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12.11.11 / Ist nur der Berliner Kachelofen preußisch? / Tagung der Preußischen Historischen Kommission in Berlin: Referenten stellten Existenz einer eigenständigen Kunst infrage

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-11 vom 12. November 2011

Ist nur der Berliner Kachelofen preußisch?
Tagung der Preußischen Historischen Kommission in Berlin: Referenten stellten Existenz einer eigenständigen Kunst infrage

Unter der Leitfrage „Kunst in Preußen – preußische Kunst?“ fand vom 3. bis zum 5. November die diesjährige wissenschaftliche Tagung der Preußischen Historischen Kommission statt. Konzipiert wurde die Veranstaltung maßgeblich von Peter Betthausen, in Zusammenarbeit mit dem Vorsitzenden der Kommission, Frank-Lothar Kroll, und dem Direktor des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz, Jürgen Kloosterhuis. Das Staatsarchiv in Berlin-Dahlem war auch Tagungsort.

Betthausen, ehemaliger Direktor der Alten Nationalgalerie und Autor zahlreicher Publikationen, stellte eingangs die Problematik dar, indem er von der Fragestellung nach dem Deutschen in der deutschen Kunst – eine Fragestellung, die, wie er ausdrücklich betonte, noch lange nicht erledigt sei – zu der wahrscheinlich weitaus komplexeren Fragestellung nach der Existenz einer genuin preußischen Kunst überleitete. Eine besondere Schwierigkeit stelle die Tatsache dar, dass man zwar zweifelsfrei von einem preußischen Staat sprechen könne, nicht jedoch von einem preußischen Volk im Sinne eines historischen Volksstammes. Die Bevölkerung des Königreiches habe nur wenig gemein mit den ursprünglich namensgebenden Prussen. Daher komme  bei der Frage nach der preußischen Kunst dem geografischen Raum eine besondere Bedeutung zu.

Insgesamt 17 Historiker und Kunsthistoriker griffen in ihren Vorträgen spezielle Aspekte der bildenden Kunst, der Kunstpolitik sowie des Umgangs mit Überliefertem, wie etwa in der Denkmalpflege, auf. Natürlich waren alle Themen in Preußen verortet, offen war aber stets die Frage, ob sich eine preußische Kunst oder lediglich eine Kunst in Preußen ausmachen lasse und die künstlerischen Hervorbringungen nur in größerem – also etwa im deutschen oder europäischen – Maßstab in Zusammenhang zu bringen seien. Den bedauerlicherweise auf das 18. und 19. Jahrhundert beschränkten zeitlichen Rahmen verließ lediglich der Schlussvortrag, der dem Umgang mit dem von Christian Daniel Rauch geschaffenen Reiterstandbild Friedrichs des Großen in der DDR und dessen Wiederaufstellung im Zuge der eigentümlich anmutenden „Fried-rich-Renaissance“ der 80er Jahre gewidmet war.

Den ideengeschichtlichen Grundlagen der Baupolitik Fried-rich Wilhelms I. ging Matthias Franke nach. Er zog eine klare Linie von Ausführungen des Pietisten Philipp Jacob Spener zu den − zweckmäßig und sparsam – umgesetzten Projekten des Soldatenkönigs. Obwohl selbst Calvinist, seien bei Friedrich Wilhelm I., der den Halleschen Pietismus stark förderte, von den dort etablierten Institutionen allerdings auch stark profitierte, deutliche Einflüsse der pietistischen Lebens- und Glaubensauffassung zu erkennen. Sparsamkeit und Bautätigkeit des Regenten wären andernorts ein Widerspruch gewesen, man denke nur an die zeitgleiche barocke Prachtentfaltung unter August dem Starken im benachbarten Sachsen.

Zweckmäßigkeit, die enge Verzahnung des Schönen mit dem Nützlichen, beispielsweise im Gartenbau, waren Punkte, bei denen die Suche nach dem spezifisch Preußischen in der Kunst ansetzte. Insbesondere Jürgen Kloosterhuis unterstrich – als Kenner des Soldatenkönigs – in mehreren Wortmeldungen diese Merkmale.

Burkhardt Göres, ehemaliger Schlösserdirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, ging einem kunsthandwerklichen Thema nach und fragte nach dem Preußischen bei friderizianischen Rokoko-Möbeln. An einer Vielzahl von Beispielen konnte er aufzeigen, dass der betonte Naturalismus in der Ausschmückung typisch für diese Möbel sei.

Hingegen erkannte der Gartendirektor der Stiftung, Michael Rohde, lediglich eine europäische Gartenkunst, keinesfalls eine preußische. Wie er stellten viele der Referenten die Existenz einer eigenständigen preußischen Kunst eher infrage. Preußisch wäre und sei die Kunst insofern, als sie innerhalb des Staates Preußen geschaffen, von preußischen Königen angeregt oder von preußischen Künstlern ausgeführt worden sei. Ein preußischer Stil, der die hier entstandenen Kunstwerke charakterisiere, sei jedoch nicht auszumachen. Dies gelte auch für Karl Friedrich Schinkel, dessen hervorragende Kunstwerke und städtebaulichen Vorstellungen mehrfach zur Sprache kamen, an denen jedoch nichts eigens Preußisches zu entdecken sei.

Ausführlich betrachtet wurden die großen Meister sowie die Regenten als Auftraggeber, die mitunter selbst Ideen beisteuerten. Carl Gotthard Langhans, der neben vielem anderen das Brandenburger Tor schuf, wurde in den Blick genommen, auch der kunstsinnige König Friedrich Wilhelm IV. stand mehrfach im Fokus.

Etwas aus diesem Rahmen fiel eine Hervorbringung, die man mit Sicherheit als sehr preußisch bezeichnen kann: Jan Mende zeigte, wie der zwischen 1812 bis 1814 entwickelte Berliner Kachelofen zu einem Erfolgsmodell wurde. Zu verdanken ist dies dem Zusammenwirken des Fabrikanten Tobias Feilner, der für die technische Seite und die Vermarktung zuständig war, mit Karl Friedrich Schinkel, der bis zu seinem Tod die „Designlinie“ der Firma bestimmte. Überspitzt ließe sich, unter dem Eindruck des Vorhergesagten, fragen, ob sich das Preußische bei Schinkel nun ausgerechnet in diesen Kacheln finde.

Wer eine klare und vor allem positive Antwort auf die Frage nach der Existenz einer preußischen bildenden Kunst erwartet hatte, sah sich am Ende etwas enttäuscht. Bleibt als Trost, dass die Preußische Historische Kommission das Kunst-Thema weiter verfolgen wird: Musik und Literatur stehen im Mittelpunkt der nächsten beiden Tagungen. Vielleicht sind die Bezüge hier eindeutiger. Erik Lommatzsch


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