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29.10.11 / Ende der Lügen / Mutter lüftet Geheimnis

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-11 vom 29. Oktober 2011

Ende der Lügen
Mutter lüftet Geheimnis

Dass Kinder ihren Eltern kleinere und größere Sünden beichten, ist nichts Ungewöhnliches. Die Vergebung der Eltern ist ihnen relativ gewiss. Die Liebe der Eltern ist ein starkes Band, welches viel Leid und Kummer ertragen kann. Doch wie verhält es sich, wenn Eltern ihren Kindern etwas zu beichten haben? Können sie ebenfalls so ohne Weiteres von Vergebung und Unterstützung der Kinder ausgehen?

Graham Swift überrascht den Leser in seinem Roman „Im Labyrinth der Nacht“ mit einem sich über den gesamten Roman hinziehenden Monolog einer Mutter, die kurz davor steht, ihren Zwillingen ein Geheimnis zu offenbaren. Eine Wahrheit, die das Leben der Kinder verändern soll.

Es ist die Nacht vor dem 16. Geburtstag der Zwillinge Kate und Nick, als deren Mutter Paula in einem vom Autor psychologisch geschickt aufgebauten Monolog die Vergangenheit der Familie heraufbeschwört. Voller Spannung erwartet der Leser den Moment, in dem Paula in Erinnerungen schwelgend, an den entscheidenden Punkt kommt und das große Geheimnis lüftet. Graham Swift nimmt sich damit jedoch Zeit, viel Zeit, einen ganzen Roman lang.

Paula berichtet zunächst von der steten Liebe zu ihrem Mann Mike. Viele Vermutungen des Lesers, was die Eltern den Kindern am nächsten Morgen erzählen werden, werden durch Paulas Gedankengänge nach und nach ausgeschlossen: „Ich muss euch jetzt ein paar schwierige und delikate Dinge erklären. Ich muss euch mit meinen eigenen Worten erklären, was euch euer Vater morgen mit den seinen erklären wird. Es ist etwas, worauf wir uns geeinigt haben: Das Reden übernimmt euer Vater. Wer auch sonst unter diesen Umständen? Aber jetzt schläft er, erstaunlicherweise. Vor der größten Rede seines Lebens. Und ich will, dass er schläft. Schlaf weiter, Mikey, schlaf solange du kannst. Und was soll eure Mutter tun, während diese letzten schlaflosen Stunden verstreichen? Einfach still sein? … “

Der Autor versteht sich hervorragend darauf, den Spannungsbogen bis aufs Letzte auszureizen, lässt dem Leser die Informationen nur bruchstückhaft zukommen. Dennoch muss der Leser gelegentlich seine Ungeduld zügeln, da Paula zum Beispiel mehrere Kapitel über den Kater Otis schwadroniert, über die Gründe, weshalb sie den Namen ihres Mannes angenommen hat und etliches andere. So ist die Geduld des Lesers bereits etwas überstrapaziert, als Paula endlich mit der Wahrheit herausrückt.

Das große Geheimnis, die Offenbarung entpuppt sich bedauerlicherweise als nicht ganz so spektakulär. Das Gelesene bekommt rückblickend für den Leser jedoch mehr Sinn, es erscheint nachvollziehbar, weshalb Graham Swift Paula bestimmte Anekdoten zum Besten geben ließ. Die Tatsache, dass Paula sich als Mutter so stark verantwortlich fühlt, dass ihr das Thema, nun, wo das Geheimnis gelüftet werden soll, eine schlaflose Nacht beschert hat, ist nicht verwunderlich.

Die Reaktion der Zwillinge wird dem Leser jedoch ein Rätsel bleiben, da Paulas Monolog nach 318 Seiten abreißt, als der Morgen dämmert. Graham Swift lässt den Leser im Ungewissen über den Ausgang der Geschichte. Vanessa Ney

Graham Swift: „Im Labyrinth der Nacht“, DVA, München 2011, 320 Seiten, 14,90 Euro.


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