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05.11.11 / Polen droht Bonitätsverlust / Regierung muss Kürzungen der Staatsausgaben vornehmen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-11 vom 05. November 2011

Polen droht Bonitätsverlust
Regierung muss Kürzungen der Staatsausgaben vornehmen

Erhebliche Schwierigkeiten stehen Polens Regierung ins Haus, wenn eine von der Ratingagentur Moody’s ausgegebene Warnung Realität werden sollte. Sollte sich die Lage der polnischen Staatsfinanzen nicht verbessern, dann ist bereits zum Jahresende mit einer negativen Einschätzung der Kreditwürdigkeit des Landes zu rechnen, so die Einschätzung der Ratingagentur.

Der Zeitpunkt der Ankündigung dürfte mit Bedacht gewählt worden sein. Nur wenige Wochen nach den Parlamentswahlen beginnen die Planungen der Regierung für die kommenden vier Jahre. Offiziell wird im laufenden Jahr mit einem Defizit von 5,6 Prozent im Haushalt gerechnet. Dass eine angekündigte Absenkung des Defizits auf nur noch 2,9 Prozent im kommenden Jahr gelingen wird, gilt als unwahrscheinlich. Während die Regierung immer noch mit einem Wirtschaftswachstum von vier Prozent im Jahr 2012 kalkuliert, rechnet Moody’s nur noch mit einem Wachstum, das maximal 2,4 Prozent betragen könnte. Die Folge wäre ein Ausfall beim Steueraufkommen, während gleichzeitig im kommenden Jahr die Tilgung von Obligationen im Wert von 115 Milliarden Zloty (über 26 Milliarden Euro) im Inland und von 40 Milliarden Zloty (rund neun Milliarden Euro) im Ausland ansteht. Sollte in dieser Situation Polen seine „A2“- Bonität von Moody’s aberkannt werden, würde das die Kreditaufnahme auf den internationalen Kapitalmärkten spürbar verteuern.

Für Premierminister Donald Tusk ist die Ausgangslage so kurz nach der Parlamentswahl an sich günstig, der Warnung von Moody’s Taten folgen zu lassen und Kürzungen im Staatshaushalt auf den Weg zu bringen. Von Ökonomen immer wieder ins Gespräch gebracht werden Änderungen am Rentensystem. Gefordert wird unter anderem eine Erhöhung des Renteneintrittsalters, das bisher für Frauen bei 60 und für Männer bei 65 Jahren liegt. Auch die Rück­nahme von Pensionsprivilegien für bestimmte Berufsgruppe wäre wichtig, damit sich das polnische Rentensystem nicht langfristig zu einer nicht mehr beherrschbaren Belastung entwickelt.

Aktuell scheint die Staatsverschuldung mit 54,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts kaum besorgniserregend zu sein. Die im europäischen Vergleich niedrige Zahl relativiert sich allerdings angesichts des kurzen Zeitraums, in dem neue Schulden angehäuft wurden: Erst in den 90er Jahren war Polen im Rahmen von Umschuldungsvereinbarungen des Pariser und des Londoner Clubs die Hälfte seiner damaligen Auslandsschulden erlassen worden. Wie brisant die finanzielle Lage für Warschau zukünftig noch werden könnte, macht ein Blick auf die implizierte Staatsverschuldung deutlich, bei der auch langfristige Zahlungsverpflichtungen, etwa durch Rentenzahlungen, berücksichtigt werden. Die 2010 durch die Societé General im Rahmen der Analyse „Popular Delusions – Government hedonism and the next policy mistake“ ermittelte implizierte Staatsverschuldung durch künftige Belastungen scheint mit 418 Prozent der Wirtschaftsleistung für Deutschland und mit 549 Prozent für Frankreich schon kaum tragbar. Den Spitzenplatz in Europa in Bezug auf die implizierte Staatsverschuldung nimmt der Analyse zufolge allerdings Polen ein – mit 1550 Prozent. Norman Hanert


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