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05.11.11 / Mit Technik zum Erfolg / Ein Super-Scanner soll Stasi-Geheimnisse lüften

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-11 vom 05. November 2011

Mit Technik zum Erfolg
Ein Super-Scanner soll Stasi-Geheimnisse lüften

Etwa 16000 Säcke mit Aktenschnipseln hinterließ der Geheimdienst der DDR. Das zerrissene Papier sollte zum Verbrennen abtransportiert werden. Man kann davon ausgehen, dass es sich ausnahmslos um brisante Akten handelt, denn die wurden zuerst vernichtet. Seit Beginn der 90er Jahre werden im fränkischen Zirndorf diese Schnipsel manuell zusammengesetzt. In einem Sack befinden sich etwa 4500 zerrissene Seiten. Ein Rekonstrukteur schafft es, zehn Seiten pro Tag zusammenzusetzen. Dass diese mühsame Puzzle-Arbeit zu sensationellen Ergebnissen führen kann, wurde klar, als Ende der 90er Jahre die Verpflichtungserklärung des seinerzeitigen Chefredakteurs der Potsdamer „Märkischen Allgemeinen“, Peter Mugay, zusammengefügt wurde. Mugay, der seine Stasimitarbeit verschwiegen hatte und der bis dahin sicher gewesen war, dass seine IM-Akte vernichtet sei, muss­te seinen Posten aufgeben.

Der sensationelle Fund weckte das Interesse der Medien. Auch im Fernsehen wurde berichtet, was in Zirndorf gemacht wurde. Eine dieser Sendungen wurde von einem Forscher des Fraunhofer-Institutes, Bertram Nicolay, gesehen. Der Wissenschaftler rechnete sich aus, dass die manuelle Zusammensetzung der Akten bis zum Jahr 2500 dauern würde. Das ließ ihn darüber nachdenken, ob sich nicht ein Scanner entwickeln ließe, mit dessen Hilfe die Teile schneller zusammengesetzt werden könnten. Bei der ehemaligen Chefin der Stasiunterlagenbehörde, Marianne Birthler, stieß das Projekt von Nicolay auf wenig Interesse. Also betrieb der Wissenschaftler die nötige politische Lobbyarbeit selbst – mit Erfolg. Im Jahr 2002 schrieb der Deutsche Bundestag das Projekt aus und sein Team bekam den Zuschlag.

Mit dem entwickelten Super-Scanner, der in einem Kühlraum des Fraunhofer-Institutes in Berlin-Charlottenburg steht und der ab Januar 2012 seine Arbeit aufnehmen soll, hoffen die Forscher, alle 600 Millionen Schnipsel in den nächsten zehn bis 15 Jahren zusammengesetzt zu haben.

Unter den Säcken befinden sich auch solche mit Fetzen aus den Beständen der Ostberliner Auslandsspionage. Diese Hinterlassenschaften sind besonders interessant, weil die Akten der HVA zum größten Teil vernichtet sind. Diese 90 Säcke werden zu den ersten gehören, die bearbeitet werden. Innerhalb eines Jahres soll der Inhalt von 400 Säcken wieder ganz gemacht sein. Sicher ist, dass die Funde die Diskussion über die Stasi neu entfachen werden. Zu hoffen bleibt, dass endlich der Beweis erbracht werden kann, dass die Tätigkeit der Staatsicherheit nicht auf die DDR beschränkt war und ihre willigen Helfer auch im Westen zu finden waren. Es gibt noch jede Menge dunkler Punkte bei der Aufklärung der Verbrechen der Staatsicherheit. Wie eng war die Verbindung zwischen RAF und Stasi, wer unter den Bundestagsabgeordneten war Stasimitarbeiter, wie sehr hat die Stasi bei den 68ern oder in der Friedensbewegung West mitgewirkt? Es wird Zeit, dass diese Fragen beantwortet werden. Vera Lengsfeld


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