19.04.2024

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12.11.11 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-11 vom 12. November 2011

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Vertrauen! / Wie uns Geldverdienen arm macht, wieso Ärzte lieber nicht mehr FDP wählen, und wohin der Rösler besser nicht reisen soll

In diesen wilden Tagen ist alles anders, als wir es gewohnt waren. Seit Menschengedenken galt die Regel: Wer mehr einnimmt, der hat auch mehr Geld. Ist ja auch logisch, oder?

Möchte man meinen, stimmt aber nicht mehr. Eben erreichte uns die frohe Botschaft, dass die deutschen Exporte im September kräftig zugelegt haben, ganz anders als befürchtet. Damit erhob noch einmal der sagenhafte Aufschwung sein Haupt, den die deutsche Wirtschaft nach dem Konjunkturdesaster von 2009 hingelegt hat. Wachstumszahlen waren das! Traumhaft. Kein anderes großes Industrieland der westlichen Welthälfte habe sich so schnell wieder berappelt wie wir, ließen uns die anerkennenden Kommentare in- und ausländischer Medien wissen. Das tat gut.

Nun müssen wir uns nur noch überlegen, was wir mit dem vielen Geld machen, das wir mit dem hart erarbeiteten Kavalierstart verdient haben. Und? Was kaufen wir uns Schönes? Antwort: Gar nichts. Wir haben nämlich keinen roten Heller dazubekommen. Im Gegenteil: Die Gehälter der Deutschen sind während des famosen Aufschwungs sogar weiter gesunken, wenn man die Inflation von den „nominalen“ Lohnsteigerungen abzieht und so die „reale“ Gehaltsentwicklung berechnet.

Wohin das ganze Geld verschwunden ist, erklären uns Volkswirte: Durch den Kapitalabfluss in andere Euro-Länder verschwände deutsches Geld einfach über die Grenze.

Und das sei ja auch ganz gerecht, meinen kluge Politiker und versierte Journalisten: Die Deutschen überschwemmen die anderen mit ihren Produkten, daher der tolle Export. Unsere Euro-Partner könnten die Produkte aber nur kaufen, wenn wir ihnen das Geld dazu schenkten. Ihre eigene Wirtschaft sei nämlich unter dem Konkurrenzdruck der immer effizienter produzierenden Deutschen auf der Strecke geblieben. So profitiere der deutsche Export und damit letztlich alle Deutschen von den EU- und Euro-Beihilfen aus unseren Kassen.

Das verstehen wir natürlich,  dennoch haben wir ein maues Gefühl bei der Sache. Wie geht das eigentlich weiter, jetzt, da immer mehr unserer kauffreudigen Abnehmer immer weniger (eigenes) Geld haben? 

Wahrscheinlich so: Für die deutschen Arbeitnehmer muss noch weniger Geld übrig bleiben, und sie müssen sich für das wenige noch mehr reinhängen, um noch mehr zu erwirtschaften, was wir den anderen schenken können. Denn die Beschenkten dürfen ja nicht schlappmachen, weil wir ihnen sonst nichts mehr verkaufen könnten.

Dadurch wird die deutsche Wirtschaft noch konkurrenzmächtiger, weil sie um jeden Preis höhere Gewinne zum Verschenken erwirtschaften muss. Was es den südländischen Produzenten wiederum noch unmöglicher macht, gegen die teutonischen Wettbewerber anzukommen.

Am Ende arbeiten die Deutschen wie die Viecher, aber ohne Lohn, während es sich für andere Euro-Völker überhaupt nicht mehr lohnt zu arbeiten, weil sie mit ihren Betriebe von den emsigen Germanen aus dem Markt gefegt wurden. Die Fortgefegten gehen dann nur noch demonstrieren, um ihren „gerechten Anteil“ an den Geschenken sicherzustellen.

Nun ahnen wir, was die Weisen aus der Politik damit meinten: „Europäische Arbeitsteilung“ – die einen arbeiten, die anderen teilen (die Erträge unter sich auf). Allerdings zeigt dieses System bereits Ausfallerscheinungen: Die hiesige Wirtschaft beklagt einen grassierenden Fachkräftemangel. Möglicherweise wächst die Zahl der Bundesbürger, die mit jener „Arbeitsteilung“ nicht recht zufrieden sind, obwohl sie nicht genau sagen können, woher ihr Unbehagen rührt. Es ist vermutlich ihre mangelnde Einsicht in das Ausmaß, in welchem sie von der Arbeitsteilung profitieren. Denn niemand, so viel steht bekanntlich fest, profitiert von alldem so sehr wie wir Deutsche.

Ans kostenlose Mehrarbeiten sollten wir uns derweil gewöhnen. Es geht schließlich nicht bloß um die Früchte unserer derzeitigen Tätigkeit, die europäisch verteilt werden müssen. Unser Erspartes finden sie noch viel verlockender. Seit die Europäische Zentralbank (EZB) mit Mario Draghi von einem Italiener geführt wird, setzt sie noch viel energischer auf weiches Geld und niedrige Zinsen. Im Endeffekt heißt das, dass die Ersparnisse der einen Schritt für Schritt verdampft werden, damit die anderen billig Schulden machen können. Die Einzahler von Lebensversicherungen oder berufsständischen Rentenkassen engagieren sich so mit ihrer Altersversorgung auf das Allersolidarischste für das gemeinsame Euro-Haus: Die Realzinsen auf ihre Versorgung sind negativ und bleiben das auch. Ergo wird das mit dem wohlverdienten Ruhestand  für die meisten nicht so rosig wie gedacht. Sie sollten besser arbeiten, bis sie der Sensenmann in der eigenen Kanzlei oder der Praxis abholt.

Dass Draghi nicht gestört wird, dafür sorgen die Mehrheitsverhältnisse im EZB-Rat, wo alles entschieden wird. Von den 27 Sitzen hat Deutschland zwei, also genau so viele wie Malta und Zypern zusammen. Deutschland steuert fast 28 Prozent des EZB-Kapitals bei, Malta und Zypern zusammen etwa 0,3. Insgesamt bestimmen dort jene Länder den Kurs, welche regen Bedarf am Geld anderer haben und ihre Schulden im Gegenzug gern abgeben würden. Die starken Wirtschaftsnationen bilden hingegen eine verschüchterte Minderheit. So haben Helmut Kohl und Theo Waigel das damals ausgehandelt, worauf sie heute noch stolz sind.

Unterstützt wurden die beiden vom Koalitionspartner FDP, der ebenfalls nicht müde wird, seinen historischen Beitrag zum Euro-System zu feiern. Anwälte und Ärzte haben früher ganz besonders gern FDP gewählt. Philipp Rösler kann überhaupt nicht verstehen, warum sie das heute nicht mehr tun. Wir sollten ihm einen Tipp geben.

Einen anderen Tipp hat er schon vom schleswig-holsteinischen Chefliberalen Wolfgang Kubicki erhalten. Der hat kommendes Frühjahr eine Landtagswahl zu bestehen und riet Rösler, sich bis dahin besser nicht im nördlichsten Bundesland sehen zu lassen. Es sei in seinem eigenen Interesse. Der Tipp war eher eine flehende Bitte und damit ein richtiger Hammer: Kaum sechs Monate im Amt, ist der neue FDP-Chef vom sympathischen Herrn Rösler zum „Doktor Peinlich“ geschrumpft, mit dem sich keiner öffentlich sehen lassen will, der noch was vorhat im Leben.

Allerdings wird es spannend sein zu beobachten, wie Kubicki seinen Bürgern vormachen will, dass seine Kieler FDP mit der in Berlin nichts, aber auch gar nichts zu tun hat. Was, wenn die ihn nach dem Euro fragen? Fordert er dann den Beitritt Schleswig-Holsteins zur dänischen Krone?

Kaum, zunächst wird er das Thema meiden, so gut er kann. Wenn das nicht geht, muss er wohl für „Vertrauen in die gemeinsame Währung“ werben. Vertrauen ist ja ohnehin das große Thema unserer Zeit. Überall geht es verloren, weshalb man ja so eifrig danach sucht.

Das hat 2008 angefangen. Damals warben die Banken um das Vertrauen ihrer Kunden. Mit Erfolg: Wir vertrauten ihnen, ohne zu wissen, warum eigentlich. Denn während wir ihnen weiterhin unsere Spargroschen vertrauensvoll überließen, liehen sich die Banken untereinander keinen Cent mehr, weil sie sich nicht mal von hier bis zur Tür trauten.

Mit der Währung scheint das ganz ähnlich zu sein. Unablässig versichern uns die Euronauten, wie stabil der Euro sei, wie unzerstörbar seine Kaufkraft. Gleichzeitig fahren sie ihre langen Finger aus, um uns in die Goldreserve zu greifen. Merkwürdig: Wenn die Papierwährung so dermaßen stabil und zuverlässig ist, warum sind dann ausgerechnet ihre Herolde so scharf darauf, ihre Rettungsprogramme mit Gold abzusichern? Übrigens: Im April 1948 soll nach einer Umfrage die Mehrheit der Deutschen ihre Sparguthaben für sicher gehalten haben. Vertrauen ist eben alles.


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