 1841 wurde er Kapellmeister an der k.u.k. Hofoper. Das etwas träge gewordene Opern- und Konzertleben frischte er derart auf, dass er endlich hoffen konnte, für länger in gesicherter Position arbeiten zu können.

Sein Wiener Ruhmesblatt ist in der Tat die Einrichtung sogenannter Philharmonischer Konzerte, zu denen er die besten Musiker der Stadt verpflichten konnte, die – ganz ungewohnt damals – große Orchesterwerke als Ganzes aufführten und oft selbstverliebte Gesangskünstler nur wenig berücksichtigten. Ein Kritiker schrieb damals: „Die Begeisterung pflanzte sich aus dem Saal in die gesellschaftlichen Privatkreise fort, und der Name Beethovens, der Ruhm Nicolais und seiner Heldenschar tönte von allen Lippen.“

Wie Musiker unserer Tage wurde aber damals schon auch Nicolai ein Opfer von Intrigen. Alle Pläne zerfielen, so dass er, nach der 400-Jahrfeier der Universität Königsberg bestens beim preußischen König eingeführt, dessen Angebot einer Kapellmeisterstelle an der Königlichen Oper in Berlin annahm.

Nur zwei Jahre waren ihm hier noch vergönnt, in denen er nicht nur als gefeierter Komponist und erfahrener, mitunter freilich auch aufbrausender Operndirigent wirkte, sondern auch seine Erfolgsoper „Die lustigen Weiber von Windsor“ komponierte, die am 9. März 1849 unter seiner Leitung uraufgeführt wurde. Deren Siegeszug hat er nicht mehr erlebt.

Zwei Monate später, am 11. Mai, starb er an einem Blutsturz. Posthum wurde er in die Akademie der Künste aufgenommen, der doppelt so alte Schadow hielt ihm die Totenrede. „Deutsche Schule muss da sein“, hatte Nicolai in seinen ersten Italienjahren geschrieben, „das ist die erste Bedingung, aber italienische Leichtigkeit muss dazukommen. So ist Mozart entstanden, und wenn ich seinen Geist hätte, so könnte ich auch etwas Gutes machen.“ In seinen besten Werken ist ihm das beglückend gelungen. Dirk Klose


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