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12.11.11 / Zweierlei Geister der Vergangenheit / Vertreibung: Aufarbeitung in der tschechischen Popkultur – Gedenkkreuzschändung in Dobrenz/Mähren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-11 vom 12. November 2011

Zweierlei Geister der Vergangenheit
Vertreibung: Aufarbeitung in der tschechischen Popkultur – Gedenkkreuzschändung in Dobrenz/Mähren

Die innertschechische Auseinandersetzung mit der dunkelsten Seite der jüngsten tschechischen (und slowakischen) Geschichte ist nach Jahrzehnten des Schweigens unumkehrbar in Gang gekommen. Beispiele wie der Amateurfilm „Töten auf Tschechisch“, der sich vorwiegend mit dem Massaker an 763 Deutschen im böhmischen Postelberg beschäftigt und zum 65. Jahrestag des Kriegsendes im tschechischen Fernsehen gezeigt wurde, der Erfolg der Wanderausstellung der Jugendinitiative „Antikomplex“, die das „verschwundene Sudetenland“ und den damit einhergehenden immensen Verlustins Bewusstsein der tschechischen Öffentlichkeit holte, oder die deutsch-tschechisch-österreichische Co-Produktion des Spielfilms „Habermann“ von 2010, der am Rande einer böhmischen Familiengeschichte die Brutalitäten bei der Vertreibung darstellt – all das zeigt, wie abseits der hohen Politik eine Aufarbeitung des Zerwürfnisses der Tschechen mit „ihren“ Deutschen und deren radikaler Austreibung 1945-47 in Gang gekommen ist. Eine Aufarbeitung, die eine Eigendynamik entwickelt und mittlerweile Eingang in populäre Formen gefunden hat.

Unlängst thematisierte die auflagenstärkste tschechische Tageszeitung „Mladá fronta dnes“ Folter und Massaker an Sudetendeutschen für ein breites Publikum auf ungewöhnliche Weise: In der Wochenendausgabe zum 22. Oktober erschien dort eine Bilder-Folge in der Reihe „Geschichten des 20. Jahrhunderts“, welche ungeschönt und drastisch einen authentischen Fall von Lynchjustiz beschrieb – als Comic. Grundlage bildet der Bericht eines damals zwölfjährigen sudetendeutschen Jungen, der am 8. Mai 1945 nahe bei der mittelböhmischen Stadt Beraun mitansehen musste, wie seine Eltern von „Revolutionsgardisten“ und fanatisierten Einwohnern ermordet wurden. Dem Wüten der selbst ernannten „Befreier“ fielen 19 Deutsche zum Opfer, welche überwiegend in einer nahen Fabrik arbeiteten. Unter Comics-Ze i ch n u n g e n  von Erschießungen aus nächster Nähe, schmerzverzerrten Gesichtern und blutüberströmten, verstümmelten Leichen stehen Texte wie dieser: „Die übrigen Deutschen wurden zum Wald in Beraun geführt und dort von hysterische  Frauen aus Lodenitz erschossen und totgeschlagen.“

Die Bildsequenz verzichtet auf das übliche Relativieren und hält nüchtern fest: „Der Fall wurde nie untersucht, niemand vor Gericht gestellt, niemand bestraft. Die Mörder wurden durch das Gesetz 115/1946 von der Verantwortung freigestellt und ihre Tat in die Kategorie ‚gerechte Vergeltung‘ eingereiht.“ Auf Privatinitiative, nicht durch die Ämter, wie der Comic betont, wurde an der Stelle des Grauens, die „Zum Ermordeten“ heißt, vor einigen Jahren ein übermannshohes Gedenkkreuz errichtet. 

Eine ganz andere Form des Umgangs mit dem schlimmsten Kapitel der tschechoslowakischen Geschichte spielte sich unterdessen im mährischen Dobrenz bei Iglau ab. Am 28. Oktober und damit am symbolträchtigen Nationalfeiertag wurde dort das Gedenkkreuz für die Toten des örtlichen Nachkriegs-Massakers an den sudetendeutschen Einwohnern mit grellrosa Farbe besudelt. Die Täter, allesamt Führungskader der nationalsozialistischen Fortsetzungspartei von Eduard Benesch, bekannten sich öffentlich zu der Schändung. Christian Rudolf


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