25.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
29.10.11 / Arbeiten ohne Arbeit / Journalistin verdingt sich als Putzfrau

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-11 vom 29. Oktober 2011

Arbeiten ohne Arbeit
Journalistin verdingt sich als Putzfrau

Was erwartet jemanden in Frankreich, der im fortgeschrittenen mittleren Alter ist, arbeiten will, aber nichts vorzuweisen hat außer dem Abitur? Die französische Journalistin Florence Aubenas, die früher unter anderem aus Algerien und über den Völkermord in Ruanda berichtete, veränderte ihr Aussehen und meldete sich arbeitssuchend in der Provinz, im normannischen Caen: als Hausfrau Mitte 40 und geschieden. Sie sei bereit, jede Tätigkeit anzunehmen. Was sie daraufhin erlebte, hat sie in einer Reportage zu Papier gebracht, die den Leser nachdenklich zurücklässt. „Putze. Mein Leben im Dreck“ lautet der Titel ihres Buches.

Aubenas erfährt als Erstes, dass sie bei der Arbeitsagentur nicht als „gute Kundin“ eingestuft wird. Ihr einziger Pluspunkt, wie sie der Miene der Vermittlerin entnimmt: Sie hat keine Kinder. Selbst unter günstigen Bedingungen ist die Jobsuche ein harter Konkurrenzkampf, doch fehlt ihr so ziemlich alles, was bei ungelernten Kräften Mindeststandard ist, wie Erfahrung mit irgendetwas und ein Auto. Die Angebote, die sie im Internet findet, sind gespickt mit Einschränkungen. Als sie dennoch einmal zur Vorstellung erscheint, teilt ihr der Angestellte eines Gartencenters mit, dass sie zum „Bodensatz“ gehöre. Beim Anstehen in der Arbeitsagentur kann sie die Gespräche der anderen Jobsuchenden mithören. Und erfährt zum Beispiel, dass ein Arbeitgeber eine Bewerberin, die jünger ist als sie, als „Alte“ bezeichnet hat. Ein Mann versichert der Beraterin, er würde für weniger Stundenlohn als für die gesetzlich vorgeschriebenen 8,71 Euro arbeiten. Aber es nützt ihm nichts, das wäre ja gesetzeswidrig. Aubenas wird allerdings die Erfahrung machen, dass die Arbeitgeber den Mindestlohn mit Tricks unterlaufen.

Man spürt den Druck auf die Bewerber, allen widrigen Bedingungen unbedingt zustimmen zu müssen, und auch, was es heißt, wie Kehricht behandelt zu werden. Was ihr bleibt, sind Putzjobs, auf die sie sich konzentriert, nachdem sie einen fragwürdigen Vorbereitungskurs absolviert hat. Nach sechs Wochen putzt sie auf der Ärmelkanalfähre unter unzumutbaren Bedingungen. Die Tätigkeit ist so zugeschnitten, dass jeder gut 250 Euro im Monat verdient. Daher nimmt Aubenas wie ihre Kollegen weitere Putzjobs in der Umgebung an, und sie staunt, wie sich alle daran gewöhnt haben, dass die Fahrt- und Wartezeiten doppelt so lang sind wie die Arbeitszeiten. Mit einigen freundet sie sich an, wird eingeladen und sammelt weiteren Stoff für ihr Thema. Ihr Fazit ist bitter. „Man arbeitet ständig, ohne wirklich Arbeit zu haben, man verdient Geld, ein Auskommen aber hat man nicht.“ Dagmar Jestrzemski

Florence Aubenas: „Putze. Mein Leben im Dreck“, Pendo, München 2010, brosch., 250 Seiten, 14,95 Euro.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren